"Können Fans träumen nicht verbieten"

David Kreisl
03. Dezember 201311:09
Patrick Herrmann (M). erzielte in der laufenden Saison zwei Tore in 13 Spielen für die Fohlenimago
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Spielt Borussia Mönchengladbach nächstes Jahr in der Champions League? Flügelspieler Patrick Herrmann rät zu Realismus, spricht über seine Zeit im Fohlenstall und die Wechselgerüchte um Marc-Andre ter Stegen.

SPOX: Ihr mannschaftsinterner Spitzname ist "Flaco". Wissen Sie, was er bedeutet?

Patrick Herrmann: Ich glaube, das soll so etwas wie "schmächtiger Junge" bedeuten. Juan Arango hat mir den vor zwei Jahren in der Kabine gegeben, seitdem werde ich ihn nicht mehr los.

SPOX: Die wörtliche Übersetzung wäre "Der Dürre". Ist der Spitzname für Sie okay?

Herrmann: Das ist für mich kein Problem. Ich hatte bis jetzt noch nie einen Spitznamen und so schlecht finde ich ihn auch nicht. Die Übersetzung könnte vielleicht etwas besser sein, aber das ist alles halb so wild.

SPOX: Gehen wir in Ihrer Karriere zurück, bevor es "Flaco" noch nicht gab. Es hat Sie 2008 in den "Fohlenstall" der Borussia gezogen. Was hat sie damals bewogen, sich für Mönchengladbach zu entscheiden? Schließlich hatten sie auch Angebote von größeren Klubs.

Herrmann: Gladbach war damals erst in die Bundesliga aufgestiegen. Für mich hat hier einfach alles gepasst. Die Perspektive, das Umfeld, das Stadion und vor allem das Internat. Ich habe mich sofort wohl gefühlt.

SPOX: Mit wem haben Sie sich im "Fohlenstall" am besten verstanden? In Gladbacher Kreisen spricht man noch heute von langen FIFA-Nächten.

Herrmann: Das stimmt! Wir saßen oft abends alle zusammen, haben Fernsehen geschaut und FIFA gespielt. Aber nicht nur mit einzelnen Kumpels, da waren alle aus dem Internat dabei. Das war eine super Zeit, die ich dort erleben durfte.

SPOX: Sie sind eines der Aushängeschilder der Gladbacher Jugendarbeit. Aktuell stehen mit Ihnen, Tony Jantschke, Marc-Andre ter Stegen und Julian Korb zumeist vier Eigengewächse auf dem Platz. Was läuft da bei der Borussia besonders? Worauf wird besonders Wert gelegt?

Herrmann: Wir haben in der Tat eine sehr gute Jugendarbeit. Die Jungs werden schon in den Jugendmannschaften darauf getrimmt, den Stil und das System zu spielen, wie wir in der Bundesligamannschaft. Aber natürlich ist es im Endeffekt der Verdienst des Spielers. Jeder muss hart an sich arbeiten und die Ratschläge der Trainer annehmen. Nur so schafft man es in den Profibereich. Ich denke, wir haben einige super Jungspunde hier, die den Weg schaffen können. Dass es möglich ist, haben in der jüngeren Vergangenheit ja einige bewiesen.

SPOX: Haben Sie noch Kontakt zum Nachwuchs? Gibt es ein paar Rohdiamanten in der Jugend, die sie im Auge haben?

Herrmann: Ja, es trainieren öfter Jugendspieler bei uns mit. Nico Brandenburger zum Beispiel oder auch Mahmoud Dahoud. Und auch aus der A-Jugend gibt es ein paar Kandidaten, die ein, zwei Mal die Woche bei uns mittrainieren. Natürlich ist es immer schwer vorauszusagen, wie sich einzelne Spieler entwickeln werden. Aber wir haben definitiv gute Jungs hier.

SPOX: Denken Sie, Sie hätten die gleiche Entwicklung durchlebt, wenn Sie damals zu einem anderen Verein gegangen wären?

