SPOX: Herr Durm, seit Anfang Juli laufen Sie nicht mehr unter der Kategorie Stürmer, sondern sind jetzt dabei, zum Rechtsverteidiger umfunktioniert zu werden. Zu welchem Zeitpunkt haben Sie denn von diesem Vorhaben erfahren?
Erik Durm: Das war gegen Ende der vergangenen Saison nach einem Nachmittagstraining mit der ersten Mannschaft. Jürgen Klopp hatte mir damals seinen Plan mitgeteilt. Nur konnte ich mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht hundertprozentig darauf konzentrieren, da wir mit der zweiten Mannschaft des BVB mitten im Abstiegskampf steckten.
SPOX: Wie kann man sich diese Unterhaltung denn vorstellen?
Durm: Es war direkt auf dem Trainingsplatz und dauerte rund eine Viertelstunde. Der Trainer hat mich zunächst gefragt, ob ich mir diese Position überhaupt vorstellen könne. Ich habe ihm geantwortet, dass die Position an sich für mich überhaupt keine Frage sei - Hauptsache, ich darf in der Bundesliga mitmischen. Er meinte, dass er bei mir große Möglichkeiten als Rechtsverteidiger sieht und er das gerne zusammen mit mir angehen würde. Es wurde aber erst zur aktuellen Saison konkret für mich, seit zehn Wochen mache ich das jetzt.
SPOX: Haben Sie Bedenkzeit bekommen?
Durm: Ja, er hat mich aufgefordert, mir das genau zu überlegen. Nur war von meiner Seite aus relativ schnell klar, dass ich nicht großartig darüber nachdenken muss. Mich hat eben die Perspektive, Bundesligaspieler werden zu können, extrem gereizt. Daher war mir die Position im Endeffekt auch wurscht (lacht).
SPOX: Sie hätten quasi angesichts der tollen Aussicht auch jede andere Position abgenickt?
Durm: Wahrscheinlich schon. Ich komme ja aus dem Offensivbereich, da hätte es also rein theoretisch noch ein paar andere Möglichkeiten gegeben, die mich wohl schnell überzeugt hätten. Mir macht's rechts in der Viererkette aber auch wirklich Spaß, ich habe das noch zu keiner Sekunde bereut.
SPOX: Bei den Amateuren in der 3. Liga haben Sie diese Position nie bekleidet. Wie sehr hat Sie der Umstrukturierungsgedanke denn auch überrascht? Gab es irgendwelche Vorzeichen?
Durm: Nein. Ich bin als Stürmer zum BVB gewechselt, habe mir dann aber ziemlich am Anfang eine Bänderverletzung zugezogen und fiel rund vier Monate aus. Als ich wieder fit war, kam ich zumeist im linken Mittelfeld zum Einsatz. Da ging es also schon einen Schritt nach hinten. Und dann kam eben der Trainer und meinte, durch Parameter wie meine Ausdauerwerte und Schnelligkeit wäre ich wie geschaffen für die rechte oder linke Seite der Viererkette.
SPOX: Was haben Sie dann im ersten Moment gedacht?
Durm: Ich war erstmal schon baff. Ich war ja meine gesamte Karriere über eigentlich ein Neuner. Wenn mir vor zwei, drei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich mal Rechtsverteidiger spielen werde, hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt (lacht).
SPOX: Wie ging man diese Umschulung am Anfang an?
Durm: Es wurden zunächst Videosequenzen, auch von Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer, zusammengeschnitten, dann sind wir diese durchgegangen und haben sie analysiert. So wurde mir zusammen mit der Praxiserfahrung in den Trainings- und Vorbereitungsspielen die Position näher gebracht.
SPOX: Sie dürften jetzt auswendig herunterbeten können, worauf es Klopp bei einem Rechtsverteidiger ankommt.
Durm: Klar, da gibt es ein paar Stichpunkte, die ich nennen kann: Wenn der Ball auf unserer linken Seite ist, immer relativ weit einrücken. Immer an der Kette orientieren. Bei Ballgewinn schnell eine hochstehende Position einnehmen, damit ich eben auch ins Angriffsspiel eingebunden werden kann. Dazu kommen Dinge wie Verzögern oder Attackieren, die mehr über die Intuition in der jeweiligen Spielsituation ablaufen.
SPOX: Wie sieht das Feedback von Klopp im Alltag aus: Findet das kurz und knackig während des Trainings statt oder gibt es auch mal eine detailliertere Nachbesprechung?
Durm: Sowohl als auch. Vor allem aber im Training, da man dort die Korrekturmaßnahmen gleich umsetzen kann. Bei den Videoanalysen ist es jedoch auch möglich, dass das Trainerteam explizit mich anspricht und mir anhand einer konkreten Situation verdeutlicht, was gut war und was ich verbessern kann.
