Nach einem Trainerwechsel stehen alle Spieler einer Mannschaft auf dem Prüfstand, vor allem nach einer so langen Zeit wie sie Thomas Schaaf in Bremen hatte. Dennoch finden sich bei Werder vier Spieler im Kader, auf die der Fokus noch genauer gerichtet werden muss - aus den verschiedensten Gründen.
Sebastian Prödl: Endlich Abwehrchef
Der Innenverteidiger aus Österreich spielt seit nunmehr fünf Jahren in Bremen. Damals als Ersatzspieler geholt, sollte der 1,94-m-Hühne neben den etablierten Naldo und Per Mertesacker reifen und früher oder später seine Chance nutzen, um sich in der Mannschaft festzuspielen. 2,5 Millionen Euro Ablöse waren die Dienste des zu dem Zeitpunkt 21-jährigen Talents von Sturm Graz den Bremern wert.
Zur Einordnung: Prödl kam 2008 nach Bremen, Werder war zu diesem Zeitpunkt noch Dauergast in der Champions League und hatte sich als vermeintliche "Nummer 2" in Deutschland hinter Bayern München etabliert. Seitdem ist viel passiert: Per Mertesacker und Naldo haben den Verein verlassen, Sokratis kam und ging nach zwei Jahren wieder. Zudem verließen Spieler wie Özil, Diego und Pizarro den Verein, genau wie der Trainer Thomas Schaaf und vor ihm Manager Klaus Allofs. Parallel dazu der schrittweise Abstieg von der Nummer 2 zur grauen Maus.
Eins hat sich in diesem Zeitraum jedoch nicht geändert: Sebastian Prödl blieb den Beweis schuldig, dass er ein Abwehrchef sein kann. Obwohl er in seiner Werder-Zeit 100 von 170 möglichen Spielen mitgemacht hat, hatte man nie das Gefühl, dass Prödl einen Stammplatz sicher hat beziehungsweise nicht nur deshalb spielt, weil die Alternativen noch schlechter funktionieren.
Selbst in der letzten Saison wurde er zeitweise von Assani Lukimya verdrängt, der sich mit haarsträubenden Fehlern jedoch schnell wieder aus der Mannschaft bugsierte. Prödl beschwerte sich kürzlich über mangelndes Vertrauen von Schaaf, hatte mit seinen Leistungen aber auch nicht immer schlagkräftige Argumente auf seiner Seite.
Jetzt ist die Situation in der Abwehr wieder eine Neue. Sokratis, der mit seiner Art und seinem Charisma fast auf Anhieb zum Chef der Viererkette wurde, spielt im nächsten Jahr bei Dortmund. Lukimya (27) ist noch da, außerdem der im Winter gekommene Mateo Pavlovic (23) sowie der Italiener Luca Caldirola (22), der bisher nur in der Serie B gespielt hat und mit Sicherheit Zeit zur Eingewöhnung brauchen wird.
Prödl ist mit großem Abstand der dienstälteste Innenverteidiger in Bremen und Robin Dutt hat den 26-Jährigen im Voraus zum neuen Abwehrchef ernannt. Es liegt am Österreicher, diesen Vertrauensvorschuss zu rechtfertigen, zumal er die Rolle als Führungsspieler selbst eingefordert hat. Mehr Chancen dieser Art wird er bei Werder nicht mehr bekommen.
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Mehmet Ekici: Endlich frei
Mehmet Ekici hat seit seinem Wechsel an die Weser mit Vielem zu kämpfen. An erster Stelle mit dem Schubladendenken: Er kam 2011 nach Bremen, ein Jahr zuvor wechselte Mesut Özil zu Real Madrid. Die Gedankengänge vieler Fans und auch von Teilen der Medien war so simpel wie falsch: "Werder verkauft deutsch-türkischen Mittelfeldspieler, Werder holt anderen deutsch-türkischen Mittelfeldspieler - Ekici ist der neue Özil!". Alles war so schön einfach, die Realität aber eine andere.
Denn Spielweise und Fähigkeiten der beiden könnten kaum unterschiedlicher sein. Ganz abgesehen von Schnelligkeit und Spielwitz sind beide auf ganz anderen Orten des Feldes zuhause: Während Özil weit vorne agiert, ist Ekici eher auf der Sechs zuhause, wo er das Spiel vor sich hat und wo seine Geschwindigkeitsdefizite nicht so ins Gewicht fallen.
