Mein Freund der Konkurrent

Jochen Tittmar
25. Juli 201415:00
Strammstehen zum Foto: Die Schalker Uchida, Aogo, Obasi, Choupo-Moting, Sam (v.l.) und Co.imago
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Das Trainingslager des FC Schalke 04 in Grassau am Chiemsee ist in vollem Gange, der Kampf um die Plätze in der Startformation ebenso. Auch wenn es erneut einige angeschlagene und verletzte Spieler zu beklagen gibt, stehen Trainer Jens Keller nun deutlich mehr Alternativen zur Verfügung. Bleiben alle gesund, wird es auf Schalke künftig mehrere Positionskämpfe geben. Eine Übersicht über die Brennpunkte im Kader von S04.

SPOX

"Pass, ja, Pass, ja, Pass, ja." Peter Hermann braucht nicht viele unterschiedliche Worte, um die Übungen der Spieler im Trainingslager am Chiemsee vom Seitenrand aus zu begleiten. Der Schalker Co-Trainer ist es, der mit seinen Anweisungen und Anfeuerungsrufen mächtig Betrieb macht, wenn die Profis der Knappen ihre Ballzirkulationsübungen abreißen.

Betrachtet man die ersten Tage auf der Anlage des ASV Grassau allerdings genauer, bräuchte Hermann die Einheiten gar nicht so intensiv beäugen. Bei Königsblau ist auch so ordentlich Feuer unter dem Dach. Auch wenn der Kader durch die abwesenden WM-Spieler und erneut einige Verletzte noch längst nicht komplett ist, herrscht bei S04 schon jetzt auf zahlreichen Positionen ein enormer Konkurrenzkampf.

Trainer Jens Keller schonte seine Jungs bislang nicht und ließ immer mindestens 90 Minuten ausgiebig trainieren. Das Programm beinhaltete die komplette Palette: Kräftigungs- und Schnelligkeitsübungen, variantenreiche Spielformen, Umschaltspiel, Standardsituationen.

Die Spieler gingen dabei ein hohes Tempo und machten sich gegenseitig heiß. Dass der Kampf um die Plätze in vollem Gange ist, bewiesen auch ein, zwei kleinere verbale Scharmützel zwischen den Spielern, die jedoch wenig später schon wieder vergessen waren.

Die aktuellen Brennpunkte im Schalke-Kader im Überblick

Das Duell um die Nummer eins: Neuzugang Fabian Giefer formulierte kurz nach seiner Ankunft in Gelsenkirchen gleich mal den Anspruch, die Nummer eins werden zu wollen. Das beweist, dass der Druck aus der zweiten Reihe für den etatmäßigen Keeper Ralf Fährmann größer als in weiten Teilen der vergangenen Saison werden wird. Fährmann wiederum, das bestätigten alle sportlich Verantwortlichen unisono, geht mit einem Vorsprung in das Duell.

Dem 25-Jährige gelang vergangenes Jahr der Durchbruch, er bewies mit mehreren exzellenten Leistungen seine Klasse. Es ist daher davon auszugehen, dass Schalke ohne Torhüterwechsel auskommen wird, wenn die Pflichtspielphase beginnt. "Ich bin froh, dass ich auf Schalke die klare Nummer eins bin", sagte Fährmann am Dienstag und strahlte dabei großes Vertrauen in die eigene Stärke aus.

"Ich habe mir einen guten Vorsprung erarbeitet in der letzten Saison, aber ich weiß auch, dass Fußball ein Tagesgeschäft ist und ich mich weiter jeden Tag beweisen muss."

Neuer dritter Torhüter ist übrigens Timon Wellenreuther, der Sohn des Karlsruher-SC-Präsidenten Ingo. Der 18-jährige U-19-Keeper erhielt im Juni seinen ersten Profivertrag, der bis Ende Juni 2017 datiert ist.

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Das Duell um die Zehn: Max Meyer, Kevin Prince Boateng, Julian Draxler - die Qualität, aus der Keller für die Offensivzentrale auswählen kann, ist enorm. Anführer Boateng formulierte am Donnerstag im Mediengespräch erneut seinen Anspruch, ab sofort ausschließlich auf der Zehner-Position auflaufen zu wollen: "Der Trainer weiß, dass ich am liebsten auf der 10 spielen möchte. Dafür wurde ich auch geholt", so Boateng.

Pflichtbewusst fügte er jedoch an: "Wenn der Trainer entscheiden sollte, dass ich auf der Sechs aushelfen muss, kann ich natürlich nicht nein sagen." Im Test gegen Rosenheim ließ Keller erst Meyer und dann Boateng je 45 Minuten ran. Die Nase vorn dürfte derzeit aber Meyer haben, der auf dieser Position auch den Großteil der überzeugenden Schalker Rückrunde absolvierte. Für ihn spricht seine Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit und Handlungsschnelligkeit sowie das gute Auge für die Mitspieler.

Keller dürfte den Schlüsselspieler Boateng weiter defensiver sehen. Als Sechser war er in seinen besten Spielen deshalb so wertvoll, weil er das Umschaltspiel schnell machen und zudem auch mal ein körperliches Zeichen setzen konnte. Und Draxler? Der scheint zu wissen, worauf es für ihn hinauslaufen wird: "Selbst wenn ich wohl der Einzige im Klub bin - ich sehe mich auf der 10 am stärksten."

