Das Urteil ist gesprochen. Und landauf landab hat die Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für Uli Hoeneß unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Vom FC Bayern gab es dagegen noch keine Stellungnahme. Dafür traten die Vereinsgremien (Präsidium, Aufsichtsrat, Verwaltungsbeirat) sofort zu außerordentlichen Sitzungen zusammen.
Es ist vor allem der Aufsichtsrat der im Steuerfall Hoeneß immer wieder im Fokus steht. Schließlich sitzen hier die Vorstandschefs einiger der wichtigsten deutschen Wirtschaftsunternehmen: Herbert Hainer (Adidas), Rupert Stadler (Audi), Martin Winterkorn (VW) und Timotheus Höttges (Telekom).
Privatsache von Hoeneß
Es geht um die Vereinbarkeit der Solidarität mit dem Bayern-Präsidenten Hoeneß auf der einen Seite und den strengen Compliance-Regeln in ihren Firmen auf der anderen Seite. Bis jetzt haben die Bosse der Groß-Unternehmen jeden Zusammenhang abgestritten und den Fall als Hoeneß' Privatsache bezeichnet, der auch nicht negativ auf die eigenen Konzerne abfärbe.
Die Aufsichtsräte haben beschlossen, dass die maßgeblichen Kriterien für Hoeneß' Zukunft als Aufsichtsratsvorsitzender seine Verdienste für den FC Bayern und sein Rückhalt bei den Fans und Mitgliedern seien. Das haben sie in einer Pressemitteilung im November festgeschrieben. An diesen Umständen hat sich nichts verändert.
"Kein Amtsverbot wegen einer strafrechtlichen Verurteilung"
Das Gesetz kenne "für Mitglieder des Aufsichtsrats kein Amtsverbot wegen einer strafrechtlichen Verurteilung. Vielmehr gebe es hinreichend Beispiele für Fälle, in denen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder selbst börsennotierter Gesellschaften ihr Mandat behalten haben, obwohl ihnen der Vorwurf gemacht wurde, in anderen Lebensbereichen strafrechtliche Pflichten verletzt zu haben", schrieb der Aufsichtsrat.
Man darf hier nicht vergessen, dass Hoeneß schon zu diesem Zeitpunkt als Steuerhinterzieher gebrandmarkt war. Die Steuerhinterziehung hat er mit der Abgabe der Selbstanzeige zugegeben. Natürlich klingt die neue Summe hinterzogener Steuern von 28,46 Millionen Euro bombastisch, aber hätten 3,5 Millionen Euro für den Aufsichtsrat nicht schon reichen müssen, um Hoeneß' Rücktrittsangebot anzunehmen?
Aufsichtsrat in der Zwickmühle
Nein, sie haben sich dafür entschieden, Hoeneß weiter zu stützen. Sollten die Aufsichtsräte jetzt zu dem Schluss kommen, Steuerhinterziehung ja, verurteilter Steuerhinterzieher nein, hätten auch sie ihr Gesicht verloren.
Der Aufsichtsrat hat sich durch seine Entscheidungen und Äußerungen in der Vergangenheit selbst in die Enge getrieben und steckt jetzt in einer Zwickmühle. Er hat Hoeneß' Angebot, den Vorsitz des Gremiums ruhen zu lassen, frühzeitig abgelehnt und ihm das Vertrauen ausgesprochen. Bei dieser Haltung muss er ohne Wenn und Aber bleiben.
Es gibt aus dieser Sichtweise eigentlich überhaupt keinen Grund, an der bestehenden Situation etwas zu ändern. Noch ist Hoeneß ein freier Mann. Aber können es sich Winterkorn und Co., und kann es sich der FC Bayern leisten, Hoeneß auch so lange zu stützen, bis vom BGH über die Revision entschieden wurde und Hoeneß vielleicht tatsächlich ins Gefängnis muss?
Natürlich nicht. Der einzige Weg ist aber ein Rücktritt von Hoeneß. Die Aufsichtsräte können Hoeneß nur empfehlen, sein Amt niederzulegen, sie sind abhängig von Hoeneß. Der Macher des FC Bayern muss sich von seinem Lebenswerk trennen, um Schaden davon abzuhalten.
Hoeneß entscheidet
Hoeneß ist als Präsident des FC Bayern München e.V. auch gleichzeitig Vorsitzender des Aufsichtsrates der FC Bayern München AG. Entlassen können Hoeneß nur die Mitglieder des Vereins.
Auf der Jahreshauptversammlung hatte er angekündigt, den Mitgliedern nach dem Prozess die Vertrauensfrage zu stellen. Es ist davon auszugehen, dass die breite Mehrheit erneut hinter ihm stünde. Vielleicht zum letzten Mal hängt beim FC Bayern alles von Uli Hoeneß ab.