"Das Poldi-Syndrom hat zugeschlagen"

Fatih DemireliJochen TittmarAndreas Lehner
30. Januar 201518:28
Andre Schürrle (r.) wird aller Voraussicht nach zum VfL Wolfsburg wechselngetty
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Die offizielle Bestätigung der Vereine fehlt zwar noch, doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird Andre Schürrle vom FC Chelsea zum VfL Wolfsburg wechseln - für 30 Millionen Euro. Was bedeutet der Transfer für die Karriere des 24-Jährigen? Drei SPOX-Redakteure sowie mySPOX-User Bayerntime diskutieren die fünf wichtigsten Fragen zum Wechsel des deutschen Nationalspielers.

Ist Andre Schürrle beim FC Chelsea gescheitert?

Fatih Demireli (SPOX): Kurz nach Schürrles Wechsel zu Chelsea im Juni 2013 hatte ich in unserer Fünferkette geschrieben, dass Schürrle zeigen muss, ein Big Player zu sein und dass dort die Qualität nicht alleine zählt. Rein sportlich hat er gezeigt, dass er mithalten kann und das Niveau hat, für einen Top-Klub zu spielen. Insgesamt fehlte ihm aber die Strahlkraft, um sich bei Chelsea festzubeißen und in den Kreis der Spieler zu rutschen, die Mourinho immer wieder in die Startelf nimmt. Final kann man also schon sagen: Der Big Player ist Schürrle noch nicht.

Jochen Tittmar (SPOX): Wer für fünf Jahre unterschreibt und nach eineinhalb aufgrund mangelnder Spielanteile wieder wechselt, hat sich für meine Begriffe nicht durchgesetzt. Mit dem ersten Jahr konnte Schürrle aber durchaus zufrieden sein. Allerdings hat er es letztlich kaum einmal geschafft, über mehrere Spiele hinweg eine gewichtige Rolle im Londoner Starensemble zu spielen. In gewisser Weise hat bei Schürrle das Podolski-Syndrom zugeschlagen.

Andreas Lehner (SPOX): Komplett durchgesetzt hat er sich auf jeden Fall nicht. Jahr eins war solide, er hat Einsatzzeit bekommen und auch in wichtigen CL-Spielen gespielt. Der nächste Schritt in dieser Saison blieb aber aus. Er hat sich nicht als elementarer Bestandteil der Chelsea-Offensive etablieren können wie Hazard oder Oscar. Schürrle fehlte im Vergleich zu seinen Konkurrenten das Repertoire, er hatte nur seine Schnelligkeit und Dynamik als Faustpfand. Damit war er am Ende zu eindimensional und verzichtbar für Mourinho.

mySPOX-User Bayerntime: Jein. Schürrle hat mit seinem Wechsel von Leverkusen zum FC Chelsea alles richtig gemacht - damals. In der letzten Saison absolvierte er teilweise extrem starke Spiele, jedoch wurde er immer mal wieder kritisiert, weil er defensiv nicht so agiert hat, wie es sich Mourinho vorstellt. Dann kam die WM, wo Schürrle als Einwechselspieler überzeugen konnte und man damit rechnete, dass er auch bei Chelsea etwas mehr durchstartet. Jedoch fiel er leistungstechnisch ab, wodurch seine Einsatzzeiten rapide runter gingen.

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Ist der VfL Wolfsburg der richtige Verein für Schürrle?

Fatih Demireli (SPOX): Wolfsburg wird über kurz oder lang Deutschlands Nummer zwei, daher ist er beim richtigen Verein. Wolfsburg bietet eine ambitionierte Perspektive, die Möglichkeit dauerhaft zu spielen, wichtig zu sein und natürlich zahlen sie auch gut. Alles richtig gemacht.

