Lorenz-Günther Köstner trainierte die Bundesliga-Mannschaft des VfL Wolfsburg zweimal interimsweise, ehe er die Verantwortung bei Fortuna Düsseldorf übernahm. Mit SPOX sprach er über seine krankheitsbedingte Vertragsauflösung, eine Rückkehr in den Profifußball, Felix Magaths Lehren und Allofs neuen Weg bei den Wölfen.
SPOX: Herr Köstner, es ist schon über ein Jahr her, dass Sie das letzte Mal auf einer Trainerbank saßen. Wie sehr vermissen Sie den Profifußball?
Lorenz-Günther Köstner: Die aktive Rolle vermisse ich selbstverständlich sehr. Ich bin jedoch laufend dabei und schaue mir im Profibereich viele Spiele und Trainingseinheiten an, was ich in der Zeit meiner Krankheit überhaupt nicht getan habe. Jetzt, da ich wieder gesund bin, möchte ich aber wieder eingreifen. Die Lust ist zurück und wenn ich gebraucht werde, bin ich da. Das ist auch gut so, denn mit einer Krankheit wollte ich meine Karriere nicht beenden. Dass ich aufgrund eines bakteriellen Infekts meinen Job in Düsseldorf aufgeben musste, war ohnehin schon schwer genug.
SPOX: Die Ärzte benötigten fast fünf Monate, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Befürchteten Sie zuweilen Schlimmeres?
Köstner: Gerade in der Anfangszeit waren viele besorgt. So eingeschränkt und hilflos kannte mich zuvor keiner. Ich selbst am wenigsten. Warum auch immer musste ich 62 Jahre alt werden, um mir erstmals solch eine Infektion einzufangen. Demut und Geduld waren angesagt.
SPOX: Sie beschlossen während Ihrer Krankheit, nicht viel darüber zu reden.
Köstner: Ich wollte nicht jedem erklären müssen, was los war. Denn erzählst Du es dem Einen, dann rufen direkt danach die nächsten Leute an und wollen mit dir sprechen. Ich weiß, dass es gut gemeint ist, jedoch war die Ruhe einfach nur Selbstschutz.
SPOX: Da so fast nichts an die Öffentlichkeit gelang, wurde viel spekuliert.
Köstner: Das war leider die Kehrseite der Medaille. Leute haben gestreut, es wäre ein Herzinfarkt oder Schlaganfall gewesen. Jedoch habe ich mich an dem orientiert, was mir die Ärzte rieten: Mich zurückzuhalten und die Krankheit geduldig auszukurieren. In dieser Zeit waren mir meine Familie und Freunde immer sehr wichtig. Man wusste, dass ich wieder gesund würde - nur der Zeitpunkt war lange ungewiss.
SPOX: Wurden Sie beim Gedanken, die Fortuna könne sich bereits nach einer Alternative umsehen, nicht nervös?
Köstner: Ich wusste damals nicht mit der Krankheit umzugehen. In dieser Zeit habe ich natürlich einen falschen Ehrgeiz entwickelt. Als ich erfuhr, dass die Ärzte mich länger krankschreiben wollten, winkte ich dankend ab. Schließlich war mir vorher bis auf kleine Operationen am Knie oder Fuß nie etwas Dramatisches zugestoßen. Selbst eine Grippe hat mich nie aus der Bahn geworfen. Wenn es sein musste, habe ich auch mal mit 40 oder 41 Grad Fieber auf der Bank gesessen. Deshalb wollte ich mich auch in Düsseldorf nie länger als zehn Tage krankschreiben lassen. Ich habe allen Beteiligten aber immer kommuniziert, dass ich erst wieder auf den Platz zurückkehre, wenn ich wieder vollständig hergestellt bin. Das war von Anfang an klar.
SPOX: Es war eine verzwickte Situation. Auf der einen Seite wollten Sie den Fußball um keinen Preis aufgeben, auf der anderen konnten Sie körperlich einfach nicht mehr. Wie gesteht man sich ein, dass man vorübergehend loslassen muss?
Köstner: Anfangs dachte ich, zum Trainingsbeginn der neuen Saison wieder fit zu sein, sodass ich erst einmal keinen Gedanken an eine Vertragsauflösung verschwendete. Als mir die medizinische Seite nach mehreren Wochen jedoch sagte, dass ich bis Mitte Juni 2014 auf keinen Fall wieder auf dem Platz stehen könne, blieb mir keine andere Wahl. Da ich mit mir selbst aber im Reinen war, sagte ich mir: Du erhältst irgendwann noch einmal eine Gelegenheit. So kam ich mit der Situation klar.
