Der VfB Stuttgart steckt nach zwei sportlich schwierigen Jahren im Umbruch. Mit Armin Veh kam ein neuer Trainer, zudem steht der Klub vor einer Neuausrichtung. Stuttgarts Sport-Vorstand Fredi Bobic hat viel zu tun. SPOX traf den Laureus-Botschafter im Rahmen des Straßenfußballprojekt KICKFORMORE in Schwäbisch Gmünd.
SPOX: Fredi Bobic, Sie haben hier in Schwäbisch Gmünd beim KICKFORMORE-Event mitgespielt. War das nach dem dreiwöchigen USA-Urlaub der erste Schritt zurück zum Fußball oder war auch während des Urlaubs der Job allgegenwärtig?
Fredi Bobic: Wenn Du in diesem intensiven Geschäft tätig bist, tut Urlaub zwar gut. Der Fußball begleitet dich aber trotzdem immer, so richtig loslassen kann man nicht. Im Urlaub ist die Telefonrechnung höher, als wenn man im Büro arbeitet, aber er ist auch schön zu wissen, dass dir keiner schnell mal ins Büro springt.
SPOX: Wie oft gibt's den bösen Blick der Frau, wenn im Urlaub das Telefon klingelt?
Bobic: Nie! Meine Frau und meine Mädels sind es gewohnt, dass ich mich um diese Dinge kümmern muss. Und es ist ja dann auch immer noch genügend Zeit für die Familie.
SPOX: Es ist bekannt, dass der VfB Stuttgart Spieler sucht. Auch die vakanten Positionen sind bekannt, Sie suchen noch einen Linksaußen und eventuell noch einen Linksverteidiger. Die Spielerberater freut es und sie überhäufen Sie mit Angeboten. Erschwert das die Selektion?
Bobic: Die WM hat für eine Verschiebung gesorgt. Davor war alles recht ruhig, das hat man richtig gespürt. Jetzt sind Spieler auf dem Markt, die im Juni noch niemand auf dem Schirm hatte. Die Klubs beginnen sich zu positionieren, gestalten ihre Kader, legen einem Spieler auch mal nahe, den Verein zu wechseln. Der Transfermarkt geht erst jetzt richtig los. Es wird viel verhandelt - und das bis zum letzten Tag im August.
SPOX: Der VfB sorgte in der Vorsaison für Aufsehen, als man fast alle Transfers schon vor dem Trainingsstart durchgebracht und die Planungen früh abgeschlossen hatte. Dieses Jahr ist der VfB mitten in der Vorbereitung, sucht aber noch weiter nach Verstärkungen. Ist das nur der WM geschuldet?
Bobic: Man muss wissen, dass damals die meisten Neuzugänge ablösefrei waren oder eine Ausstiegsklausel hatten. Für diese Saison haben wir diese Transfers mit Daniel Ginczek, der eine Klausel hatte, und Florian Klein, der ablösefrei war, auch gemacht. Es ist deutlich einfacher, diese Spieler zu verpflichten. Mit dem Verein muss man dann nicht verhandeln. Nur der Spieler muss sich entscheiden.
SPOX: Mit Stuttgart, Hamburg, Frankfurt, Hannover und mit Abstrichen auch Hoffenheim stecken mehrere Klubs im Umbruch. Klubs, die sich mehr oder weniger auf einem Niveau bewegen. Spüren Sie das im Kampf um neue Spieler?
Bobic: Absolut. Wir schauen ja alle auf den gleichen Markt. Wir kämpfen um diese paar Spieler, die eine gewisse Qualität mitbringen, aber dennoch finanziell darstellbar sind. Keiner will Kompromisse machen, jeder will sich verbessern. Das macht die Sache nicht einfacher.
SPOX: Mit welchen Argumenten kann der VfB in diesem Rennen für sich werben?