Punkt zwei der Widerstände sind die Verletzungen, mit denen sich Ekici seit seiner Ankunft herumzuschlagen hat. In seiner ersten Saison war er nie richtig fit, es gelang es ihm kaum, seinen Rhythmus zu finden. In der Saison 2012/2013 stand es um seine Gesundheit zwar besser, unter Schaaf bekam er jedoch keinen Fuß mehr in die Tür; in der Hinrunde durfte er insgesamt nur 28 Minuten aufs Feld. In der Rückrunde durfte er zwar sechs Mal spielen, eine echte Regelmäßigkeit und Stabilität waren aber auch da nicht zu erkennen.
Und dann ist da noch Ekicis Körpersprache. Von Anfang an wirkte er in Bremen, als fühle er sich unwohl. Wie viel davon mit seinen Leistenbeschwerden zusammenhing, ist schwer zu sagen. Für Außenstehende bleibt eine zögerliche Körpersprache, vergleichbar mit Aaron Hunt. Dessen Trikot ist - obwohl er seit Jahren einer der wenigen konstanten Bremer ist - in den Kurven des Weserstadions kaum zu sehen. Zwischen Phlegma und Unwillen ist der Grat sehr schmal...
Und jetzt? In der an den nackten Ergebnissen gemessen enttäuschenden Saisonvorbereitung der Bremer war der türkische Nationalspieler ein Lichtblick. Bei Robin Dutt scheint er auf der Doppelsechs neben Cedric Makiadi zu agieren, was seinen durchaus vorhandenen Stärken am besten entsprechen sollte. Denn die liegen eben eher in der Spielgestaltung von hinten heraus als unmittelbar vor dem gegnerischen Strafraum.
Ekici muss diese Saison nutzen, um sich durchzusetzen. Zwar hat er noch einen Vertrag bis 2015, zeigt sich jedoch keine Besserung, wird Werder ihn im Sommer 2014 vermutlich zähneknirschend mit Verlust verkaufen, um wenigstens noch etwas Geld zu kriegen. Er ist verletzungsfrei, man merkt auch an seiner Körpersprache, dass er sich endlich frei fühlt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um endlich seinen Rhythmus zu finden und sein Spiel für sich sprechen zu lassen.
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Eljero Elia: Am Scheideweg
Elia galt vor der vergangenen Saison als vermeintlicher Königstransfer. Zwar war er bei Juventus Turin kaum eingesetzt worden, seine Fähigkeiten waren in Bremen aber noch bestens bekannt. Mit Marko Arnautovic war er vorher außerdem bereits bei Twente Enschede aktiv; im Idealfall sollten die beiden als Flügelzange im neu eingeführten 4-1-4-1-System harmonieren und das Offensivspiel in bester Werder-Tradition unberechenbar machen.
Eine gewisse Skepsis über Elias Einfluss auf das Spiel und seinen Charakter machte sich jedoch von Anfang an breit, und im Verlauf der Saison erwies sich diese auch als berechtigt. In der Vorbereitung klappte noch alles gut, wenig später machte sich jedoch Ernüchterung breit. Der Niederländer dribbelte sich regelmäßig fest, verpasste den Moment zum Abspielen und agierte im Abschluss so harmlos, dass es fast schon tragisch war.
In der Hinrunde startete er zwar jedes Spiel, wurde jedoch auch 15 Mal ausgewechselt. Zwei mickrige Vorlagen kamen dabei zustande. In der Rückrunde verlor er seinen Stammplatz, zumal die ganze Mannschaft in sich zusammenbrach und Elia sich mit seinem bisweilen unprofessionellen und lustlosen Auftreten den Unmut von Trainer, Mitspielern und Fans zuzog.
In der gesamten Saison gab es genau ein Spiel, das erklärte, warum Elia überhaupt als Königstransfer gehandelt werden konnte und warum er trotz schlechter Leistungen noch immer im Kreis der niederländischen Nationalmannschaft steht: Das 2:0 gegen Hannover 96 am 20. Spieltag, genauer gesagt die letzten fünf Minuten. Elia bereitete ein Tor vor und leitete das zweite ein.
