"Muss das Nachdenken vergessen"

Jochen Tittmar
02. April 201511:24
Neven Subotic wechselte 2008 gemeinsam mit Klopp von Mainz nach Dortmundimago
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Seit sieben Jahren ist Neven Subotic schon bei Borussia Dortmund. Der 26-Jährige hat den schwarz-gelben Gipfelsturm unter Jürgen Klopp mitgemacht und die schwere Krise in der Hinrunde der laufenden Saison. Im Interview mit SPOX spricht Subotic über den Absturz des BVB, die Notwendigkeit eines Umbruchs, den bevorstehenden Kracher gegen den FC Bayern (Sa., 18.30 Uhr im LIVE-TICKER) - und sein soziales Engagement in Äthiopien, einen enorm wichtigen Teil seines Lebens.

SPOX: Herr Subotic, spricht man mit Ihren Teamkollegen über Sie, betonen alle Ihr großes soziales Engagement. Sie verbringen in Ihrer Freizeit viele Stunden mit den Hilfsprojekten Ihrer Stiftung. Wie wichtig ist es Ihnen, in der fußballfreien Zeit Dinge zu tun, die nichts mit Ihrem Beruf zu tun haben?

Neven Subotic: Sehr wichtig. Jedes Mal, wenn ich meinen Laptop aufschlage, springt mir als Hintergrundbild das Foto eines kleinen Mädchens entgegen, das ich von ihr bei meinem letzten Aufenthalt in Äthiopien gemacht habe. Sie ist mir richtig ans Herz gewachsen. Es erinnert mich ständig daran, wie wichtig es ist, sich der Arbeit mit der Stiftung mit Leib und Seele zu widmen.

SPOX: Das nimmt mittlerweile einen großen Teil Ihres Lebens ein, oder?

Subotic: Ja. Hilfsarbeit kennt kein Ende, man kann quasi permanent loslegen beziehungsweise weitermachen. Meine Motivation ist ungebrochen. Es macht mir einfach großen Spaß, damit beschäftige ich mich in meiner Freizeit gerne. Denn es ist einfach noch so vieles notwendig, es gibt gerade in den ländlichen Regionen noch so viele Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Es gibt aber auch Phasen, in denen die Arbeit kurzzeitig traurig machen kann.

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SPOX: Wann kommt das vor?

Subotic: Vor allem dann, wenn man sich mit Statistiken beschäftigt. Es gibt auf unserer Welt noch immer 750 Millionen Menschen, die keine gesicherte Trinkwasserversorgung haben. Das ist ein Wahnsinn und hält einem deutlich vor Augen, dass die Hilfe mehr als angebracht ist - und kontinuierlich fortgesetzt werden sollte.

SPOX: Mussten Sie es erst lernen, den Fußball im Privatleben dermaßen auszublenden?

Subotic: Nein, das konnte ich eigentlich schon immer ganz gut. Klar, als Kind habe ich enorm viel Fußball in der Freizeit konsumiert. Doch als Profi hat man auch irgendwann einfach genug davon. Ich schaue zwar schon noch privat Fußball, aber meist innerhalb einer Gruppe. Wir treffen uns hin und wieder im Mannschaftskreis und machen einen Champions-League-Abend. Ansonsten bleibt allerdings neben der Arbeit für die Stiftung - derzeit plane ich beispielsweise meine nächste Reise nach Äthiopien im Juni - nur wenig Zeit. 24 Stunden pro Tag sind einfach zu wenig (lacht).

SPOX: Sie werden Ihren Sommerurlaub erneut in Äthiopien verbringen, um dort die Frischwasserversorgung zu verbessern. Was passiert eigentlich, wenn Sie sich da im schwierigen Gelände beispielsweise den Knöchel verstauchen und den Trainingsauftakt verpassen würden?

