"Ui, was ist denn hier los?"

Florian Schimak
25. Juni 201516:39
Aufgalopp: Für Heller (r.) und Stroh-Engel hat die Vorbereitung schon begonnengetty
Werbung

Er ist eine Symbolfigur des Darmstädter Märchens und ein Garant für den Bundesliga-Aufstieg des SV Darmstadt 98. Marcel Heller spricht mit SPOX über den Party-Marathon der Lilien nach der Sensation, das Geheimnis von Dirk Schuster, seine Vergangenheit und verrät zudem, auf was er sich in der kommenden Saison am meisten freut.

SPOX: Herr Heller, im letzten Jahr stiegen sie mit Darmstadt 98 völlig überraschend in die 2. Liga auf. Damals wurde schon ein riesiges Fest gefeiert. Nun gelang der irrsinnige Durchmarsch in die Bundesliga. Welche Party war denn größer?

Heller: In diesem Jahr war es trotz der Dramaturgie im letzten Jahr noch einmal intensiver. So ein Aufstieg in die 1. Liga... das ist einfach der absolute Wahnsinn. Damit hätte ja niemand gerechnet. Das hat man bei den Fans auch gemerkt, die haben uns nochmal mehr gefeiert. Es war schon unglaublich, was in der Stadt los war. Die Party mit den Fans zusammen am Ratskeller und tags darauf auf dem Karolinenplatz - das war unbeschreiblich.

SPOX: Haben Sie sich von den Feierlichkeiten denn einigermaßen erholt?

Marcel Heller: Es waren drei, vier extreme Tage nach dem Aufstieg. Wir haben ordentlich die Sau rausgelassen. Ich denke, das stand uns auch zu. Aber inzwischen sind wir alle wieder erholt. Wir waren in der Zwischenzeit allesamt im Urlaub und haben dort regenerieren können - sowohl von den sportlichen Strapazen der Saison, als auch von den Feierlichkeiten (lacht).

SPOX: Haben Sie in den Tagen nach dem "Uffstiech" überhaupt geschlafen? Immerhin ging es ja nach der Aufstiegsparty auf dem Karolinenplatz gleich nach Mallorca.

Heller: Wirklich viel Schlaf hatten wir natürlich nicht. Nach dem letzten Spiel gegen St. Pauli und den Feierlichkeiten in Darmstadt haben wir zwei Tage durchgemacht und dann ging es direkt weiter nach Mallorca. Wirklich viel geschlafen haben wir dort natürlich auch nicht. So cool auch alles war: Nach diesen vier, fünf Tagen war ich auch froh, dass ich meine Ruhe hatte und mal runterfahren konnte, um das alles auch mal zu verarbeiten.

SPOX: Trainer Dirk Schuster war mit auf Mallorca. Stimmt das?

Heller: Ja, klar. Er war mit dabei. Das Trainerteam hat mitgefeiert.

SPOX: Haben Sie inzwischen schon begriffen, was da am 24. Mai überhaupt geschehen ist?

Heller: Inzwischen schon. Aber es fühlt sich immer noch an wie ein Traum. Wir spielen jetzt gegen die besten Mannschaften aus Deutschland, teilweise gegen die besten Mannschaften Europas. Und das mit Darmstadt. Das macht einen extrem stolz und glücklich, weil man weiß, dass hier am Böllenfalltor die Rahmenbedingungen, vor allem mit Blick auf das Finanzielle, dafür gar nicht ausgelegt waren.

SPOX: Mitentscheidend für den Aufstieg war das Spiel am 32. Spieltag gegen den Karlsruher SC. Nach ihrem Solo vor dem 1:0 wurde Sie mit Gareth Bale verglichen. Was klingt lässiger: Gareth Heller oder Marcel Bale?

Heller: Mir wäre es am liebsten, wenn es bei Marcel Heller bleibt (lacht). Solche Vergleiche will ich nicht anstreben. Das können die Fans und die Medien machen, aber ich würde mich nie mit jemandem vergleichen. Mir ist durchaus bewusst, dass ich das Attribut habe, schnell zu sein - in diesem Moment in Karlsruhe konnte ich dieses auch ganz gut ausspielen. Letztlich war es ein wichtiger Beitrag für den Aufstieg.

SPOX: Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl, dass es tatsächlich mit dem Aufstieg klappen könnte?

Heller: Wir haben bereits nach der Hinrunde gemerkt, dass wir mit jedem Gegner mithalten können. Vielleicht nichts spielerisch, aber zumindest kämpferisch. Im Winter haben wir uns gedacht, wenn wir einfach so weiter machen wie bis dahin, dann werden wir eine richtig ordentliche Runde hinlegen. Uns war aber auch bewusst, dass wir jeden Moment hätten einbrechen können, wenn wir nur einen Tick nachlassen würden. Immerhin waren wir Aufsteiger, aber wir haben als Mannschaft immer an uns geglaubt. In der Zeit, in der es mal nicht ganz so rund lief, haben wir einen ungeheuren Teamgeist entwickelt.

