"Ich lasse mich nicht kaputtmachen"

David Kreisl
24. Februar 201513:36
Andreas Ibertsberger ist bei 1899 mittlerweile als U-23-Coach tätiggetty
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Aus der Hoffenheimer Startelf aufs Duisburger Abstellgleis. Andreas Ibertsberger war zweimal arbeitslos und beendete seine Karriere mit 30. Jetzt ist er als Co-Trainer der zweiten Mannschaft von 1899 Hoffenheim in den Kraichgau zurückgekehrt. Der Österreicher in einem offenen Gespräch über das Leben nach dem Fußball, ungeahnte Lebenswege und System Of A Down.

SPOX: Herr Ibertsberger, wenn Sie ein paar Jahre zurück denken an Ihre Zeit bei Hoffenheim, wie sah es denn da vor den Spielen mit Musik in der Kabine aus?

Andreas Ibertsberger: (lacht) Musik wurde grundsätzlich immer gespielt, was genau kann ich Ihnen aber nicht mehr sagen. Aber meistens etwas Treibendes mit einem Beat, was in den Charts gerade aktuell war.

SPOX: Konnten Sie sich persönlich da überhaupt richtig motivieren? Schließlich sind Sie selbst musikalisch eher in härteren Gefilden unterwegs.

Ibertsberger: Ich bin ein großer Fan von Rock und höre gerne härtere Sachen, das stimmt.

SPOX: Und zwar?

Ibertsberger: Bands wie System Of A Down oder Boysetsfire, zum Beispiel. Zur Zeit auch viel Singer-Songwriter-Sachen wie Paolo Nutini und Damien Rice. Aber ich mag generell viele Musikrichtungen. Es darf auch gerne mal Hip Hop oder House sein. Die Jungs, die in der Kabine immer aufgelegt haben - ich glaube Chinedu Obasi war ganz vorne dabei - waren schon eher in der Rap-Richtung unterwegs. Auf jeden Fall fand ich das persönlich nicht schlecht, Musik ist immer besser als Stille in der Kabine. Auch gerne ein bisschen lauter, um sich richtig einzustimmen.

SPOX: Ihre aktive Zeit bei Hoffenheim endete vor gut eineinhalb Jahren. Nach einem kurzen Gastspiel in Duisburg beendeten Sie Ihre Karriere. Warum dieser endgültige Schritt?

Ibertsberger: Es gab einfach keine überzeugenden Angebote mehr, die zu hundert Prozent gepasst hätten. Bei Duisburg ist es am Ende auch unglücklich gelaufen mit dem Zwangsabstieg. Ich habe mich im Anschluss freilich noch bemüht, einen anderen Verein zu finden, habe dann aber für mich persönlich entschieden, dass ich nicht um jeden Preis versuchen muss, noch einmal irgendwo ein halbes Jahr Fuß zu fassen. Auch in die Regionalliga und noch ein bisschen zum Spaß kicken wollte ich nicht, da fehlte mir hier in Deutschland einfach der Bezug. Deshalb auch die Entscheidung, etwas Neues zu machen. Irgendwann glaubt man auch selbst nicht mehr daran, dass sich noch viel in diese Richtung entwickelt. Das hat mir auch meine Erfahrung gezeigt, in dem Alter nicht mehr gefragt zu sein.

SPOX: Aber Angebote waren da?

Ibertsberger: Es gab Möglichkeiten, ja. Aber wieder wo anders hinzugehen, dort eine Wohnung zu unterhalten und bei den Gehältern, die in den unteren Ligen teilweise gezahlt werden, unter dem Strich vielleicht sogar noch mit einem Minus aus der Sache rauszugehen - da war's für mich klar. Ich wollte nicht noch ein halbes Jahr etwas probieren, das im Endeffekt vielleicht nicht klappt und wieder sechs Monate verlieren, in denen man sich schon etwas Neues hätte aufbauen können. Deswegen habe ich gesagt: Ich will für mich eine neue Geschichte beginnen und mich als Fitnesstrainer ausbilden lassen. Dass es am Ende wieder anders lief, ist im Fußball manchmal eben so... (lacht)

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SPOX: Also war der Gedanke schon länger da.

