SPOX: Herr Bobic, am Montag kehrten Sie nach einem dreiwöchigen Urlaub in den USA braungebrannt zurück zur Arbeit. Sind Sie so erholt, wie Sie aussehen?
Fredi Bobic: In der vergangenen Saison habe ich gemerkt, dass ich eine Auszeit brauche, deswegen nahm ich mir zum ersten Mal seit sechs Jahren in dem Business wirklich drei Wochen am Stück frei. Da reichen auch keine zwei Wochen, es ist genau diese dritte Woche nötig, um sich wieder aufzuladen für die kommenden Monate. Eine Saison ist verdammt lange, das haben wir im Vorjahr mit 52 Spielen erlebt - wobei die Spiele nicht mitgezählt sind, die ich dazu noch zum Scouten und Bewerten besucht habe. Umso größer war die Freude, dass ich drei Wochen abschalten konnte.
SPOX: Der für einen Sport-Vorstand vergleichsweise lange Urlaub war nur möglich, weil Sie Ihre Transfers erstaunlich früh vollzogen hatten. Wie fühlt es sich an, von allen Seiten nur Lob zu erhalten für die Weitsicht?
Bobic: Wir haben unheimlich viel vorgearbeitet, umso schöner ist es, den Moment mitzunehmen. Es ist ungewöhnlich, fast das komplette Gerüst zu einem solchen Zeitpunkt zusammengestellt zu haben. Aber ich weiß genau: In zwei, drei Monaten könnte es ganz anders aussehen und ich bekomme von außen nur Prügel, weil ich plötzlich doch alles falsch gemacht hätte. Ich bin so gestählt durch den Beruf, dass es mir nichts ausmacht - egal ob ich Feedback von Kritikern oder Schulterklopfern bekomme. Ich kann es werten.
SPOX: Sie sprechen von Ihrem "fast kompletten Gerüst". Schauen Sie sich dennoch weiter um? Bei den Bayern dürften nach der Thiago-Verpflichtung Spieler wie Pierre-Emile Höjbjerg oder Emre Can abkömmlich sein.
Bobic: Es werden einem oft Spieler der Bayern angeboten. Vor allem junge Spieler aus der zweiten oder dritten Reihe. Man muss sich das situationsbedingt anschauen. In München schaffen es nur die Top-Top-Top-Talente nach oben. Für das "normale" Top-Talent, bei dem es nicht ganz reicht, könnte es eine bessere Option sein, bei einem anderen Klub eine große Karriere zu beginnen.
SPOX: Dass Pep Guardiola und jetzt sein Schützling Thiago zu den Bayern wechseln, wird als Beweis für das gestiegene Ansehen der Bundesliga bewertet. Bemerken Sie es ebenfalls?
Bobic: Absolut, die Bundesliga als Ganzes ist sehr viel interessanter. Gerade in Spanien und Italien, auch England, sind richtig gute Spieler von Top-Vereinen, die bei ihren Mannschaften etwas zurückstehen und lieber in die Bundesliga wollen. Vor allem in der Premier League sprach sich herum, wie gut sich ein Kevin de Bruyne entwickelt hat. In Europa wurde man aufmerksam darauf, wie gut die Bundesliga arbeitet und wie hoch die Qualität ist. Nicht nur bei den Bayern und in Dortmund, sondern in der gesamten Liga.
SPOX: Auch in Stuttgart?
Bobic: Auch in Stuttgart. Egal, wen ich treffe: Ich spüre immer, über welch guten Namen der VfB verfügt. Was häufig untergeht: Die kommende Saison miteinberechnet, haben wir in zehn der letzten zwölf Jahre an einem europäischen Wettbewerb teilgenommen. Das ist der Wahnsinn! Nach den Bayern und Leverkusen ist das in Deutschland am dritthäufigsten. Das macht die Marke des Vereins aus - und das kommt bei den nationalen und internationalen Spielern sehr gut an. Regional werden wir häufig sehr kritisch gesehen, dabei darf nicht vergessen werden, dass der VfB Stuttgart von der Mehrheit zu Recht als sehr seriös wahrgenommen wird.
SPOX: Wenig zuträglich für den Ruf war der Konflikt in der Führungsebene, weswegen erst Präsident Gerd Mäuser und zwei Monate später Aufsichtsrats-Boss Dieter Hundt zurücktraten. Wurde Ihre Arbeit dadurch negativ tangiert?
Bobic: Es hat mich in meinem Zeitmanagement tangiert. Durch meine Ernennung in den Vorstand kamen ohnehin viel mehr Vereinsthemen auf mich zu als zuvor. Nachdem das Präsidentenamt vakant wurde, band man mich aber noch mehr in repräsentative Pflichten ein, sei es für Sponsorentermine oder für Vorträge. Das hat mich zeitlich extrem belastet. Gott sei Dank habe ich ein gutes Team in meinem Back Office, das mir sehr viel abnahm, sonst wären die Transfers gar nicht zu realisieren gewesen. Dennoch ist mir bewusst, dass der Verein wegen den letzten Wochen nicht im besten Licht dastand. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir für die Zukunft gut aufgestellt sind.
SPOX: Was erwarten Sie sich von Mäuser-Nachfolger Bernd Wahler, der am Montag bei der Mitgliederversammlung zum Präsidenten gewählt werden dürfte?
Bobic: Der Mann steht nach Jahrzehnten im Marketing eines Weltunternehmens für Innovation und Knowhow. Und was wichtig ist: Trotz seiner Erfahrung kommt er nicht an und erzählt direkt etwas von irgendwelchen Visionen. Stattdessen wählt er den richtigen Ansatz und will erst einmal das eigene Haus richtig kennenlernen. Man merkt, dass er ein Mann der Mitte ist. Er besitzt ein sympathisches Erscheinungsbild und ein lockeres Auftreten, mit dem er bei jedem gut ankommt. Gleichzeitig ist er ein Antreiber. Er wird uns mit Sicherheit sehr bereichern, auch auf der persönlichen Ebene. Die Leute, die ihn nicht kennen, werden alle positiv überrascht sein.
SPOX: Sie treiben parallel eine der wichtigsten Projekte der jüngeren Klub-Geschichte voran: den Bau eines neuen Nachwuchsleistungszentrums. Warum ist es Ihnen 14 Millionen Euro wert? Der VfB ist mit dem bestehenden Setup immerhin deutscher Rekord-Jugendmeister.
Bobic: Als ich zum VfB kam, wusste ich, dass ich nicht viel verändern muss. Die Erfolge sprachen für sich. Allerdings habe ich Bedarf zu einer Umstrukturierung im Nachwuchsbereich gesehen. Einerseits wollte ich einen neuen Geist und eine neue Dynamik im Miteinander. Andererseits wollten wir die Infrastruktur verbessern. Fast 14 Millionen Euro sind viel Geld und es gab auch Widerstände. Das änderte aber nichts daran, dass wir das Projekt vorantreiben mussten, um das jetzige Niveau weiterhalten oder sogar noch verbessern zu können.
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