SPOX: Der Sie bis in die Bundesliga getragen hat...

Heller: Absolut. Als wir am 31. Spieltag gegen den 1. FC Kaiserslautern und anschließend beim KSC etwas geholt hatten, wurde uns klar: Wir können tatsächlich aufsteigen.

SPOX: Direkt nach dem Sieg über St. Pauli sagten Sie, dass Trainer Dirk Schuster einen riesen Anteil am Erfolg hätte. Thema Zusammenhalt im Team: Kein Spieler, der wenig zum Einsatz kam, machte Stunk. Wie schaffte es Schuster, dass alle an einem Strang zogen?

Heller: Der Trainer hat es gerne, wenn man einen kleineren, übersichtlicheren Kader hat, der nicht so aufgebläht ist. Er gibt wirklich jedem im Team das Gefühl, dass er dazugehört. Auch wenn einige Spieler anfangs nicht so häufig zum Einsatz kamen, hat er viel mit ihnen persönlich gesprochen und die Mannschaft bei Laune gehalten. Das beste Mittel für eine tolle Teamchemie ist letztlich aber auch Erfolg.

SPOX: Verraten Sie uns doch mal seine Vorstellungen...

Heller: Er hat schon bei der Zusammenstellung des Kaders darauf geachtet, dass die Spieler zu uns passen würden. Der Charakter ist ihm extrem wichtig. Er sucht Spieler aus, die im Team agieren können und wollen. Spieler, die zunächst nicht spielen, sollen ihre Interessen dem Team unterordnen können. Schuster würde wohl nie einen Spieler holen, der nicht in die Mannschaft passen würde - auch wenn er uns eventuell sportlich weiterbringen würde. Es geht nur um den Erfolg der Mannschaft, da hat sich jeder unterzuordnen. Das hat er in den letzten zwei Jahren ganz ordentlich hinbekommen, würde ich sagen (lacht).

SPOX: Mit Romain Bregerie, Hanno Behrens und Leon Balogun verlassen drei Leistungsträger die Lilien. Wie sollen diese ersetzt werden?

Heller: Ich vertraue unserer sportlichen Führung absolut. Unsere Trainer werden schon wieder den einen oder anderen ausgraben. Es gibt ja sicher einige Spieler, die auf dem Markt sind, gerne in der Bundesliga spielen würden und auch das Potenzial haben. Ich denke, wir werden auch in der 1. Liga eine sehr gute Mannschaft aufstellen können. Auch wenn es enorm hart wird, bin ich davon überzeugt, dass wir nächste Saison nicht jedes Spiel abgeschlachtet werden - da mache ich mir keine Sorgen. Aber natürlich ist es schade, dass die drei Jungs jetzt gehen, weil wir ein verschworener Haufen waren - doch so ist eben das Fußballgeschäft.

Seite 1: Heller über die Malle, Schusters Geheimnis & nächste Saison

Seite 2: Heller über seine Eintracht-Zeit, das Böllenfalltor & die Vorbereitung

SPOX: Kommen wir mal zu Ihnen persönlich. Ihr letztes Bundesligaspiel bestritten Sie für Eintracht Frankfurt vor über vier Jahren gegen Borussia Dortmund...

Heller: Oh ja, das war damals am 34. Spieltag. Ich wurde eingewechselt und bin mit der Eintracht nach dem Spiel abgestiegen. Daher hab ich keine schönen Erinnerungen an mein letztes Bundesligaspiel.

SPOX: Danach lief es sportlich nicht mehr wirklich rund. Sie tingelten durch die 2. und 3. Liga - mit mäßigem Erfolg. Hätten Sie gedacht, dass Sie noch einmal auf die ganz große Bundesligabühne zurückkehren würden?

Heller: Mein Problem war zunächst, dass ich mir bei der Eintracht eine Rückenverletzung zuzog, die mich fast ein ganzes Jahr außer Gefecht gesetzt hat. Danach habe ich sehr lange gebraucht, um wieder reinzukommen. Mental hatte mich die Verletzung auch weit zurückgeworfen. So kam ich nach meinen guten Anfängen in Frankfurt auch nicht mehr so in die Spur, wie ich mir das gewünscht hätte. In Duisburg und Aachen haben dann auch wieder andere Faktoren eine Rolle gespielt, aber dort lief es auch nicht wirklich rund. Trotzdem habe ich das Ziel Bundesliga nie aus den Augen verloren, auch wenn ich mir im Klaren war, dass es nach meinem Wechsel zum SV Darmstadt sehr schwer werden würde, noch einmal in die 1. Liga zurückzukehren.

SPOX: Am Ende haben Sie ja alles richtig gemacht...