SPOX: Womit haben Sie noch die größten Probleme?
Durm: Die Krux auf dieser Position besteht darin, dass quasi jeder Fehler bestraft wird. Es muss mir natürlich noch mehr in Fleisch und Blut übergehen, richtig abzuwägen, wann ich nach vorne attackiere, wann ich verzögere und wann ich doch besser den Weg nach hinten antrete. Das ist aber zu diesem Zeitpunkt ganz normal, ich bin ja sozusagen noch mitten in der Lernphase. Auf jeden Fall muss ich aber noch an meinem Kopfballspiel arbeiten, das gefällt mir noch nicht so wirklich.
SPOX: Der Angreifer in Ihnen kann ja auch nicht innerhalb von ein paar Wochen gänzlich verschwunden sein.
Durm: Nein, in mir steckt schon noch der Stürmer. Das ist nicht verwunderlich, aber ich trainiere es mir mehr und mehr ab und habe innerlich schon mit dem Stürmerdasein abgeschlossen (lacht). Es hat ja auf dieser Position auch Vorteile, gelernter Offensivspieler zu sein - so war es ja bei Lukasz Piszczek auch.
SPOX: Piszczek befindet sich derzeit in der Reha. Haben Sie schon mit ihm das Gespräch gesucht, um sich ein paar Tipps zu holen?
Durm: Nein, noch nicht. Er ist oft dann da, wenn wir nicht da sind oder umgekehrt. Daher hat sich das bisher noch nicht ergeben. Er soll jetzt seine Reha machen. Irgendwann werde ich mir Lukasz noch schnappen, ein Gespräch wird sich sicherlich ergeben.
SPOX: Sie sind jetzt das zweite Mal für die U 21 nominiert worden. Haben Sie Unterschiede zwischen den Anforderungen von Horst Hrubesch und Klopp ausmachen können, was die Rechtsverteidigerposition angeht?
Durm: Nein, das sind höchstens Nuancen. Da geht es darum, ob man mehr oder weniger einrücken soll und solche Dinge. Das setzt man dann instinktiv um. Aber wirklich gravierende Unterschiede habe ich noch keine festgestellt. Das würde ja irgendwie auch keinen Sinn ergeben.
SPOX: Sie kamen aus Mainz zum BVB. Der FSV bot Ihnen damals einen Profivertrag an. Wieso haben Sie sich für den "anderen" Weg entschieden? Eine Garantie, dass Sie den aktuellen Weg einschlagen, kann es ja nicht gegeben haben.
Durm: In Mainz hätte ich einen Vierjahresvertrag unterschreiben können. Ich wollte die Gewissheit haben, dauerhaft bei den Profis zu trainieren. Das wurde mir nicht in dem Maße zugesichert, wie ich mir das erhofft hatte. Wir haben uns dann weiter unterhalten, sind aber im Endeffekt nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen.
SPOX: Und in dieser Zeit hat der BVB angefragt?
Durm: Genau. Ich habe mir das vor Ort angeschaut und dann war relativ schnell klar, dass ich diesen Schritt zum amtierenden Deutschen Meister gehen möchte. Da war zwar im Unterschied zu Mainz mehr oder weniger klar, dass ich bei den Amateuren zum Einsatz kommen werde, aber die Strahlkraft des BVB hat letztlich den Ausschlag gegeben. Jetzt hat es ja Gott sei Dank so geklappt, wie wir uns das alle vorgestellt haben.
SPOX: Nun sind Sie fester Bestandteil der Profis. Wie gehen Sie mit der gesteigerten Wahrnehmung um?
Durm: Es geht derzeit schneller, als meine Familie und ich uns das erträumt haben. Das ist natürlich der Hammer und fühlt sich super an. Ich stehe jetzt auf dem Zettel der Fans, das zeigt, dass man bisher schon etwas geleistet hat.
SPOX: Gab es eigentlich schon einmal ein Sprintduell mit Pierre-Emerick Aubameyang? Sie wurden ja mal mit 3,87 Sekunden auf den ersten 30 Metern gemessen.
Durm: Ein direktes Duell gab's noch nicht. Er ist aber wirklich eine Rakete, da dürfte die Luft für mich dünn werden. Ob ich der Zweitschnellste im Team bin, weiß ich auch nicht. Marco Reus und Kuba sind ja auch sehr gut unterwegs.
SPOX: Zu welchem Spieler der ersten Mannschaft schauen Sie denn am ehesten auf?
Durm: Sebastian Kehl, der schon so lange dabei ist und konstant auf hohem Niveau arbeitet, imponiert mir schon. Er ist sehr hilfreich bei der Integration junger Spieler, an ihm kann man sich orientieren. Allerdings taugen wirklich viele Spieler unserer Mannschaft als Vorbild, das macht es dann auch einfacher.
Erik Durm im Steckbrief