Im Minutentakt öffnete sich gut eine halbe Stunde nach dem letzten Heimspiel der Saison die Kabinentür der Bayern. Sobald ein Spieler im roten Trainingsanzug erschien, herrschte Hektik bei den wartenden Journalisten. Robert Lewandowski kam als Erster aus der Kabine und wurde umzingelt von vier Mikrofonen und unzähligen Aufnahmegeräten. Jeder wollte wissen, wie es um seine Verletzung steht. Egal ob Manuel Neuer oder Thomas Müller, stets wurden die Spieler mit einer Frage ans Mikro geangelt.
Einzig Juan Bernat wurde in Ruhe gelassen. Der Spanier trabte gemütlich an den wartenden Journalisten vorbei und tippte auf seinem Handy herum. Er ist es nicht gewohnt, angesprochen zu werden. Bernat spricht weder Englisch noch ausreichend Deutsch für Interviews und nicht jeder Reporter kann Spanisch. Also gibt es keine Fragen, keinen Smalltalk.
Er wirkte wie ein Nachwuchsspieler, der sich im Schatten der Großen davon schlich. Die Zahlen der Hinrunde sprechen jedoch längst eine andere Sprache. Der Neuzugang aus Valencia gilt als der Gewinner der Hinrunde. Als einziger Bayern-Feldspieler kam er in bislang allen 25 Pflichtspielen zum Einsatz.
"Weltklasse-Entwicklung"
Spricht man ihn dennoch an, wirkt er zunächst überrascht, aber offen und freundlich. "Mir gefällt es hier beim FC Bayern sehr gut und ich bin sehr zufrieden, wie es bislang gelaufen ist. Ich habe mich schnell ins Team integriert. Man muss aber auch sagen, dass es mir extrem leicht gemacht wurde von meinen Mitspielern. Jetzt hoffe ich, dass es genau so weitergeht", sagte Bernat gegenüber SPOX.
Spätestens jetzt ist klar, was Matthias Sammer mit den Worten bei der ersten Pressekonferenz des Spaniers meinte: "Er spielt so Fußball, wie er redet: kurz, knapp, schnell, prägnant." Kein Wunder, dass im Umfeld immer wieder der Vergleich mit Bixente Lizarazu herangezogen wird.
Sammer stand nur knapp fünf Meter entfernt vom Spanier und erklärte seine Sicht der Dinge. Und er kam auch auf Bernat zu sprechen. "Er hat in seinem ersten halben Jahr Weltklasse gespielt und er hat eine Weltklasse-Entwicklung genommen. Er ist unglaublich mit seiner Dynamik, mit seiner Technik", so der Sportvorstand.
Wie für Bernat gemacht
Noch im Sommer hatten sich einige verwundert die Augen gerieben. Für zehn Millionen Euro verpflichteten die Bayern völlig überraschend den damals 20-jährigen Linksverteidiger vom FC Valencia. Für eine Position, die auf den ersten Blick mit David Alaba bereits mehr als gut besetzt war. Aber Sammer betonte stets, dass man mit dem Spanier "nicht nur als Backup für links" plane, sondern man sich erhoffe, dass aus "ihm ein gestandener Spieler wird".
Trainer Pep Guardiola schmiedete bereits Pläne. Mit David Alaba plante er nach dem Abgang von Toni Kroos und den Ausfällen von Thiago und Bastian Schweinsteiger sowieso im Mittelfeld. Zudem wollte er öfter auf eine Dreierkette zurückgreifen und erschuf somit davor zwei äußerst offensiv ausgerichtete Außenverteidiger. Eine Position, wie gemacht für Juan Bernat.
Umschulung zum Verteidiger
"Ich bin ein Außenbahnspieler mit großem Offensivdrang, schnell, ballsicher und zweikampfstark. Das sind meine Hauptmerkmale", sagt der Spanier über sich selbst. Noch in den Nachwuchsteams des FC Valencia, die er seit dem sechsten Lebensjahr durchlief, wurde er als Außenstürmer ausgebildet.
