Die SPOX-Redakteure Fatih Demireli und Thomas Gaber trafen Thomas Müller im Rahmen eines Termins seines neuen Werbepartners Gillette. Müller im Interview über seine Rolle als Werbeträger, Ehrlichkeit im Job, "Souffleur" Guardiola und Bayerns (Un-)Besiegbarkeit.
SPOX: Thomas, mit Ihrem Engagment für Gillette reihen Sie sich in die Gruppe so bekannter Sportler wie Tiger Woods und Roger Federer ein. Mit wem haben Sie rein sportlich mehr gemeinsam?
Thomas Müller: Früher war ich Tennisspieler, aber ich habe mir vor zwei Jahren die Bizepssehne gerissen. Seitdem kann ich nicht mehr richtig aufschlagen. Mittlerweile spiele ich lieber Golf, aber dieses Spiel schlägt schon auch aufs Gemüt und bringt einen manchmal zur Verzweiflung. Aber das ist vielleicht gerade auch der Reiz. Es ist für mich natürlich eine Ehre, in einer Reihe mit Sportlern wie Roger Federer und Tiger Woods zu stehen.
SPOX: Pep Guardiola ist auch leidenschaftlicher Golf-Fan und war sogar 2012 beim Ryder Cup in Chicago. Haben Sie schon einmal 18 Löcher gemeinsam gespielt?
Müller: Wir haben unseren Trainer schon gefragt, ob er mal mitgehen möchte. Aber er ist da ganz professionell. Er meinte, er könne nicht mit Spielern über den Platz gehen, sonst gelte er als befangen.
SPOX: Es fällt auf, dass Sie oft in der Öffentlichkeit auftauchen, auch wenn Sie nicht Fußball spielen. Sie sind als Werbeträger oder als Gesicht einer Stiftung sehr gefragt. Warum gerade Sie?
Müller: Man muss deutlich unterscheiden zwischen Werbeverträgen und einer Stiftung. Mit einer Stiftung macht man keine Geschäfte, sondern gibt etwas von der Aufmerksamkeit, die man bekommt, an die Gesellschaft zurück. Was die Werbepartner betrifft, habe ich von meinem Aufstieg bei der WM 2010 profitiert. Man hat mich in Deutschland plötzlich gekannt. Es gab viele Anfragen, aber ich mache nicht alles. Es muss zu mir passen und Gillette passt sehr gut. Mein Bartwuchs ist ausgeprägt genug, dass ich glaubhaft vermitteln kann, mich täglich rasieren zu müssen. Meine Frau ist auf jeden Fall begeistert.
SPOX: Besteht bei einer bestimmten Anzahl von Werbeaktivitäten die Gefahr, dass man den Leuten irgendwann auf die Nerven geht?
Müller: Das kann sein und man muss schon aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Grundsätzlich müssen alle Werbeaktivitäten mit meinem Job vereinbar sein. Es ist in erster Linie für mich wichtig, dass es beim Fußball gut läuft. Wenn man zu viel macht, besteht die Gefahr, dass man sich auf die falschen Sachen konzentriert.
SPOX: Der Reiz für Firmen, Sie zu wählen, liegt auch an Ihrer Natürlichkeit. Müssen Sie sich nie verbiegen?
Müller: Ich versuche mich immer so zu geben, wie ich gerade drauf bin. Ich möchte schon authentisch bleiben, aber es gibt auch Momente, da bin ich stinksauer. Und dann muss ich aufpassen, was ich sage. Man kann nicht immer die ehrlichste Haut sein, weil man nicht alles sagen kann. Es ist nicht von Vorteil, seinen Emotionen immer freien Lauf zu lassen. Aber ich habe das System verstanden. Interviews gehören zum Geschäft und der Fan will das auch hören und Spaß dran haben. Das weiß ich noch aus eigener Erfahrung, als ich als Fan vor dem Fernseher saß. Da gab es legendäre Interviews, meistens weil ein Spieler stinksauer war. Ich sehe es auch als meine Aufgabe als Fußballer an, den Fans auch Spaß zu vermitteln.
SPOX: Ist es wirklich so einfach, Thomas Müller zu sein?
Müller: Ich als Thomas Müller tue mich nicht schwer, Thomas Müller zu sein. Ich habe natürlich den Vorteil, beim FC Bayern zu spielen. Da gab es in den letzten zwei Jahren nicht viele Gründe für kritische Fragen. Da haben es Spieler in anderen, krisengebeutelten Vereinen deutlich schwerer. Aber man muss zu sich selbst und zu den Situationen, in denen man steckt, stehen und ehrliche, oder zumindest sinnvolle Antworten geben. Es ist auch mal interessant, eine Frage zu bekommen, bei der man überlegen muss, was man jetzt antwortet.
SPOX: Dann probieren wir es mal. Im Champions-League-Spiel beim FC Arsenal saßen Sie zu Beginn auf der Bank und erzielten nach Ihrer Einwechslung das 2:0. Es gibt Spieler, die in solchen Situationen auch mal provokante Gesten Richtung Trainer machen, Sie haben stattdessen ausgiebig gejubelt. Können Sie ausschließen, in solchen Situationen auch mal zu provozieren?