Subotic: Das hat ja eigentlich nur wenig mit dem konkreten Aufenthaltsort zu tun, ich kann mir ja auch auf den Malediven die Haxen brechen. Ich bin durch eine Auslandsversicherung abgesichert. Im schlimmsten Fall würde ich zur ärztlichen Behandlung nach Deutschland ausgeflogen.

SPOX: Vor Jahren sind Sie noch mit Kumpels im Wohnmobil quer durch Europa gedüst. Sind die nicht auch heiß auf ein Revival?

Subotic: Die machen das noch immer, nur mittlerweile ohne mich. Das ist auch kein Problem. Sobald die unterwegs sind, bombardieren sie mich sowieso mit Fotos und lassen mich dann quasi auf diese Weise daran teilnehmen.

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Subotic: Nicht wirklich, ich will die Plätze nicht tauschen. Man kann zu einem gewissen Zeitpunkt eben nur eine Sache hundertprozentig machen. Ich kann mit der Stiftung etwas bewirken. Das hat für mich längst oberste Priorität. Die Arbeit in den letzten Jahren hat mich auch darin bestärkt, weiterhin dranbleiben zu wollen, weil sie mich schlichtweg erfüllt.

SPOX: Wie sieht dahingehend eigentlich das Feedback Ihrer Teamkollegen aus, werden Sie da auch mal auf den Arm genommen?

Subotic: Klar. Wir sind Jungs, da werden regelmäßig lustige Sprüche ausgeteilt. Sie nennen mich manchmal Schüler, weil ich oftmals mit einem Rucksack ankomme, in dem ich meinen Laptop für die Arbeit herumtrage (lacht). Das ist alles vollkommen in Ordnung. Grundsätzlich finden alle meine Arbeit toll, manche Mitspieler interessieren sich sogar richtig dafür und fragen nach.

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Seite 2: Über die Krise der Hinrunde und den Ruf nach einem Umbruch

SPOX: Lustige Sprüche gab es im Laufe der Hinrunde nur selten aus Dortmund zu hören. Jürgen Klopp meinte, dass aus einem körperlichen zusehends ein Kopfproblem wurde. Wie haben Sie die Misere wahrgenommen?

Subotic: Wir befanden uns nicht im Fluss, gerade auch gedanklich. Man muss das Nachdenken sozusagen vergessen. Es ist immer besser, wenn man auf dem Platz nicht nachdenkt, sondern einfach nur macht. Das geht aber nur, wenn Dinge öfter hintereinander funktionieren und sich verselbständigen. Das gelang uns in der Hinrunde leider fast gar nicht.

SPOX: Wie schnell stellt man fest, dass die Rädchen nicht ineinander greifen?

Subotic: So etwas dauert, da man anfangs im konkreten Fall ja hofft, dass es nur eine Ausnahme war. Es sind letztlich Kleinigkeiten, die aber eine große Wirkung haben, wenn sie nicht funktionieren beziehungsweise aufeinander abgestimmt sind. Ob es Laufwege sind, die zu früh beginnen oder das Kreuzen, das zu spät stattfindet. Wir waren in unseren Abläufen nicht geschmeidig genug - und dann stockt der Fluss, von dem ich vorhin gesprochen habe. Wir haben uns zwar immer aufs Neue bemüht, doch mit der Zeit wurde es frustrierend zu sehen, dass es einfach nicht wie gewünscht klappen will.

SPOX: Ist der Frust selbst auch irgendwann zum Hindernis geworden?

Subotic: Schwer zu sagen. Ich drücke es mal in einem Bild aus: In den Jahren zuvor ist man beim Versuch, einen Berg zu erklimmen, fast immer an den Gipfel gekommen. Im Laufe der Hinrunde hatte man dann das Gefühl, dass entweder der Berg größer oder es schwieriger geworden ist, wieder an die gewohnte Stelle zu gelangen. Und das hat einen natürlich beschäftigt.

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SPOX: In der Rückrundentabelle steht der BVB mit der zweitbesten Abwehr auf Platz vier, der Turnaround ist geglückt. Trotzdem wird vielerorts, auch von Teilen der Fans, ein Umbruch innerhalb des Kaders gefordert. Wie nehmen Sie es wahr, wenn vom Ende einer Ära geschrieben wird?