Jochen Tittmar (SPOX): Im ersten Moment ist die Wahl Wolfsburg sicherlich keine schlechte. Der VfL ist derzeit die klare Nummer zwei in Deutschland, dürfte bald Champions League spielen, hat hohe Ambitionen, viel Geld und einen starken Kader - in dem Schürrle künftig einen gewichtigen Part spielen soll. Dass dieses Paket zusammen mit der Tatsache, wieder im Heimatland spielen zu können, überzeugend wirkt, überrascht also weniger.

Andreas Lehner (SPOX): Wolfsburg ist das aufstrebende Team in Deutschland und hat mit Allofs/Hecking ein strategisch kluges Duo an der Spitze. Die Wölfe sind zwar auf Außen schon recht gut besetzt, aber wenn Vieirinha geht und de Bruyne wahrscheinlich auch nicht ewig bleibt, kann der VfL einen Spieler wie Schürrle gut gebrauchen. Und Schürrles Chance, eine tragende Rolle zu spielen, ist höher als bei Chelsea.

mySPOX-User Bayerntime: Ganz klares Ja. Wolfsburg etabliert sich in dieser Saison im vorderen Teil der Liga. Man hat in Wolfsburg hohe Anforderungen und man will sich auch international gut aufstellen. Beim VfL sollte Schürrle einen Stammplatz innehaben.

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Sind 30 Millionen Euro Ablöse gerechtfertigt?

Fatih Demireli (SPOX): Fünf Millionen Euro mehr und Wolfsburg hätte von Chelsea Oscar bekommen. Spaß beiseite: Die Summe ist Irrsinn, genauso wie die 22 Millionen für Kevin de Bruyne oder die 16 Millionen für Luiz Gustavo. Wolfsburg zahlt Summen über dem üblichen Marktpreis, um den Standortnachteil auszugleichen und Chelsea weiß natürlich auch, dass der VfL einen Sponsor hat, der gerne ein Investment eingeht, wenn es gut begründet ist. Allofs wird im Aufsichtsrat die richtigen Argumente genannt haben, um das Budget zu bekommen: sportlicher Mehrwert, Signal an die Liga, deutscher Nationalspieler.

Jochen Tittmar (SPOX): Nein. Die hohen englischen Preise sind zwar keine Neuheit mehr, aber wenn man bedenkt, dass Chelsea mit Schürrle - vereinfacht gerechnet - nun auch noch ein Plus von knapp zehn Millionen Euro macht, dann fehlt mir da die Verhältnismäßigkeit. Allerdings weiß man in London auch von der Wolfsburger Finanzkraft - und dass es die wirtschaftlichen Planungen dort nicht komplett durcheinander bringt, wenn man fünf Millionen mehr als erwartet ausgeben muss.

Andreas Lehner (SPOX): Anknüpfend an meine Antwort auf Frage 1 kann die Antwort nur lauten: die Ablöse ist viel zu hoch. Schürrle spielte bei Chelsea einen Nebenrolle. 30 Millionen Euro für einen Ergänzungsspieler von Chelsea sind zu viel. Er hat mit 24 Jahren noch Entwicklungspotenzial, aber er muss in Wolfsburg jetzt komplett durchstarten. Er muss für Wolfsburg die Rolle einnehmen, die Robben und Ribery bei Bayern oder Reus bei Dortmund spielen.

mySPOX-User Bayerntime: 30 Millionen Euro sind ein Haufen Geld. Vergleicht man die Summe beispielsweise mit der Ablöse eines Arjen Robben oder eines Franck Ribery, könnte man sagen, sie sei überzogen. Jedoch ist die heutige Zeit einfach so. Man bezahlt mittlerweile viel zu hohe Ablösesummen. Meiner Meinung waren die 22 Millionen Euro Ablöse, die Chelsea damals bezahlt hat, auch zu hoch. Nimmt man jedoch diese Zahl und beachtet, dass sich Schürrle weiter entwickelt hat, dazu noch Weltmeister ist, scheint es dann doch gerecht zu sein.

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Verbessert der Wechsel Schürrles Chancen in der Nationalmannschaft?