Heller: Tatsächlich. Aber damals hätte ich nicht einmal im Ansatz gedacht, dass ich mit den Lilien überhaupt in die 2. Liga aufsteigen könnte. Schließlich war Darmstadt damals sportlich eigentlich in die Regionalliga abgestiegen.

SPOX: Wie kam denn der Kontakt mit Darmstadt zustande?

Heller: Unser Co-Trainer Sascha Franz kannte mich noch aus meiner Zeit bei den Sportfreunden Siegen und brachte mich so ins Gespräch. Ich absolvierte ein Probetraining und habe erst noch gezögert, ob ich das wirklich machen sollte. Aber Franz hat mich doch dazu bewogen, das Angebot anzunehmen - zudem war dann auch klar, dass die Lilien in der 3. Liga bleiben.

SPOX: Hing Ihr Zögern auch mit den Gegebenheiten in Darmstadt zusammen? Selbst Aachen hat ja ein modernes Stadion...

Heller: Zugegeben, ich spielte davor in Duisburg, Dresden, Aachen und Frankfurt. Die haben allesamt ausgezeichnete Stadien. Als ich dann nach Darmstadt kam, dachte ich mir schon: "Ui, was ist denn hier los?" Aber ganz ehrlich, ich brauche keine Luxusarena. Mir reicht ein ordentlicher Rasen, von daher war mir das eigentlich egal. Das Trainerteam hat einfach vom Darmstädter Weg überzeugt und letztlich habe ich wohl schon schlechtere Entscheidungen in meinem Leben getroffen...

SPOX: Früher galten Sie schon als hochveranlagt, konnten ihr Potenzial aber zu selten abrufen. Nun haben Sie in der vergangenen Saison konstant gute Leistungen gezeigt. Wie kam's?

Heller: Eigentlich habe ich nicht wirklich viel geändert. Ich hatte bei der Eintracht bereits bewiesen, dass ich etwas drauf habe. In Darmstadt passt jetzt einfach alles. Hier habe ich ein Trainerteam, das mich richtig einsetzt und mir Vertrauen schenkt. Das ist das wichtigste - ich brauche einen Trainer, der auf mich baut. Das tat Schuster von Anfang an und so konnte ich immer befreit aufspielen. Es hat einfach von der ersten Sekunde an gepasst und so konnte ich an meine Leistungen aus der Vergangenheit anknüpfen und sogar nochmal eine Schippe drauflegen.

SPOX: Bereiten Sie sich jetzt irgendwie speziell auf die Bundesliga vor? Achten Sie besonders auf die Ernährung oder trainieren gezielt im individuellen Bereich?

Heller: In den drei Wochen vor dem Trainingsauftakt habe ich meinem Körper bewusst eine Pause gegönnt und alles runter gefahren. Das brauchte mein Körper auch, immerhin habe ich alle Spiele in der vergangenen Saison gemacht. Und außerdem werden wir jetzt in der Vorbereitung noch genug laufen (lacht).

SPOX: Sie sprechen es an. Als erster Bundesligist sind sie bereits in die Vorbereitung gestartet. Was erwartet Sie in den nächsten sieben, acht Wochen?

Heller: Die ersten zehn Tage werden wir viel im Ausdauerbereich trainieren, im Anschluss haben wir noch einmal ein paar Tage frei und dann geht's ins Trainingslager. Fit werden wir zum Auftakt im August in jedem Fall sein.

SPOX: Auf welches Spiel freuen Sie sich eigentlich besonders? Gegen die Bayern in der Allianz Arena? Oder doch gegen den BVB im Signal-Iduna-Park? Dann wäre da noch ein Derby gegen die Eintracht... SPOX

Heller: Alles ist natürlich geil. Ich habe bereits in München, Dortmund oder auf Schalke gespielt, das ist schon ein Erlebnis und macht Riesenbock. Aber am meisten freue ich mich natürlich auf das Derby gegen die Eintracht. Dort hatte ich viereinhalb tolle Jahre, wurde auch während meiner langen Verletzungspause klasse unterstützt und hatte dort eine schöne Zeit. Von daher wird es schon etwas ganz Besonderes, mit dem SV Darmstadt in der Commerzbank Arena aufzulaufen - das ist natürlich ein absolutes Highlight.

SPOX: Zum Abschluss. Der SV Darmstadt 98 steht am 34. Spieltag auf Platz...

Heller: Puh, wenn wir auf einem Relegationsplatz stehen würden und damit immer noch die Chance hätten, die Klasse zu halten, wären wir schon zufrieden. Ich glaube, wenn wir tatsächlich die Klasse halten sollten, wäre das höher einzuschätzen als die beiden Aufstiege davor. Und die Party wäre nochmal größer... (lacht)

Seite 1: Heller über die Malle, Schusters Geheimnis & nächste Saison

Seite 2: Heller über seine Eintracht-Zeit, das Böllenfalltor & die Vorbereitung

Marcel Heller im Steckbrief