SPOX: Herr Bulut, was macht die Wohnungssuche?
Volkan Bulut: Ob Sie es glauben oder nicht, aber während wir hier dieses Interview führen, findet in der Heimat mein Umzug nach Gelsenkirchen statt (lacht).
SPOX: Und Ihre Frau dirigiert das Umzugsunternehmen?
Bulut: So ist es. Ich bin richtig stolz auf meine Frau. Evrim hat den gesamten Umzug alleine bewältigt - und das mit unserem elf Monate alten Jungen Tayan. So konnte ich mich voll und ganz auf meine Aufgaben konzentrieren und hatte keinen zusätzlichen Stress. Wir haben ein schönes Reiheneckhaus gefunden, vier Zimmer, kleiner Garten.
SPOX: Die Frage zielte natürlich auf eine Geschichte im Vorjahr ab, die hohe Wellen schlug: Nach der Geburt Ihres Sohnes suchten Sie über die offizielle Facebook-Seite des SC Paderborn 07 eine größere Wohnung, man konnte sich an Ihre persönliche Email-Adresse wenden. Waren Sie damals so verzweifelt, weil Sie zuvor einfach nichts Passendes gefunden haben?
Bulut: In Paderborn war der Wohnungsmarkt einfach ziemlich angespannt. Wir haben drei, vier Monate lang vergeblich eine Vierzimmerwohnung gesucht. Dann kam die Idee auf, man könne eine Annonce über den offiziellen Vereinsaccount bei Facebook schalten.
SPOX: Und eine Stunde später war dieses Gesuch schon in aller Munde.
Bulut: Genau, alle gängigen Medien haben sich sofort drauf gestürzt. Ich hatte keine Ahnung, dass das solche Ausmaße annehmen würde.
SPOX: Hat's letztlich geholfen?
Bulut: Und wie - nach fünf Tagen hatten wir eine Wohnung, keine zwei Wochen später sind wir bereits eingezogen. Insgesamt kamen rund 80 Emails mit seriösen Angeboten an. Ein paar wollten auch ein Trikot oder Karten haben, aber das hat sich in Grenzen gehalten.
SPOX: Ist der Vermieter jetzt nicht sauer auf Sie gewesen, dass Sie bereits wieder ausziehen?
Bulut: Er wusste, dass bei ihm ein Trainer wohnen wird und man in diesem Beruf nicht auf Jahre hinaus Treue versprechen kann. Wir haben uns auf eine Mindestvertragslaufzeit geeinigt, so dass er eine gewisse Absicherung hatte. Ich habe jetzt sozusagen die Ausstiegsklausel gezogen, es gibt auch schon einen Nachmieter (lacht).
SPOX: Damit können Sie sich nun ganz Ihren neuen Aufgabe auf Schalke widmen. Sie sind mit 33 Jahren einer der jüngsten Co-Trainer der Bundesliga - und haben vor sieben Jahren noch selbst in unterklassigen Ligen gekickt.
Bulut: Ich spielte unter anderem beim TuS Celle und SC Langenhagen in der Oberliga. Mit 26 musste ich nach einem Knorpelschaden und Kreuzbandriss die Fußballschuhe an den Nagel hängen. Der Arzt hat mir geraten, wenn ich eines Tages mit meinem Sohn im Garten kicken möchte, dann solle ich besser nicht weitermachen. Darauf habe ich gehört, auch wenn es mir sehr schwer gefallen ist. Ich zog mich daraufhin ein halbes Jahr komplett vom Fußball zurück und habe alles verarbeitet. Dann kam die Anfrage vom FC Can Mosaik.
SPOX: Einem türkischen Bezirksligisten aus Hannover, den Ihr Vater vor rund 30 Jahren mit gegründet hat.
Bulut: Ich war dem Verein schon immer sehr verbunden. Der Klub hat nur wenig Geld und suchte damals einen Trainer, der die Mannschaft formt und im Griff hat. Man wusste dort natürlich, dass ich nicht mehr aktiv spiele, wir kannten uns alle gut. Ich wurde gefragt, ob ich das nicht machen könnte. Ich habe nicht lange überlegt, vor allem da ich im Fußball wieder Fuß fassen wollte. Das Wort "Can" bedeutet "Leben", "Mosaik" steht für Multikulti. Wir hatten damals Spieler aus acht verschiedenen Nationen im Kader und waren zwei Jahre lang wirklich erfolgreich.
SPOX: Nebenher haben Sie aber noch gearbeitet?
Bulut: Klar. Ich war in der Kaffeebranche tätig und habe als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb in leitender Funktion gearbeitet.
SPOX: Die Wege mit Andre Breitenreiter haben sich aber schon zuvor gekreuzt. Können Sie sich noch an Ihr erstes Treffen erinnern?
Bulut: Das war in der Saison 2002/2003. Andre hatte seine Profikarriere nach dem Abstieg mit Unterhaching für ein halbes Jahr ruhen lassen und ist in seine Geburtsstadt zum SC Langenhagen in die 4. Liga zurückgekehrt. Dort habe ich damals als Abwehrspieler gekickt, wir waren dann sechs Monate lang Teamkollegen.
SPOX: Sein Co-Trainer sind Sie aber erst über acht Jahre später geworden. Wie sah der Kontakt in der Zwischenzeit aus?
Bulut: Wir standen anfangs nicht regelmäßig in Kontakt. Man hat sich gesehen, wenn er in der Heimat war und ein Spiel des SCL angeschaut hat. Kurz vor Ende seiner Laufbahn wechselte er noch als Spieler zum TSV Havelse und stieg dort zusammen mit meinem jüngeren Bruder in die Regionalliga auf. In der folgenden Winterpause trennte man sich vom damaligen Trainer und machte Andre, der damals schon die A-Lizenz besaß, zum Chefcoach.
SPOX: Der aber noch keinen Co-Trainer hatte.
Bulut: Richtig. Andre besaß ein großes Netzwerk im Hannoveraner Gebiet. Einer seiner Bekannten hat ihn dann auf mich gebracht, damals war ich noch beim FC Can Mozaik. Andre rief mich Sonntagabend an, wir haben uns für Montagmittag verabredet - und Montagabend habe ich schon die erste Trainingseinheit mit ihm geleitet.
SPOX: Wie lief das Gespräch damals ab?
Bulut: Er hat mir im Grunde nur seine Erwartungen an einen Co-Trainer vorgestellt. Wir haben gemerkt, dass wir bei gewissen Themen auf einer Wellenlänge lagen, auch mein Wirken auf dem Platz hat ihm anschließend gefallen. Mittlerweile zeichnet uns ein blindes Vertrauen aus.
SPOX: Viereinhalb Jahre nach dem Startschuss Ihrer Zusammenarbeit in Havelse sind Sie nun gemeinsam bei einem traditionsreichen Bundesligisten angestellt. Hätten Sie diese Entwicklung damals für möglich gehalten?
Bulut: Nicht wirklich. Vor allen Dingen nicht so schnell. Wenn man bedenkt, dass ich als Cheftrainer von Can Mozaik noch die Trainingsleibchen mit nach Hause zum Waschen genommen habe. Es ist ein bisschen ein gelebter Traum. Das war es aber schon in Havelse und später in Paderborn, als wir im Grunde zwei Abstiegskandidaten übernahmen und sie nach oben führten.
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