Auch seine ersten beiden Spielzeiten in der Profi-Mannschaft des Teams bestritt er auf dem offensiven Flügel - hinter ihm agierte zunächst kein Geringerer als der heutige Barca-Verteidiger Jordi Alba. Erst aufgrund einer verletzungsbedingten Umstellung in der U 20 der spanischen Nationalmannschaft wurde Bernat auch im Verein zum Linksverteidiger. Eine große Umstellung, das Tore schießen fehlte ihm.
Heimisch in München
Anders als in der eher defensiv orientierten Spielweise von Valencia hat Bernat als Flügelspieler bei Bayern enorme Freiheiten nach vorne. Auch seine leichten Defizite im Defensivverhalten, die er selbst eingesteht, werden durch den dominanten Ballbesitz-Fußball der Bayern kaschiert und fallen nicht weiter auf.
"Peps Stil passt mir sehr gut. Mit der Dreierkette kann ich viel nach vorne gehen, wie ich es mag", erklärt Bernat. Dass er sich allerdings von Beginn an derart nahtlos ins Bayern-Gefüge integrierte, war nicht zu erwarten. Einerseits kam ihm zwar zugute, dass zahlreiche WM-Fahrer erst spät ins Training einstiegen, andererseits verhalf ihm das Vakuum im Defensiven Mittelfeld direkt zu einem Stammplatz.
Er ist heimisch geworden in München, fühlt sich wohl in der Stadt. "Allerdings hat es hier deutlich weniger Sonne als in Valencia und es ist fürchterlich kalt. Aber da muss ich jetzt halt durch", erklärte Bernat lächelnd.
"Das hat mich schon überrascht"
"Vieles ist so gekommen, wie ich es zuvor erwartet habe. In unserem Team sind zahlreiche Weltmeister und einige haben in den letzten Jahren fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Dennoch hab ich mich nahtlos eingefunden. Das hat mich dann doch überrascht", sagte Bernat zu SPOX.
Auch Guardiola zeigte sich ob der Leistung von Bernat nach dem ersten halben Jahr leicht verwundert. "Juan Bernat hat das bislang überragend gemacht. Er rennt und spielt 1000 Mal nach vorne und hinten", so Guardiola. "Ich wusste nicht, dass er so gut ist. Er spielt immer giftig und ist sehr schnell. Er ist super für diesen Verein."
Bei Guardiola ist natürlich auch immer ein Portion Understatement dabei. Schließlich wollte er den Linksverteidiger unbedingt in seinem Team haben. Direkt im ersten Telefonat soll der Coach Bernat überzeugt haben. Guardiola erklärte ihm seine Spielidee und versicherte ihm, dass er seine erste Wahl auf dieser Position sei.
Wegen Guardiola nach München
Auch lockere Anfragen von Barcelona und Real Madrid sollen im Sommer bei Berant eingetroffen sein. Doch die seien nie ein Thema gewesen. "Barca und Real Madrid haben nicht Pep Guardiola. Dieser Trainer war einfach sehr verlockend, er ist für uns Spieler wie ein Magnet", so Bernat.
Der Wechsel zu den Bayern und die schnelle Integration ins Team verhalf dem 21-Jährigen auch zur Nominierung für die spanische Nationalmannschaft. Nach der Verjüngungskur der Furia Roja soll Bernat fester Bestandteil des Teams werden. Zum EM-Quali-Spiel gegen Luxemburg erhielt der 21-Jährige am 12. Oktober erstmals eine Einladung von Nationaltrainer Vicente del Bosque. Direkt beim Debüt gelang Bernat das, was ihm beim FC Bayern in den 25 Pflichtspielen bislang noch verwehrt blieb: ein Tor.
Gegen Freiburg schrammte Bernat dreimal knapp an seinem Premierentreffer vorbei. Vielleicht der einzige kleine Makel einer bislang fast reibungslos abgelaufenen Saison. Denn es wurmt ihn, dass er bislang noch nicht getroffen hat. Gleichzeitig verspricht er jedoch, dass sein erstes Tor "bald, sogar sehr bald" kommen wird. Vielleicht schon gegen Mainz.
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