Es sind sein Antritt, seine Dribbelstärke und seine Technik, die es ihm ermöglichen, an guten Tagen den Unterschied auszumachen - nur ist ein guter Tag pro Saison viel zu wenig. Denn mehr folgten nicht, zumal sich Elia und Arnautovic mit ihrer Autobahn-Eskapade wenig später erfolgreich für einen Rausschmiss aufdrängten. Das Tischtuch zwischen Elia und Schaaf war danach zerschnitten.
Dutt hingegen hat angekündigt, mit Elia bei null anzufangen. Der 26-Jährige steht jetzt in der Bringschuld. Für die Kategorisierung als Talent ist er mittlerweile zu alt, er muss sein unbestritten riesiges Potenzial jetzt abrufen - nicht nur im Hinblick auf Werder, sondern auch im Hinblick auf seine eigene Karriere. Scheitert er bei einem weiteren Verein und unter einem weiteren Trainer, wird langsam offensichtlich, wer dafür verantwortlich ist.
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Marko Arnautovic: Quo vadis?
Der 24-Jährige spielt seit drei Jahren bei Werder und geht in sein letztes Vertragsjahr. Die Bilanz von Arnautovic ist mit einem Wort: durchwachsen. 70 Spiele, 14 Tore, elf Vorlagen und jede Menge Schlagzeilen. Zwar ist mit Sicherheit nicht jeder Aufruhr um seine Person und sein Verhalten gerechtfertigt, trotzdem besitzt Marko Arnautovic ein Talent, auf und neben dem Platz immer wieder unglücklich aufzufallen.
Die Rubrik "neben dem Platz" wäre allerdings wesentlich uninteressanter, wenn auf dem Platz alles stimmen würde. Denn obwohl Arnautovic alles Talent der Welt hat, konnte er bisher nie konstant auf hohem Niveau spielen und wurde aufgrund seines Verhaltens immer mal wieder auf die Bank beordert. Jose Mourinho erkannte einst schon "ein Kind im Körper eines Mannes" bei Arnautovic. Einen stichfesten Gegenbeweis blieb der Außenstürmer bisher schuldig.
Etwaige Vergleiche mit Mario Balotelli - von wem auch immer geäußert - hinken gewaltig, allein schon weil Balotelli im Gegensatz zu Arnautovic auf dem Platz etwas erreicht und sich dadurch einen gewissen Kredit erspielt hat. Champions-League-Sieger mit Inter Mailand ist er gewiss - aber das ist Tom Starke bei den Bayern auch geworden. Ohne ein wichtiger Teil der ersten Elf zu sein.
Arnautovic ist auch deshalb schwer einzuschätzen, weil er seine Fähigkeiten immer nur andeutet. Man weiß, dass er eigentlich eine starke Schusstechnik hat, obwohl er im Abschluss häufig glücklos agiert. Man weiß, dass er eigentlich ein kreativer Dribbler voller Spielwitz sein kann, den Ball aber trotzdem häufig und recht vorhersehbare Art verliert. Man weiß auch, dass er eigentlich ein gutes Auge für den Mitspieler hat und trotzdem zu oft das Abspiel verpasst.
In der letzten Saison war er unterm Strich zwar deutlich erfolgreicher als sein Kumpel Eljero Elia, trotzdem verlief sie auch für ihn unglücklich; mit dem "Kapitel Autobahn" als krönendem Abschluss. Jetzt steht für ihn einiges auf dem Spiel: Er spielt in der nächsten Saison nicht nur um einen Stammplatz, sondern auch um einen neuen Vertrag. Spieler mit seinem Potenzial werden immer irgendwo unterkommen, diese Saison kann trotzdem richtungweisend sein.
Er selbst sieht sich auf Sicht bei einem Topklub. Werder Bremen ist kein Topklub mehr, kämpfte letztes Jahr sogar gegen den Abstieg. Wenn er hier in vier Jahren nicht den Durchbruch schafft, werden nicht viele (lies: keine) Topvereine Interesse an ihm zeigen. Von Dutt bekommt er die Chance - jetzt muss Marko Arnautovic zeigen, was wirklich in ihm steckt. Und zwar auf dem Feld.
Immerhin: Wie seine "Mitstreiter" Prödl, Ekici und Elia traf auch Arnautovic beim Testspiel-Kantersieg gegen Drittligist Erfurt. Vielleicht schon mal ein gutes Omen für die Zukunft...
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