SPOX: Hat sich seither etwas an Ihrer Sicht auf die Dinge verändert?
Köstner: Seitdem ich nicht mehr als Spieler auf dem Platz stehe, sondern als Trainer an der Seitenlinie, sehe ich den gesundheitlichen Aspekt ohnehin aus einer anderen Verantwortung heraus. Ich war bei diesem Thema schon sehr früh sensibilisiert, sodass sich durch meine Krankheit nicht viel verändert hat. Sobald ein Spieler im Training Fieber hatte, habe ich ihn rausgenommen und den Ärzten übergeben. Früher hätte man den Infekt durch lockere Läufe rausschwitzen lassen. Da war man nicht so verantwortungsvoll.
SPOX: Ihr Nachfolger in Düsseldorf war Oliver Reck, von dem sich der Verein schon im Februar dieses Jahres wieder trennte. Hofften Sie auf eine Rückkehr?
Köstner: Nein, das war nach der Vertragsauflösung kein Thema mehr, wenngleich der Kontakt zur Fortuna nicht abgerissen ist. Wir schätzen uns noch sehr.
SPOX: Sie betonten Anfang des Jahres, dass es den Trainer Lorenz-Günther Köstner weiterhin geben werde. Hatten Sie in diesem Sommer keine Anfragen?
Köstner: Konkrete Anfragen aus dem deutschen Profifußball gab es nicht, jedoch kontaktierten mich Vermittler bezüglich Vereinen aus Ägypten. Auch Hapoel Tel Aviv zeigte Interesse. Das sind Geschichten, die einen zwar durchaus reizen, jedoch nicht hundertprozentig passen. Ich will es lieber hier noch einmal allen zeigen, dass ich wieder fit bin.
SPOX: Also liebäugeln Sie mit einer Rückkehr ins deutsche Profigeschäft?
Köstner: Ich wäre in jedem Fall dafür gewappnet, jedoch kann ich nicht den Anspruch stellen, nur Angebote aus der ersten oder zweiten Liga anzunehmen. Ich habe aber bewiesen, dass ich einen Verein mit meiner Erfahrung und Leidenschaft in einer Notsituation übernehmen kann. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich weiterhelfen kann, springe ich gerne ein. In Wolfsburg hatte ich großen Spaß an der Arbeit und ich habe mir selbst gezeigt, dass ich auch in der Bundesliga erfolgreich sein kann.
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SPOX: Waren Sie daher enttäuscht, beim VfL trotz guter Ergebnisse zweimal nur Interimstrainer zu sein?
Köstner: Dass man mir überhaupt das Vertrauen schenkte, war schon eine große Bestätigung meiner Arbeit. Ich bin kein Lautsprecher und war es auch noch nie. Ich habe mich zu wenig in den Vordergrund gestellt, was mir die Leute auch immer wieder vorgeworfen haben. Für mich war es in erster Linie aber wichtig, glaubwürdig zu bleiben. Deshalb wollte ich mein Versprechen gegenüber Winterkorn und Sanz halten: Alles für den Verein rauszuholen und solange ich Trainer bin, das Beste zu geben, um den VfL aus der schwierigen Lage zu befreien. Außerdem hat man mir von Beginn an gesagt, dass es einen neuen Manager geben würde. Ich war Realist genug, um zu wissen, dass dieser Neuanfang auch mit einem anderen Trainer gemacht werden würde.
SPOX: Die meiste Zeit beim VfL verbrachten Sie bei der U23. Felix Magath hatte Sie ursprünglich nach Wolfsburg geholt.
Köstner: Genau. Felix wollte, dass ich die jungen Spieler an das intensivere Training heranführe. Das war der primäre Grund, weshalb ich nach Wolfsburg kam. Und es funktionierte gut, denn die Jungs haben sich trotz der härteren Gangart immer super benommen und gut mitgearbeitet.
SPOX: Sind Sie demnach vom gleichen Schlag wie Magath?
Köstner: Wir sind in der gleichen Zeit groß geworden. Für Felix war ich aber immer zu bescheiden. Er brachte mich dazu, die Mannschaft härter ranzunehmen und konsequenter zu sein. Mit seiner Art hatte er großen Erfolg - ob in Stuttgart, bei den Bayern oder in Wolfsburg.