Subotic: Das habe ich gar nicht mitbekommen. Gut, dass ich recht wenig Sportberichterstattung lese (lacht). Dass wir beim BVB immer ein großes Thema sind, ist verständlich. In den Medien wird eben häufig schwarz oder weiß gemalt, niemand will ja etwas Graues lesen. Und das Geschriebene färbt dann auf die öffentliche Meinung ab. Als wir Meister und Pokalsieger wurden, hieß es, dass alles perfekt sei. Das stimmte aber natürlich genauso wenig, wie dass jetzt nach einer solch schweren Saison auf einmal alles total schlecht sein soll.

SPOX: Was stimmt dann?

Subotic: Sie haben ja die Rückrundentabelle erwähnt. Das, was wir da bisher geleistet haben, fühlt sich nicht so an, als ob hier gerade eine Ära ihr Ende findet. Wir hatten ein unglaubliches Tief in der Hinrunde, das steht außer Frage und ist jedem klar. Wir sind nun aber gerade dabei, dieses Tal nach und nach zu verlassen. Wir haben ein paar weitere Spiele Zeit dafür, die Rückrunde noch besser zu gestalten. Gelingt uns das, wäre letztlich nur die Hinrunde negativ verlaufen. Dass es deshalb einen großen Umbruch benötigt, sehe ich nicht.

SPOX: Jürgen Klopp wehrt sich gegen die Sichtweise, der Fußball des BVB sei mit der Zeit immer mehr entschlüsselt worden. Die Probleme, die man gegen tiefstehende Mannschaft oftmals hat, sind dennoch unübersehbar. Ist der BVB-Fußball aus Ihrer Sicht jetzt entschlüsselt oder nicht?

Subotic: Die Bundesliga ist gerade im Scouting so unfassbar professionell aufgestellt: Glauben Sie wirklich, dass die anderen Vereine in ihren Spielvorbereitungen während unserer Meisterjahre nicht verstanden haben, wie wir spielen? "Entschlüsselt" klingt plakativ, ist aber sicher nicht tiefgründig. SPOX

SPOX: Auch wenn der Fokus weiterhin auf dem Klassenerhalt liegt, ist eine Qualifikation für die Europa League ebenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen. Dort ginge es allerdings eher ums sportliche Prestige, viel Geld kann dort nicht verdient werden. Wäre es Ihnen nach den Erfahrungen der letzten Jahre mit den vielen englischen Wochen lieber, der BVB könnte sich in der kommenden Saison ausschließlich auf die Liga konzentrieren und auch einmal über einen längeren Zeitraum kontinuierlich trainieren?

Subotic: Die Europa League wird finanziell gerade aufgewertet, und ich glaube - auch durch zusätzliche Sponsoren- und Zuschauereinnahmen - dass man dort gutes Geld verdienen kann. Aber wir schauen nach wie vor nur von Spiel zu Spiel. Das hat uns immer stark gemacht.

SPOX: Damit das Thema internationaler Wettbewerb im kommenden Jahr überhaupt realistisch ist, muss der BVB den Großteil seiner restlichen Spiele zwingend gewinnen. Zur nächsten Partie kommt der FC Bayern in den Signal Iduna Park (Sa., 18.30 Uhr im LIVE-TICKER). Kommen die Bayern nach der Niederlage gegen Gladbach genau richtig oder wäre es besser gewesen, sie hätten das letzte Spiel gewonnen?

Subotic: Das ist ehrlich gesagt nicht meine Diskussion. Sie kommen, wir treffen immer zwei Mal im Jahr auf sie. Und wir bereiten uns sehr seriös auf sie vor. Uns geht es nur um diese drei Punkte, die uns sehr gut tun würden. Und ich bin sicher, unsere Fans werden am Samstag wieder für eine einzigartige Atmosphäre sorgen.

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