Die neue HSV-Saison begann mit den altvertrauten Querelen: Der von Bayer Leverkusen umworbene Jungstar Hakan Calhanoglu schickte eine Krankschreibung an die Geschäftsstelle, Hauptinvestor Klaus-Michael Kühne will gleich die komplette alte Führungsriege in die Wüste schicken. Mirko Slomka hatte seine Schützlinge noch gar nicht zum ersten Training am Nachmittag versammelt, da regierte beim Hamburger SV schon wieder der Wahnsinn.
Nicht einmal vier Wochen nach der Herauslösung der Profifußball-Abteilung aus dem HSV-Gesamtverein, die der Ausgangspunkt eines geordneten Neuanfangs sein sollte, fliegen bei den Norddeutschen wie schon in der chaotischen Vorsaison erneut die Fetzen. In der Übergangsphase zwischen altem und neuen Vorstand werden die Messer gewetzt - zumindest verbal.
"Muss ein Toptrainer her"
Wenn es nach Kühne geht, soll dabei vor allem Slomka über die Klinge springen. "Es muss ein wirklicher Toptrainer her. Als Privatmann und HSV-Fan kann ich nur sagen, dass ich an diesem Trainer nicht glaube", erklärte der 77-Jährige in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt.
Am Ende des 75-minütigen Auftakttraining war der so Gescholtene bemüht, die Wogen zu glätten. "Jeder hat seine Meinung zum Fußball. Richtig ist, dass ich noch keinen Meistertitel gewonnen habe. Aber irgendwie motiviert mich das noch mehr", sagte Slomka.
Auch Manager Oliver Kreuzer steht bei dem in der Schweiz lebenden Milliardär auf der Abschussliste: "Ich kenne ihn gar nicht persönlich. Er hat aber bei seinem Amtsantritt jede Menge Baustellen vorgefunden, die er bewältigen musste. Und das hat er nicht geschafft."
Calhanoglu krankgeschrieben
Genau so stellt es sich für Kühne auch im Fall von Calhanoglu dar. Nach "Bild-Informationen" ließ sich der 20-Jährige von einer Heidelberger Psychologin für vier Wochen bis zum 15. Juli krankschreiben. Somit durfte der türkische Nationalspieler beim Trainingsauftakt fehlen, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Ob und wann der Ex-Karlsruher an den Rhein wechselt, bleibt vorerst ungeklärt.
In einem Sport-Bild-Interview hatte der Mittelfeldspieler schon prophylaktisch offenbart, dass er sich vor dem Trainingsstart fürchte. "Es wird schwierig für mich, wenn ich sehe, wie viel Wut und Hass da sind. Man weiß ja, wozu einige Menschen in der Lage sind", erklärte Calhanoglu. Er habe Angst, weil er nicht wisse, was auf ihn zukommt.
In seiner verfahrenen Situation setzt er auf den designierten neuen HSV-Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer, der sein Amt am 1. Juli antreten soll: "Wenn er im Amt ist, erzähle ich ihm alles, was mir versprochen wurde und vorgefallen ist. Herr Beiersdorfer soll das klären."
Van der Vaart hilft uns nicht
Für "Herrn Beiersdorfer" hat auch Kühne, Mehrheitseigner des Logistik-Dienstleisters Kühne und Nagel, einen ganz klaren Auftrag. Sein einstiger Lieblingsspieler Rafael van der Vaart, den er durch sein persönliches finanzielles Engagement vor knapp zwei Jahren zurück an die Elbe geholt hatte, soll die Hansestadt schnellstmöglich verlassen. "Ich glaube, das Hamburger Umfeld ist für ihn zu schwierig geworden. Er hilft uns nicht mehr weiter", sagte der Edel-Fan.
Der Niederländer, der wegen anhaltender Wadenprobleme nur eine Laufeinheit absolvieren konnte, bemühte sich sichtlich, die Kritik seines einstigen Gönners zu verstehen: "Natürlich ist Herr Kühne von unserer schwachen Saison enttäuscht. Aber jetzt stehen wir vor einem Neuanfang."
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