Müller: Normalerweise schätze ich mich nicht so ein, dass ich eine Aktion in diese Richtung mache. Aber ich kann natürlich nichts ausschließen oder Garantien geben, wie mein zukünftiges Leben aussehen wird, egal in welcher Hinsicht. Bei dem Tor in London habe ich mich bei Philipp Lahm bedankt, weil er die Flanke geschlagen hat. Und nicht ein Trainer, Betreuer oder der Schiedsrichter.
Seite 2: Müller über "Souffleur" Guardiola und Bayerns (Un-)Besiegbarkeit
SPOX: Nagt es am Selbstvertrauen, wenn man im bis dato wichtigsten Spiel nach der Winterpause nicht in der ersten Elf steht?
Müller: Es nagt nicht am Selbstvertrauen, aber es wurmt schon. Spiele wie gegen Arsenal sind die Spiele, für die man die ganze Saison arbeitet. Vor allem in diesen Spielen habe ich Qualitäten, die verlangt werden. Denn gerade auf dem Niveau ist Einsatz zum Wohle der eigenen Mannschaft enorm wichtig. In London hat es mich jetzt erwischt, aber ich denke, dass ich eine gute Antwort gegeben habe. Ich hoffe natürlich, dass ich in solchen Spielen in Zukunft in der Anfangself stehe.
SPOX: In London hatte der FC Bayern zu Beginn Probleme, nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Es entsteht der Eindruck, dass sich die Mannschaft erstmal anschaut, was der Gegner so drauf hat.
Müller: Das ist nicht unser Plan. Und schon gar nicht unser Wunsch, uns den Gegner zurechtzulegen, indem wir ihn zu Torchancen kommen lassen. Aber es stimmt, dass wir öfters nicht gut angefangen haben. Wir brauchen dann ein bisschen, um den Gegner richtig greifen zu können, um zu wissen, was zu tun ist, damit der Gegner nicht ins Spiel kommt. Arsenal hat uns ein bisschen überrumpelt, weil sie anfangs im Kopf einen Tick spritziger waren als wir.
SPOX: Es fällt auf, dass Pep Guardiola in solchen Fällen teilweise schon fünf Sekunden nach Anpfiff erste Anweisungen an einzelne Spieler gibt.
Müller: Unser Trainer beobachtet sehr gut und reagiert schnell auf Veränderungen. Wenn sich zum Beispiel der Gegner anders verhält, als er vor dem Spiel gedacht oder geplant hat. Und entsprechend versucht er dann, auch verhältnismäßig früh Dinge zu korrigieren und die Mannschaft zu verändern. In fast jedem Spiel haben wir nach zehn Minuten irgendeine Umstellung, dass zwei Spieler die Position tauschen, weil der Trainer in dem Moment denkt, dass das besser passt. Er ist kein Trainer, der vor dem Spiel elf Namen hinschreibt und nach dem Spiel die Pressekonferenz gibt, sondern er versucht ständig aufs Spiel Einfluss zu nehmen, indem er taktisch etwas verändert. Das ist bewundernswert.
SPOX: Braucht man als Spieler so einen "Souffleur"?
Müller: Was heißt braucht man? Es ist für den Erfolg der Mannschaft wichtig, wenn man Hilfestellungen von außen bekommt für Situationen, die man als Spieler auf dem Platz nicht wahrnimmt. Dass sich der Trainer Spieler an die Seitenlinie holt, liegt daran, dass wir keine Headsets tragen und es für ihn schwierig ist, einen Spieler in der Mitte des Platzes zu erreichen.
SPOX: In Ihrem letzten Interview mit SPOX sagten Sie, dass das Kopfballspiel Ihre große Schwäche ist. Dann sind Sie sie ja nach den Toren in London und Hannover ein kompletter Spieler.
Müller: Niemand wird perfekt sein. Aber ich versuche natürlich immer an mir zu arbeiten, dass ich noch ein bisschen besser werde.
SPOX: Stichwort perfekt. Es hat den Anschein, dass man nicht viel besser Fußball spielen kann als der FC Bayern über einen so langen Zeitraum. Haben Sie überhaupt das Gefühl, mal wieder ein Spiel zu verlieren? Guardiola meinte kürzlich, der FC Bayern werde auch wieder Spiele verlieren.
Müller: Das werden wir mit Sicherheit. Je länger unsere Serie hält, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie reißt. Als Spieler ist einem auch bewusst, dass schon sehr viel passieren muss, damit wir mal wieder ein Spiel verlieren. Wir kassieren sehr wenige Gegentore und im Normalfall schießen wir auch eins.
SPOX: Welchen Rekord nach den vielen Rekorden wollen Sie denn mit dem FC Bayern noch erreichen?
Müller: Viele Rekorde, die wir in den letzten Jahren gebrochen haben, sind aus meiner Sicht vollkommen unwichtig. Aber eine Meisterschaft ohne Niederlage hört sich schon gut an. Ich kann mich noch an die Saison erinnern, als Arsenal in der Premier League Meister ohne Niederlage wurde. Das hätte schon was.
Thomas Müller im Steckbrief