SPOX: Nagt es am Selbstvertrauen, wenn man im bis dato wichtigsten Spiel nach der Winterpause nicht in der ersten Elf steht?
Müller: Es nagt nicht am Selbstvertrauen, aber es wurmt schon. Spiele wie gegen Arsenal sind die Spiele, für die man die ganze Saison arbeitet. Vor allem in diesen Spielen habe ich Qualitäten, die verlangt werden. Denn gerade auf dem Niveau ist Einsatz zum Wohle der eigenen Mannschaft enorm wichtig. In London hat es mich jetzt erwischt, aber ich denke, dass ich eine gute Antwort gegeben habe. Ich hoffe natürlich, dass ich in solchen Spielen in Zukunft in der Anfangself stehe.
SPOX: In London hatte der FC Bayern zu Beginn Probleme, nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Es entsteht der Eindruck, dass sich die Mannschaft erstmal anschaut, was der Gegner so drauf hat.
Müller: Das ist nicht unser Plan. Und schon gar nicht unser Wunsch, uns den Gegner zurechtzulegen, indem wir ihn zu Torchancen kommen lassen. Aber es stimmt, dass wir öfters nicht gut angefangen haben. Wir brauchen dann ein bisschen, um den Gegner richtig greifen zu können, um zu wissen, was zu tun ist, damit der Gegner nicht ins Spiel kommt. Arsenal hat uns ein bisschen überrumpelt, weil sie anfangs im Kopf einen Tick spritziger waren als wir.
SPOX: Es fällt auf, dass Pep Guardiola in solchen Fällen teilweise schon fünf Sekunden nach Anpfiff erste Anweisungen an einzelne Spieler gibt.
Müller: Unser Trainer beobachtet sehr gut und reagiert schnell auf Veränderungen. Wenn sich zum Beispiel der Gegner anders verhält, als er vor dem Spiel gedacht oder geplant hat. Und entsprechend versucht er dann, auch verhältnismäßig früh Dinge zu korrigieren und die Mannschaft zu verändern. In fast jedem Spiel haben wir nach zehn Minuten irgendeine Umstellung, dass zwei Spieler die Position tauschen, weil der Trainer in dem Moment denkt, dass das besser passt. Er ist kein Trainer, der vor dem Spiel elf Namen hinschreibt und nach dem Spiel die Pressekonferenz gibt, sondern er versucht ständig aufs Spiel Einfluss zu nehmen, indem er taktisch etwas verändert. Das ist bewundernswert.
SPOX: Braucht man als Spieler so einen "Souffleur"?
Müller: Was heißt braucht man? Es ist für den Erfolg der Mannschaft wichtig, wenn man Hilfestellungen von außen bekommt für Situationen, die man als Spieler auf dem Platz nicht wahrnimmt. Dass sich der Trainer Spieler an die Seitenlinie holt, liegt daran, dass wir keine Headsets tragen und es für ihn schwierig ist, einen Spieler in der Mitte des Platzes zu erreichen.
SPOX: In Ihrem letzten Interview mit SPOX sagten Sie, dass das Kopfballspiel Ihre große Schwäche ist. Dann sind Sie sie ja nach den Toren in London und Hannover ein kompletter Spieler.
Müller: Niemand wird perfekt sein. Aber ich versuche natürlich immer an mir zu arbeiten, dass ich noch ein bisschen besser werde.
SPOX: Stichwort perfekt. Es hat den Anschein, dass man nicht viel besser Fußball spielen kann als der FC Bayern über einen so langen Zeitraum. Haben Sie überhaupt das Gefühl, mal wieder ein Spiel zu verlieren? Guardiola meinte kürzlich, der FC Bayern werde auch wieder Spiele verlieren.
Müller: Das werden wir mit Sicherheit. Je länger unsere Serie hält, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie reißt. Als Spieler ist einem auch bewusst, dass schon sehr viel passieren muss, damit wir mal wieder ein Spiel verlieren. Wir kassieren sehr wenige Gegentore und im Normalfall schießen wir auch eins.
SPOX: Welchen Rekord nach den vielen Rekorden wollen Sie denn mit dem FC Bayern noch erreichen?
Müller: Viele Rekorde, die wir in den letzten Jahren gebrochen haben, sind aus meiner Sicht vollkommen unwichtig. Aber eine Meisterschaft ohne Niederlage hört sich schon gut an. Ich kann mich noch an die Saison erinnern, als Arsenal in der Premier League Meister ohne Niederlage wurde. Das hätte schon was.
Thomas Müller im Steckbrief