Ibertsberger: Auf jeden Fall. Ich hatte ja nach Hoffenheim und dann nach Duisburg sogar zwei Phasen, in denen ich arbeitslos und auf Klubsuche war. Da macht man sich natürlich Gedanken. Nicht darüber nachzudenken, was danach mal sein könnte, wäre ja dumm.

SPOX: Sie waren etablierter Bundesligaspieler und fanden sich plötzlich auf dem Abstellgleis wieder. Wie sind Sie mit diesen Tiefphasen umgegangen?

Ibertsberger: Natürlich waren das keine einfachen Situationen, wenn man davor eigentlich immer Stammspieler war und dann aufgrund von unglücklichen Faktoren wie Verletzungen oder Trainerwechseln plötzlich nicht mehr gefragt ist. Auch wenn man sieht, wie andere Spieler ihre Minuten bekommen und sich denkt: "Die sind auch nicht besser als ich." Aber im Profibereich geht es eng zu und man braucht auch ein bisschen Glück, das ich am Ende einfach nicht mehr hatte. Ich bin trotzdem vollkommen zufrieden, wie meine Karriere gelaufen ist. Die Jugend ist zudem immer gefragter und das Anforderungsprofil hat sich verändert, obwohl ich davon überzeugt bin, dass ich die Außenverteidigerrolle immer noch gut interpretieren könnte. Aber das muss man akzeptieren.

SPOX: Wie haben sich die arbeitslosen Phasen nach Hoffenheim und Duisburg unterschieden?

Ibertsberger: Sagen wir es so: Nach Duisburg war da schon ein starkes Jetzt-oder-gar-nicht-mehr-Gefühl da. Nach Hoffenheim wollte ich auf alle Fälle noch etwas finden und unbedingt weitermachen. Bei der zweiten Geschichte war dann eben der Gedankengang da, entweder gleich etwas Passendes zu finden oder es zu lassen und Plan B in Angriff zu nehmen.

SPOX: Wie wehmütig wird man, wenn man sich diesen finalen Entschluss dann eingesteht?

Ibertsberger: Das war gar nicht so wild. Ich hatte mich ja schon länger damit auseinandergesetzt. Mit Richtung 30 muss man sich einfach Gedanken machen, was einmal sein wird. Ich habe während meiner Zeit als Fußballer auch ein Fernstudium gemacht. Klar war es alles andere als schön, als der Moment da war. Aber ich war vorbereitet und gefestigt genug, das wegzustecken.

SPOX: Wie wichtig war der familiäre Rückhalt?

Ibertsberger: Ich hatte dank meiner Frau und meinen Hobbys gar nicht die Möglichkeit, in ein Loch zu fallen. Ich bin auch nicht der Typ, der sich kaputt machen lässt, sondern sehe in solchen Situationen das Beste und will mich da durchkämpfen. Große Sorgen waren da gar nicht. Ich hatte nie das Gefühl, vor dem Nichts zu stehen, sondern immer den Glauben, dass sich etwas finden wird, das man machen kann. Und am Ende kam auch wieder eine neue Tür, die musste ich dann nur noch aufmachen.

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SPOX: Mit der Ausbildung zum Fitnesstrainer blieben Sie direkt in der Sport-Ecke. Gab es nicht den Wunsch, einmal komplett wegzukommen vom Sport?

Ibertsberger: Nein, das war dann doch unterschiedlich genug. Ich war schon immer ein Sport- und Fitness-Fan und hatte auch während der aktiven Zeit immer viel Spaß daran, den Körper zu trainieren. Auch wenn man immer wieder über Fußball reden muss. Natürlich habe ich zu der Zeit jetzt nicht durchgehend Fußball im Fernsehen geschaut - wobei ich auch vorher nicht der Typ war, der immer vor der Glotze hing und sich alle Spiele ansehen musste. Ich habe gerne gespielt, musste mir aber nicht alles reinziehen, was woanders passiert.

SPOX: Ihre Ausbildung zum Fitnesstrainer fand ein jähes Ende, als die Anfrage aus Hoffenheim kam, als Co-Trainer der U 23 anzufangen. Wie kam's dazu?