SPOX: Sie wurden einmal als "Trainer der alten Schule" bezeichnet. Würden Sie das so unterschreiben?
Köstner: Das stört mich nicht, denn "alte Schule" war noch nie schlecht. Junge Spieler empfinden es als streng und belastend, bei den Profis zu trainieren - das ist normal. Ihnen schmeckt Konditionstraining nicht. (lacht) Wenn sie mal einen Lauf mehr machen müssen, wird es gleich auf die Generation zurückgeführt. Ich bin stolz darauf, ein Trainer der alten Schule zu sein, mich aber immer weitergebildet und neue Elemente aufgenommen zu haben.
SPOX: Glauben Sie, dieser Trainertyp ist bei all den aufstrebenden Nachwuchskräften wie Tuchel, Gisdol oder Schmidt heute noch gefragt?
Köstner: Es sind nicht nur die Trainer, die anders heranwachsen, sondern auch die Spieler in den Nachwuchsleistungszentren. Vor allem mit den Medien gehen die jungen Leute viel offensiver um. Es ist aber nicht so, dass sich Trainer der älteren Generation den modernen Entwicklungen verschließen, im Gegenteil. Außerdem bin ich der Meinung, dass man die Spieler durch die neuen technischen Mittel nicht zwangsläufig besser macht.
SPOX: Woran machen Sie das fest?
Köstner: Schauen Sie sich die heutige Wolfsburger Mannschaft an: Benaglio, Schäfer, Rodriguez, Naldo, Träsch, Vieirinha, Dost. Das sind alles Spieler, die Felix damals zum VfL geholt hat - für verhältnismäßig geringe Ablösen. Und sie bilden immer noch den Kern der Mannschaft. Natürlich gab es auch Spieler, die nicht so funktioniert haben. Erst Allofs hat den Bossen einen anderen Weg aufgezeigt.
SPOX: Inwiefern?
Köstner: Er hat weniger in die Breite als in die Spitze investiert. Das hatte natürlich seinen Preis: Gleich in der Winterpause holte er Perisic für neun Millionen Euro. Allofs fragte mich noch, was ich von De Bruyne halte. Ich sagte, er soll ihn sofort holen. Mit Gustavo, Schürrle und Draxler folgten weitere Transfers dieser Größenordnung.
SPOX: Dadurch hat der Klub einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht.
Köstner: Es ist das Ergebnis mehrerer Faktoren: In erster Linie sind es die VW-Millionen, die Allofs klug investiert hat. Seit Winterkorn da ist, wird die Kraft des Konzerns auch für den sportlichen Bereich eingesetzt. Zudem macht Hecking einen guten Job. Er hat erkannt, dass er mit solch einer Spitzenmannschaft einen ganz anderen Fußball spielen lassen kann als in Nürnberg oder Hannover.
SPOX: Zum ersten Mal seit sechs Jahren konnte sich der VfL wieder für die Champions League qualifizieren. Was trauen Sie der Mannschaft zu?
Köstner: Da sie sehr ausgeglichen ist und mit Dante noch einmal Erfahrung dazugewonnen hat, erwarte ich in dieser Saison sehr viel. Die Gruppenphase sollten sie in jedem Fall überstehen, danach kommt es etwas auf das Losglück an. Das Viertel- oder sogar Halbfinale traue ich dem VfL aber zu.
SPOX: Auch ohne Kevin De Bruyne?
Köstner: Die Wolfsburger werden ihn kurzfristig nicht vermissen, denn die Mannschaft kompensiert den Verlust durch das Kollektiv. Auf längere Sicht wird er dem VfL aber fehlen, denn der Junge hat große Qualität.
SPOX: Die auch kein Julian Draxler aufwiegen kann?
Köstner: Ich habe immer viel von Julian Draxler gehalten. Jetzt ist er ein Mann geworden und somit kräftiger. Er hat einige Verletzungen und Enttäuschungen erlitten, die ihn mental aber stärker gemacht haben. Ich hoffe, dass er sich schnell genug anpassen kann, um in der funktionierenden Mannschaft eine gute Rolle zu spielen. Die individuelle Klasse von De Bruyne kann aber kein Einzelner ersetzen.
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Lorenz-Günther Köstner im Steckbrief