SPOX: Verstehen Sie trotzdem den Ärger, den Dortmund aufgrund des Götze-Wechsels gegenüber die Bayern verspürt?
Heldt: Nein. Der Verein und der Spieler haben einen Vertrag unterschrieben und die darin festgehalte Klausel legitimiert die Bayern und Götzes Berater, über einen Wechsel zu sprechen. Eine solche Klausel kommt bei jedem Klub vor. Wenn ich dem zustimme, brauche ich mich danach nicht zu beschweren. Dortmund hat dem Vertrag genauso zugestimmt wie Götze.
SPOX: Auf Schalke steht nach Draxler mit Max Meyer der nächste offensive Mittelfeldspieler vor dem Durchbruch. Sehen Sie als ehemaliger Zehner etwas von sich selbst in ihm?
Heldt: Nicht einmal ansatzweise: Max ist jetzt schon technisch so versiert, wie ich es nie gewesen bin. Er hat eine große Karriere vor sich und seine Zeit wird kommen. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass er erst 17 Jahre alt ist. Daher sollten wir kurzfristig nicht zu viel erwarten.
SPOX: Als erstes großes Ziel nach der Entlassung von Felix Magath und Ihrer Beförderung stellten Sie die Nachwuchsarbeit in den Vordergrund. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Heldt: Mir die Erfolge auf die Fahne zu schreiben, wäre unverschämt. Das Team funktioniert exzellent mit Oliver Ruhnert im sportlichen und Bodo Menze im administrativen Bereich an der Spitze. Wir verschrieben uns vor zwei Jahren dem Ziel, dass wir unsere gute Ausgangslage besser nutzen müssen. Wir bekommen schon immer viele gute Talente, nur diese wurden nicht angemessen gefördert. Das wollten wir ändern - und die Früchte ernten wir jetzt. Etwa mit einem Sead Kolasinac, der sich schon jetzt als Stammspieler bei den Profis bezeichnen darf. Und aus der U 19 und U 17 drängen weitere nach, die es sicher in die erste Mannschaft schaffen werden.
SPOX: Wie sehr fühlen Sie sich selbst mittlerweile als Schalker Galionsfigur?
Heldt: Ich fühle mich durch und durch als Schalker, obwohl ich erst seit drei Jahren im Klub und erst seit zwei Jahren Mitglied bin. Uralte Schalke-Fans könnten das vielleicht verpönen, weil das nicht vergleichbar ist. Das stimmt auch. Aber ich identifiziere mich zu hundert Prozent mit dem Verein und versuche herauszufinden, was die Leute bewegt. Ich möchte in die Schalker Seele blicken.
SPOX: Sie werden in Fan-Kreisen nicht von jedem geliebt.
Heldt: Ich versuche, alle Fan-Wünsche zu berücksichtigen, als Vorstand muss man jedoch Entscheidungen treffen, die nicht immer einfach sind und bei denen man es nicht jedem recht machen kann.
SPOX: Wie unterscheidet sich der Spieler Horst Heldt vom Manager Horst Heldt?
Heldt: Als Spieler war ich einer von vielen und konnte mich verstecken, wenn ich wollte. Als Manager ist man hingegen für alles verantwortlich, insbesondere, wenn es schlecht läuft. Dieses Verantwortungsgefühl bedeutet ein komplett anderes Leben. Nach einer Niederlage kann ein Spieler das Ergebnis nach ein, zwei Tagen abschütteln. Einen Manager begleitet die Niederlage die gesamte Woche, weil es Auswirkungen auf allen Ebenen hat.
SPOX: Und wie hat sich Horst Heldt als Manager in den letzten sieben Jahren verändert?
Heldt: Ich habe erfahren, wie wichtig es ist, Berufliches vom Menschlichen zu trennen. Und was Verantwortung wirklich bedeutet, wenn man sich von Mitarbeitern trennen und diesen Entschluss im Vier-Augen-Gespräch vermitteln muss. Und ich muss sagen: Es verändert einen, selbst solch weitreichende Entscheidungen zu treffen. Trotzdem versuche ich, Mensch zu bleiben. Das ist zugegebenermaßen in der Schnelllebigkeit, in der wir uns bewegen, nicht einfach. Dennoch soll sich mein Charakter nicht verändern. Dafür ist es wichtig, ein Kontrollsystem mit Familienmitgliedern und Freunden zu besitzen, die einem auf die Füße treten, wenn man sich nicht korrekt verhält oder sich falsch in der Öffentlichkeit äußert.
SPOX: Sie waren in Ihren ersten zwei Jahren ein Mann des Ausgleichs. Sie beruhigten das Schalker Umfeld und warnten vor zu hohen Erwartungen. In diesem Sommer veränderten Sie Ihre Rhetorik, äußerten sich wie im SPOX-Interview wesentlich forscher - und hatten von außen betrachtet Ihren Anteil daran, dass eine gewisse Irrationalität zurückkehrte. Ist die Beobachtung richtig?
Heldt: Das kann gut sein. Nach unserem dritten Bundesliga-Platz habe ich versucht, die Mannschaft und den Gesamtverein zum nächsten Schritt zu bewegen. So wertvoll ein dritter Platz ist, auf Dauer wollen wir alle mehr. Und mit unseren Möglichkeiten können wir mehr erreichen. Das war mein Hintergedanke, als ich eine neue Tonart anstimmte, um neue Reizpunkte zu setzen.
SPOX: Waren Sie selbst erschrocken, wie schnell ein scheinbar stabiles Gebilde fragil wird?
Heldt: Es hat mir gezeigt, wie groß die Herausforderung für einen Verantwortlichen ist, einen Verein in Balance zu halten. Aber das übergeordnete Ziel sollte lauten, einen Verein in Balance zu haben, der zugleich erfolgreich ist. Wir sind dabei, uns dem zu nähern.
Horst Heldt im Steckbrief