Bobic: Wir sind immer noch ein attraktiver Klub. Die Spieler beschäftigen sich intensiv mit uns, bevor sie vielleicht woanders gleich zusagen, weil es finanziell möglicherweise dort lukrativer ist. Klar ist auch, dass wir in den Gesprächen, die Armin Veh und ich mit den Spielern führen, die Begeisterung für unseren Weg entfachen wollen.
SPOX: Was ist Ihr Weg? Armin Veh gibt das Motto "Demut" aus. Ist das der neue VfB?
Bobic: Demut bedeutet, dass wir nach einer Katastrophensaison mit Abstiegskampf nicht sagen können: "Hey, jetzt greifen wir wieder obere Tabelleregionen an." Demut tut immer gut. Wir schauen, wie wir in die Saison kommen und dann sehen wir weiter. Unser Ziel ist es, wieder besseren Fußball zu spielen und unsere Fans wieder zu begeistern.
SPOX: Spüren Sie auf dem Markt die sportliche Talfahrt der letzten beiden Jahre, in denen der VfB zwei Mal gegen den Abstieg spielen musste?
Bobic: Aber wir haben in dieser Phase auch das Pokalfinale erreicht und waren unter den letzten 16 in Europa. Diese Probleme hätten andere Klubs gerne gehabt.
SPOX: Dennoch folgte ein erneuter Abstiegskampf.
Bobic: Dass wir von der letzten Saison sehr enttäuscht sind, ist völlig klar. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass das nun ein Problem bei der Spielersuche darstellt. Der VfB ist immer noch eine gute Adresse.
SPOX: Kann die geplante Ausgliederung der Fußballabteilung Ihnen neue - bessere - Argumente liefern?
Bobic: Die Ausgliederung ist unabdingbar, um konkurrenzfähig zu sein. Andernfalls entrückt die Spitze noch weiter. Der Verein hätte dann die Möglichkeit, wieder organisch zu wachsen: weg von veralteten Strukturen, hin zum modernen Fußball. Ein eingetragener Verein passt einfach nicht mehr in die heutige Zeit.
Seite 2: Bobic: "Rummenigges Vorstoß hat mich gewundert"
SPOX: Die Ausgliederung ist ein mittelfristiger Plan, kurzfristig müssen sie aber noch handeln. Gehen wir die Personalien durch. Konkret gefragt: Kommt Filip Kostic?
Bobic: Wir haben Gespräche geführt - und sie gehen auch noch weiter. Wann die Entscheidung fällt, ist offen.
SPOX: Im Sturm deutet sich ein Problem an. Mit Timo Werner und Vedad Ibisevic haben sie derzeit nur zwei fitte Angreifer. Sehen Sie da Handlungsbedarf oder warten Sie auf Ginczek?
Bobic: Wir werden im Sturm nichts tun. Mit Ibisevic, Werner, Martin Harnik, der auch im Zentrum spielen kann, und Ginczek sind wir gut aufgestellt. Ihm werden wir aber die Zeit geben, nach seinem Kreuzbandriss wieder richtig zu werden.
SPOX: Luis Montes und Hector Moreno sollten die Mannschaft verstärken. Beide fallen mit Schienbeinbrüchen lange aus und konnten damit auch nicht verpflichtet werden. Haben Sie dennoch überlegt, das Risiko - wie zum Beispiel bei Daniel Ginczek - einzugehen?
Bobic: Bei Ginczek war es etwas anderes. Bei ihm war es absehbar, wann er zurückkommt. Außerdem waren viele Vereine an ihm interessiert und wir sind froh, dass wir das Rennen um ihn gewonnen haben. Er hat sehr viel Potenzial.
SPOX: Bleiben die Spieler dennoch auf dem Zettel?
Bobic: Wir haben interessante Spieler immer im Auge, auch wenn sie verletzt sind. Manchmal wird dann der eine oder andere Spieler ein Thema, der vor ein oder zwei Jahren noch nicht so weit war und dann wieder interessant wird.
SPOX: Carlos Gruezo war so ein Fall.