Herrmann: Schwierig zu sagen, aber das habe ich mich auch schon gefragt. Aber es kann gut sein, dass es woanders nicht so optimal gelaufen wäre. Deshalb bin ich sehr froh, damals den Schritt nach Gladbach gemacht zu haben. Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

SPOX: Sie waren von der U-15- bis zur U-21-Nationalmannschaft in jedem Jahrgang dabei. Wie groß ist Ihre Hoffnung, noch auf den WM-Zug aufspringen zu können? Ihre jüngsten Leistungen in der Bundesliga geben auf jeden Fall Anlass dazu. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Herrmann: In letzter Zeit klappt es wieder besser. Ich versuche mich natürlich immer zu präsentieren. Dass das manchmal mehr oder weniger gut klappt, ist normal. Im Endeffekt entscheidet der Bundestrainer bis nächstes Jahr, wer mit nach Brasilien darf. Bis dahin sind auch noch verdammt viele Spiele zu absolvieren.

SPOX: An deren Ende Sie sich bestimmt nicht gegen eine Nominierung sträuben würden...

Herrmann: Nein, es wäre natürlich ein riesen Traum! Ich war ja schon einmal dabei, habe aber leider noch keinen Einsatz. Von daher ist es selbstverständlich ein großer Traum.

SPOX: Ihr selbsternanntes Idol Marco Reus hat den dauerhaften Sprung zur Nationalmannschaft ja bereits geschafft. Wie würden Sie ihre Beziehung zu ihm und seinen Einfluss auf Ihre Entwicklung beschreiben?

Herrmann: Ich glaube, wir brauchen nicht darüber sprechen, was er für ein Ausnahmetalent im deutschen Fußball ist. Es ist eine Ehre, dass ich mit ihm zusammenspielen durfte und dass es mit so einem überragenden Fußballer so gut geklappt hat.

Seite 2: Herrmann über Reus, Dante und seine Zukunft

SPOX: Sie haben ja nicht nur mit Marco Reus zusammengespielt, sondern auch mit Dante. Wie erleben Sie nach deren Wechsel die Duelle zwischen Borussia Dortmund und Bayern München? Wird da für einen der Ex-Kollegen der Daumen mehr gehalten?

Herrmann: Nein, das nicht. Es ist natürlich ein komisches Gefühl, wenn man noch vor zwei Jahren mit beiden zusammen trainiert, gespielt und super Erfolge gefeiert hat. Ich drücke aber keinem mehr die Daumen als dem anderen. Es freut mich einfach riesig für die beiden, dass sie den Sprung geschafft haben.

Die Opta-Spielerstatistik zu Patrick Herrmann

SPOX: Wie sieht es denn da bei Ihnen aus? Ihr Vertrag läuft ja noch bis 2016, macht man sich da schon Gedanken?

Herrmann: Nein, es sind ja noch zweieinhalb Jahre bis dahin. Daran denkt man noch gar nicht.

SPOX: Aber es gibt doch sicher große Vereine, für die man generell gerne auflaufen würde. Vielleicht sogar im Ausland?

Herrmann: Vorstellen kann man sich natürlich viel. Aber damit beschäftige ich mich nicht. Ich fühle mich in Gladbach sehr wohl. Ich denke wir haben hier in Deutschland eine der, vielleicht sogar die beste Liga der Welt. Deshalb gibt es für mich keinen Anlass, über etwas anderes nachzudenken.

SPOX: Trotzdem wird natürlich viel spekuliert. Wie sehr bekommt man denn Wechselgerüchte um seine eigene Person oder um Teamkameraden mit?

Herrmann: Es ist nicht so, dass man sich jeden Tag einen Haufen Zeitungen kauft und diese durchforstet, aber manchmal bekommt man natürlich etwas mit.

SPOX: Wie ist das bei Marc-Andre ter Stegen, der kurz vor einem Wechsel zu Barcelona stehen soll?

Herrmann: Natürlich würde ich mich freuen, wenn uns Marc noch etwas erhalten bleiben würde. Er ist einfach ein überragender Keeper. Aber es ist im Fußball-Geschäft einfach so, dass Transfers getätigt werden. So wie wir Spieler kaufen, gehen auf der anderen Seite welche. So war es vor zwei Jahren auch, als Reus, Dante und Roman Neustädter gegangen sind. Das darf man aber niemandem übel nehmen. Das wäre bei Marc auch nicht anders.

