SPOX: Herr Neuville, wie oft werden Sie heutzutage noch auf das Spiel gegen Kaiserslautern im Oktober 2004 angesprochen (Neuville erzielte ein Tor mit der Hand, Anm. d. Red.)?
Oliver Neuville: Um ehrlich zu sein, sind Sie die Ersten, die mich darauf ansprechen (lacht). In der Regel werde ich nach ganz anderen Toren gefragt...
SPOX: Mit welchem Gefühl blicken Sie heute auf das Tor zurück? Können Sie inzwischen darüber Schmunzeln?
Neuville: Ich erinnere mich noch ganz genau an die Szene. Ich hätte das Tor auch ohne das Handspiel gemacht. Aber Tim Wiese hielt mich am Fuß fest, ich verlor die Koordination und schlug den Ball mit der Hand über die Linie. Natürlich war das ein klares Handspiel, aber eigentlich war es ein glasklares Foul von Wiese an mir und somit hätte ich einen Strafstoß zugesprochen bekommen müssen. Aber das Foul sah im Stadion natürlich niemand, nur mein Handspiel. Am Ende zählte der Treffer kurioserweise.
SPOX: Hat Sie die Reaktion der Öffentlichkeit dann ein wenig wütend gemacht, weil Sie am Ende als Buhmann dastanden?
Neuville: Ja, natürlich. Aber schauen Sie doch mal: Wenn ein Abwehrspieler ein klares Foul im Strafraum begeht, das nicht gepfiffen wird - glauben Sie, der Abwehrspieler geht zum Schiedsrichter und weist ihn darauf hin, dass er gerade ein Foul begangen hat?
SPOX: Wahrscheinlich nicht...
Neuville: Eben. Auf der Autobahn fahren Sie bestimmt auch nicht immer 130, oder? Wenn man erwischt wird, zahlt man eine Strafe. So war es bei mir am Ende auch. Ich bekam zwei Spiele Sperre und damit war die Sache für mich erledigt.
SPOX: Hat die Diskussion über das Handspiel nicht irgendwann genervt?
Neuville: Was heißt genervt? Ich konnte die Aktion leider nicht mehr rückgängig machen. Ich musste da durch. Aber es haben mich viele Leute angerufen, wie Rainer Calmund oder Jürgen Klinsmann und haben mir zur Seite gestanden.
SPOX: Haben diese Geschehnisse etwas an Ihrer generellen Haltung verändert - und sei es als Trainer? Was sagt der Coach Oliver Neuville seinen Spielern heute in Bezug auf Schwalben, Handspiele und andere Unsportlichkeiten?
Neuville: Es kommt immer auf den Moment an. Wenn man auf dem Platz steht, will man immer gewinnen. Da sind Emotionen drin, das Adrenalin schießt durch deinen Körper, da macht man vielleicht mal die eine oder andere Dummheit. Aber nur, weil man gewinnen will. Am nächsten Tag denkst du dann vielleicht: "Oh mein Gott, was hab ich denn da gemacht?" Aber ich halte unsere Jungs nicht an, unfair zu spielen, um Gottes Willen. Am Ende will man gewinnen, da muss man manchmal cleverer sein als der Gegner.
Die Karriere von Oliver Neuville in Zahlen
SPOX: Kommen wir zu Ihren Karriereanfängen. Sie begannen einst in der Schweiz. 1995 gab es dann plötzlich ein Angebot vom FC Bayern. Wie kam das zustande?
Neuville: Ich habe damals mit Servette Genf in Lausanne gespielt, als auf einmal Verantwortliche vom FC Bayern auf der Tribüne waren und mich beobachtet haben. Uli Hoeneß lud mich anschließend nach München ein, es war eigentlich fast alles schon fix. Dummerweise habe ich mich kurz darauf am Knie verletzt.
SPOX: Daran scheiterte der Transfer?
Neuville: Sozusagen. Allerdings war mein Knie nach kurzer Zeit wieder völlig in Ordnung, dennoch nahm der FC Bayern Abstand von meiner Verpflichtung.
SPOX: Warum?
Neuville: Das Problem war, dass mich Giovanni Trapattoni haben wollte, der aber im Frühjahr 1995 bekannt gab, nicht mehr weiter machen zu wollen. Otto Rehhagel war sein Nachfolger und der setzte auf andere Stürmertypen. Die Knieverletzung wurde dann nur als Vorwand genommen. Danach habe ich noch zwei Jahre in der Schweiz gespielt und bin anschließend nach Teneriffa gegangen.
SPOX: Waren Sie sauer oder enttäuscht über den geplatzten Bayern-Wechsel?
Neuville: Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn ich für Bayern München hätte spielen dürfen. Das wäre ein Traum gewesen, aber ich war damals noch jung und habe das relativ schnell abgehakt. Vielleicht ärgern sich die Bayern heute mehr als ich, dass es damals nicht geklappt hat (lacht).
SPOX: In Teneriffa verbrachten Sie nur ein Jahr. Weshalb sind Sie so schnell wieder gegangen? Hing das mit dem Abschied von Jupp Heynckes zusammen?
Neuville: Als ich nach Teneriffa ging, unterschrieb ich für fünf Jahre. Nach einem Jahr verließen Jupp Heynckes und sein Co-Trainer Ewald Lienen den Verein. Heynckes ging zu Real Madrid, Lienen wechselte zu Hansa Rostock. Der neue Coach des CD Teneriffa sagte mir nach der Vorbereitung, dass er nicht mehr mit mir plane. Das bekam Lienen mit, rief mich an und ich wechselte nach Rostock...
SPOX: Aber der Anruf von Heynckes aus Madrid blieb aus?
Neuville: Denen hatte ich gleich abgesagt (lacht). Nein, Spaß beiseite. Ich glaube Real Madrid hatte zu dem Zeitpunkt genügend gute Spieler, so dass Heynckes wohl keine Verwendung für mich gehabt hätte.
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