Ibertsberger: Eigentlich gab es gar keinen großen Kontakt mehr nach Hoffenheim. Aber plötzlich ist Bernhard Peters (damaliger Nachwuchskoordinator bei Hoffenheim, Anm. d. Red.) auf mich zugekommen, als bei der U 23 die Co-Trainer-Stelle zu besetzen war. Wir hatten schon immer ein gutes Verhältnis und er meinte damals, dass er verfolgt hätte, was ich so treibe. Dann gab's Telefonate, Treffen, Gespräche - es hat sofort gut gepasst. Ich habe dann auch schnell begriffen, dass das eine Chance ist, die ich so schnell nicht mehr wieder kriegen werde.

SPOXSPOX: Also kein Zögern bei der Entscheidung?

Ibertsberger: Eigentlich nicht. Ich hatte schon im Kopf: Wenn es konkret wird, dann muss ich es machen. Obwohl ich so etwas wie einen Trainerjob - wenn überhaupt - erst für später im Hinterkopf hatte.

SPOX: Haben Sie wieder Kontakt zur Profimannschaft? Es sind ja doch noch einige alte Kollegen übrig geblieben.

Ibertsberger: Man sieht sich immer mal wieder und quatscht natürlich, wenn man sich über den Weg läuft.

SPOX: Gab es überraschte Gesichter, als Sie plötzlich wieder auf dem Trainingsplatz standen?

Ibertsberger: Klar, da ist man eineinhalb Jahre weg und plötzlich steht man wieder auf dem Gelände rum, wenn auch in einem anderen Bereich. Für mich war es sogar ein bisschen wie nach Hause zu kommen. Man kennt hier alles, hat sich hier die meiste Zeit wohl gefühlt und das Umfeld ist im Großen und Ganzen dasselbe geblieben.

SPOX: Zurück zu Ihrer Tätigkeit: Wie sehen Ihre Aufgaben als Co-Trainer aus?

Ibertsberger: Da gibt's vieles. Morgens das Training vorbereiten und mit Chefcoach Marco Wildersinn sowie dem Fitnesstrainer planen wie die Woche beziehungsweise der Trainingstag aussehen soll. Im Training übernimmt man einzelne Gruppen, wenn das Team einmal aufgeteilt wird. Meine Hauptgebiete sind aber zum einen das Warmup mit dem Ball und zum anderen die Standardsituationen. Sonst kicke ich auch manchmal aktiv mit, um Trainingsspiele auszugleichen. Organisatorisches fällt natürlich auch genug an. (lacht)

SPOX: Wie lautet Ihr persönliches Fazit nach dem ersten halben Jahr?

Ibertsberger: Das fällt sehr zufrieden aus. Ich musste erst einmal reinkommen und die ganzen Abläufe verinnerlichen. Sportlich läuft die Saison bislang durchwachsen, das Hauptziel ist aber sowieso, die Jungs weiterzuentwickeln, an den Profibereich heranzuführen und ihnen zu helfen, dass sie im "Erwachsenenfußball" ankommen, nachdem sie bislang nur mit Gleichaltrigen gespielt haben.

Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.comSPOX: Hört sich so an, als könnten Sie sich vorstellen, dass das Trainer-Dasein auch langfristig etwas für Sie wäre.

Ibertsberger: Ich kann's mir auf jeden Fall vorstellen! Aber ich plane da nicht zu weit voraus. Ich bin ja recht neu dabei, lasse das alles sich in Ruhe entwickeln und schaue, was es noch bringt. Aber klar ist: Es macht mir viel Spaß, weil man es irgendwo im Blut hat. Ich hoffe auf jeden Fall, dass ich das schon noch ein bisschen machen darf.

SPOX: Zieht es Sie eigentlich gar nicht zurück nach Österreich?

Ibertsberger: Mittlerweile hat es sich tatsächlich so entwickelt, dass ich und meine Frau uns hier festgesessen haben. Wir fühlen uns in Heidelberg unglaublich wohl, von daher gibt es momentan keine Gedanken, nach Österreich zurückzukehren. Aber auch da weiß man nie, was noch kommen wird. Man freut sich natürlich riesig, wenn man an den freien Tagen in der Heimat sein kann. Aber so ist das eben manchmal. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich einmal sagen werde: Ich bleibe in Deutschland.

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