SPOX: Vielleicht muss ter Stegen gar nicht wechseln, um Champions League zu spielen. Sie liegen momentan mit der Borussia auf Platz vier und haben schon Dortmund geschlagen, die lediglich drei Punkte vor Ihnen sind. Dürfen die Fohlen-Fans diese Saison von der Königsklasse träumen? SPOX

Herrmann: Das internationale Geschäft wäre generell ein riesen Erfolg. Natürlich können wir den Fans nicht verbieten zu träumen. Trotzdem müssen wir aber realistisch bleiben. Klar, momentan läuft es super und wir haben fünf Spiele am Stück gewonnen. Aber es sind noch so viele Partien zu absolvieren und die Tabelle ist so nah beieinander. Da kann noch sehr viel passieren...

SPOX: Die vermeintlich schwierigsten Spiele haben Sie in dieser Saison schon hinter sich. Wie nahe sind Sie dran an der Spitze? Wie empfanden Sie die Partien gegen Dortmund und die Bayern?

Herrmann: In München haben wir gut verteidigt, die Bayern aber komplett auszuschalten, ist fast unmöglich. Sie kommen zwangsläufig zu ihren Chancen, die haben sie gegen uns eiskalt genutzt. Dortmund war gegen uns in der ersten Hälfte auch überragend, für uns war es quasi unmöglich, Torchancen heraus zu spielen. Im zweiten Abschnitt haben wir uns enorm gesteigert und gewonnen. Es ist schwer zu sagen, wer da die bessere Mannschaft war. Beide gehören zu den besten Teams der Welt. Da entscheiden Nuancen.

SPOX: Was unterscheidet denn die diesjährige Borussia, die in Schlagdistanz zu den Champions-League-Plätzen ist, von der aus dem durchwachsenen letzten Jahr?

Herrmann: Viele der jungen Spieler sind vergangene Saison gereift, auch durch die internationalen Erfahrungen in der Europa League. Durch die Transfers haben wir ganz klar an Klasse dazu gewonnen. Spieler wie Raffael, Max Kruse oder auch Christoph Kramer bringen seit Beginn fantastische Leistungen.

SPOX: Statistisch gesehen schlägt Gladbach die wenigsten Flanken aller Bundesligisten. Ihnen dürfte die kurzpasslastige Spielweise ja entgegenkommen?

Herrmann: Auf jeden Fall. Wir spielen mittlerweile mit mehr Ballbesitz und wollen das Spiel kontrollieren, anstatt die Bälle einfach nur lang nach vorne zu spielen. So viele großgewachsene Spieler haben wir vorne auch nicht.

SPOX: Ist der veränderte Spielstil der Grund, warum Luuk de Jong gar nicht mehr zum Zug kommt, weil der einfach von außen gefüttert werden muss? SPOX

Herrmann: Man muss sich auch auf seine Mitspieler einstellen. Wenn Luuk spielt, werden wir auch öfter flanken. Aber mit Kruse und Raffael haben wir in der Offensive momentan andere Spielertypen. Lucien Favre hat die Spielweise natürlich sehr stark verändert, hin zum Kurzpassspiel. Dieser Stil kommt uns als Mannschaft mehr entgegen.

SPOX: Sie haben aus den ersten fünf Auswärtsspielen gerade mal einen mickrigen Punkt geholt, die letzten beiden aber gewonnen. Wie kam es zur Abwendung des Auswärtstraumas?

Herrmann: Von einem Trauma haben wir nie gesprochen, schließlich haben wir beispielsweise in München und in Leverkusen gespielt und dort lange Zeit ganz ordentlich ausgesehen. Wir haben es nur leider ab und an versäumt, in Führung zu gehen. Zuletzt sind wir immer gut reingekommen, haben in Hamburg und Stuttgart selbst das 1:0 gemacht. Deshalb mussten wir nicht immer einem Rückstand hinterherlaufen.

Patrick Herrmann im Steckbrief