Fatih Demireli (SPOX): Ich glaube, Joachim Löw war genauso oft in Wolfsburg wie in London, daher stellt sich die Frage kaum. Der einzige Vorteil ist, dass Schürrle jetzt wohl öfter spielen wird als vorher. Das erhöht die Chancen für Schürrle.

Jochen Tittmar (SPOX): Ad hoc zumindest nicht. Joachim Löw weiß um Schürrles Qualitäten, beim Bundestrainer hat er zudem ein gutes Standing - auch trotz seiner wechselhaften Zeit in England. Es dürfte Schürrle aber zu Gute kommen, dass er nun wieder "vor der Haustür" spielt und gefühlt schneller in den Fokus geraten kann. Schwingt er sich ähnlich wie Kevin de Bruyne zum absoluten Leistungsträger bei den Wölfen auf, hilft das seiner Nationalmannschaftskarriere sicherlich weiter.

Andreas Lehner (SPOX): Die Konkurrenz wird dadurch nicht kleiner. Müller, Reus, Götze, Özil, Draxler, um nur einige zu nennen. Aber Schürrle steht jetzt wieder im direkten Duell mit seinen Konkurrenten. Dazu wird er wieder regelmäßiger und länger spielen sowie im Fokus der Berichterstattung stehen. Überzeugt er, kann ihm das helfen, aber läuft es schlecht, geht es genauso schnell in die andere Richtung. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

mySPOX-User Bayerntime: Auch hier ein klares Ja. Ich sehe Schürrle in Wolfsburg als Stammspieler. Ob nun auf den Außen, wo er bisher immer gespielt hat, als auch in der Spitze, wo er sicher auch eine sehr gute Figur geben würde. Jedoch hat gerade die deutsche Nationalmannschaft in der Offensive unzählige Optionen.

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Olic weg, Schürrle kommt: Braucht der VfL noch einen "echten" Stürmer?

Fatih Demireli (SPOX): Schürrle hat in seiner gesamten Chelsea-Zeit genau zwei Mal als Mittelstürmer agiert: August 2013 gegen Manchester United, April 2014 gegen Paris. Ein Nachfolger für Olic ist Schürrle ganz sicher nicht, daher verstehe ich auch die Freigabe für Olic nicht so recht. Aber vielleicht macht Wolfsburg ja noch was. Nur mit Bendtner und Dost in die Rückrunde zu gehen, halte ich für gewagt.

Jochen Tittmar (SPOX): Eigentlich ein klares Ja, nur stellt sich die Frage nach dem Zeitpunkt. Holt der VfL jetzt noch einen Hochkaräter für den Sturm, wird sich dieser während der Pflichtspielphase akklimatisieren, aber auch sofort weiterhelfen müssen - nicht ideal. Mit Bendtner und Dost ist man andererseits nominell dünn besetzt und darf kein Verletzungspech haben. Allerdings sind zumindest auf dem Papier auch ein de Bruyne und Schürrle in vorderster Front denkbar. Schlägt Wolfsburg nicht mehr auf dem Stürmer-Transfermarkt zu, geht man in jedem Fall ein gewisses Risiko ein.

Andreas Lehner (SPOX): Olic war über weite Strecken der Hinrunde Stürmer Nummer eins, erst zum Ende kam Dost. Bendtner war eigentlich kein Faktor und jetzt ist er die große Unbekannte. Findet er die nötige Ernsthaftigkeit, reichen zwei Stürmer und Schürrle als Notnagel. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte aber noch ein Stürmer kommen. SPOX

mySPOX-User Bayerntime: Man hat sich mit Schürrle einen Spieler geholt, der vor allem auf den Außen eingesetzt werden kann. Jedoch sehe ich ihn auch als "Neuner", der immer wieder auf die Außen ausweicht und so seinen Mitspielern Räume gibt. Ob sich Wolfsburg einen richtigen Stürmer holen sollte, muss man sehen. Es hängt auch viel davon ab, wie man spielen will. Ein "klassischer" Stürmer versteift das System meist. Dazu kommt, das man mit Bas Dost schon einen dieser richtigen Stürmer hat.

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