Bis der Weltmeister aus dem Sommerurlaub kommt, wird Keller eine erste Entscheidung für die 10 bereits getroffen haben. Für Draxler wird's wohl eine der Außenpositionen werden.

Das Duell um die Innenverteidigung: In Benedikt Höwedes, Kyriakos Papadopoulos, Felipe Santana, Kaan Ayhan, Jan Kirchhoff und Joel Matip stehen dem Coach sechs Spieler für zwei Positionen zur Verfügung. WM-Urlauber Höwedes ist noch kein Teil der aktuellen Überlegungen, Kirchhoff verletzte sich gleich zu Beginn des Trainingslagers am Innenband - und könnte sowieso auch im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kommen.

Positiv verläuft die Entwicklung bei Papadopoulos, der nach drei Operationen am Knie und einer Schulterverletzung rund 20 Monate pausieren musste und in der vergangenen Spielzeit nur 83 Minuten in der Bundesliga auflief. Was in diesen Tagen auffällt: Der Grieche hat in dieser Zeit nichts von seinen Hauptattributen Kampfkraft und Ehrgeiz eingebüßt und konnte im Training bislang voll mitziehen. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Die mangelnde Spielpraxis ist ihm allerdings noch anzumerken, man will bei seinem Aufbau nichts überstürzen. Bleiben also fürs Erste Santana und Dauerbrenner Matip (31 Mal in der Startelf im Vorjahr) übrig, der junge Ayhan macht aber weiterhin Druck. Der 19-Jährige beendete die vergangene Saison als Stammspieler und ließ auch in der Vorbereitung Geradlinigkeit und Abgeklärtheit in seinem Spiel aufblitzen. Ayhan ist jedoch ebenso eine Alternative für die Rechtsverteidigerposition, wo Atsuto Uchida aufgrund von Problemen mit der Patellasehne noch längere Zeit fehlen wird.

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Größere Auswahl dank der Rückkehrer: Kein anderer Bundesligist hatte im letzten Jahr so viele verletzungsbedingte Ausfälle zu verkraften wie S04. Neben zahlreichen kleinen Blessuren, die mehrwöchige Pausen nach sich zogen, gab es auch einige Fälle, in denen das Schicksal richtig zugelangt hat. Marco Höger (Kreuzbandriss), Dennis Aogo (Kreuzbandriss), Christian Clemens (Schambeinentzündung und Leistenbruch-OP) sowie die angesprochenen Papadopoulos und Kirchhoff (Syndesmosebandriss) stehen nun aber wieder zur Verfügung, wenn auch Clemens (Muskelfaserriss) und Kirchhoff (Innenbanddehnung) derzeit schon wieder kürzer treten müssen.

Für Keller erhöhen sich dennoch die Auswahl- und Rotationsmöglichkeiten eklatant. Der Coach bot Höger zuletzt auf seiner angestammten Position auf der Sechs auf - wie bisweilen auch den gelernten Linksverteidiger Aogo. Beide machen einen ordentlichen Eindruck und stehen nach ihren schweren Verletzungen wieder voll im Saft. Clemens' Verletzung bedauerte Keller im Anschluss an das Testspiel am Mittwoch, ihn ließ der Trainer nach dem Uchida-Aus mehrfach hinten rechts verteidigen. Bleiben alle gesund und nähern sich weiter kontinuierlich einer höheren Belastungsgrenze an, wird Keller künftig in der Lage sein, ihnen auch ausreichend Spielminuten zukommen zu lassen.

Das Warten auf den Rest: Die beiden Weltmeister Draxler und Höwedes werden am 8. August auf Schalke zurückerwartet und absolvieren dann zunächst die üblichen Belastungstests. Der Kick bei Tottenham Hotspur einen Tag später wird für sie und auch Klaas-Jan Huntelaar noch zu früh kommen. Keller bleiben bis zum Bundesligaauftakt dann noch zwei Wochen Zeit, um die WM-Fahrer fit zu machen und zu integrieren.

Beim angeschlagenen Rest wird's länger dauern: Der frischgebackene Abiturient Leon Goretzka zog sich im Freundschaftsspiel gegen den Sechstligisten DJK TuS Hordel einen Muskelbündelriss zu, weilt aber wie auch Uchida trotzdem in Grassau, um dort am Comeback zu arbeiten. Das wird sich für Goretzka, der sich an derselben Stelle verletzte, wo er sich vor fünf Wochen während seiner Sport-Abiturprüfung einen Muskelfaserriss zuzog, aber noch bis zu acht Wochen hinziehen.

Am längsten fällt die Wartezeit bei Jefferson Farfan aus, der nach dem Versuch einer konservativen Behandlung seines Knorpelschadens letztlich nicht um eine Operation herumkam und sich derzeit zur Reha in seinem Heimatland Peru aufhält. Das Aus für die komplette Hinrunde ist wahrscheinlich. Unter dem Strich heißt das: Neben einigen positiven Erscheinungen im Kader werden Keller und sein Trainerteam weiter improvisieren müssen.

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