Bobic: Richtig.
SPOX: Gruezo fiel bei der WM auf - wie viele andere. Sie kennen die meisten Spieler, schon bevor sie bei einer WM auftrumpfen. Fällt dann doch mal einer auf, der nicht so auf dem Radar war?
Bobic: Das kann passieren. Vor allem bei Mannschaften wie Costa Rica, Ecuador oder Honduras. Da ist man schon überrascht, wie sie sich der eine oder andere auf diesem Niveau präsentiert. Aber man muss auch aufpassen.
Bobic: Es ist immer noch ein Turnier. Es gibt auch Spieler, die keine gute Saison gespielt haben und dann bei einer WM groß aufspielen. Das macht die Sache nicht einfacher. Es gibt aber genügend Spieler, die diese Bühne genutzt haben, um in den Fokus zu rücken...
SPOX: ...und dann für 80 Millionen Euro zu Real Madrid zu wechseln.
Bobic: James Rodriguez war bekannt, spielte aber nur beim falschen Verein (schmunzelt).
SPOX: Die WM hat nicht nur den Transfermarkt beeinflusst, sondern auch die Vorbereitung als Ganzes und damit auch den Start in die Ligen. Der FC Bayern kritisierte den frühen Auftakt der Bundesliga und hätte nach der langen WM gerne zu einem späteren Termin angefangen. Wie stehen Sie zur Thematik?
Bobic: Ich war bei den Gesprächen dabei. Ich muss sagen, dass die Entscheidung von allen Seiten einstimmig gefällt wurde. Karl-Heinz Rummenigges Vorstoß hat mich sehr gewundert. Ich hätte kein Problem damit gehabt, eine Woche später zu starten, aber der Zeitplan hat es nicht hergegeben. Wir haben die Winterpause eigens eine Woche verlängert, damit die Nationalspieler besser regenerieren können. Jeder war in dem Thema involviert.
SPOX: Der FC Bayern beklagt, dass man durch die Terminierung Chancengleichheit herstellen will.
Bobic: Es ist oft so, dass Vereine, die viele Spieler für ein Turnier abstellen, Probleme zum Start haben. Das war vor vier Jahren auch so, als zum Beispiel Mainz so durchgeschossen ist. Der FC Bayern ist hintendran gewesen. Das kann aber immer passieren.
SPOX: Ist das jetzt also doch eine Chance für die Liga, wie Rummenigge sagt, die scheinbar übermächtigen Bayern zu stoppen?
Bobic: Naja, schauen Sie sich den Kader des FC Bayern aktuell an. Ist das viel schlechter...
SPOX: Herr Bobic, für Diskussionen sorgte auch der Plan des Bremer Senats, der Deutschen Fußball-Liga die Kosten für sogenannte Risikospiele aufzudrücken. Der DFB hat in Absprache mit der DFL darauf reagiert und Bremen das Länderspiel gegen Gibraltar weggenommen. Wie bewerten Sie das?
Bobic: Ich sehe das wie die DFL. Der DFB und die DFL haben gut und konsequent reagiert. Wir, die Vereine, die Organe, die Spieler, stehen nicht dafür, Gewalt in und um Stadien zu bringen. Wir arbeiten da sogar stark dagegen. Wo fängt man an und wo hört man auf, wenn man da die Vereine oder die Liga in Verantwortung ziehen will? Bei Konzerten macht man das doch auch nicht.
SPOX: Haben Sie die Befürchtung, dass die Bremer Vorgehensweise in anderen Bundesländern Schule machen könnte?
Bobic: Das glaube ich nicht. Die Tragweite wäre groß, aber dafür gibt es ja regelmäßige Treffen mit den Senatoren oder Innenministern der Länder. Diese Treffen gab es auch auf Bundesebene mit den Vertretern des Fußballs. Da hat man sich vernünftig auseinandergesetzt und daher ist das aktuelle Unverständnis natürlich groß.