SPOX: Herr Bonhof, in den vergangenen Tagen kam es zu Razzien in der DFB-Zentrale und in den Privathäusern einiger Funktionäre. Wie erleben Sie als langjähriger Mitarbeiter des DFB diese Situation?
Rainer Bonhof: Natürlich muss diese für den deutschen Fußball sehr unangenehme Situation durch die handelnden Personen aufgeklärt werden. Was mich aber auch nachdenklich stimmt, ist diese Gesellschaft der Vorverurteilungen. Diese Entwicklung, immer sofort mit dem Finger zu zeigen und Köpfe zu fordern, ist erschreckend.
SPOX: Sie waren acht Jahre für den DFB tätig, zunächst als Co-Trainer der A-Nationalmannschaft, später als Chef-Coach der U21. Warum entschieden Sie sich 1998 dennoch, als Trainer nach Mönchengladbach zurückzukehren?
Bonhof: Der Verein steckte damals in einer sehr schwierigen Situation, innerhalb kurzer Zeit trennte man sich von Manager Rolf Rüssmann sowie Trainer Friedhelm Rausch und suchte eine kurzfristige und auch namentlich gute Lösung. Bei der auf die Trennung folgenden Sitzung, an der ich als Mitglied des Aufsichtsrats teilnahm, schauten die Verantwortlichen dann fragend nach ganz rechts außen, wo ich saß. Da konnte ich Borussia unmöglich im Regen stehen lassen.
SPOX: Ihr neuer Job erwies sich aufgrund der finanziellen Probleme Gladbachs als Mammut-Aufgabe, Sie übernahmen zum Beispiel die Reparatur der Busheizung aus der eigenen Tasche. Hatte man Ihnen den tatsächlichen Umfang der Verbindlichkeiten verschwiegen?
Bonhof: Ich wusste zumindest nicht, wie dramatisch die Zahlen waren. Die tatsächliche Höhe der Verbindlichkeiten kannten damals nur sehr wenige Personen im Verein. Es war ein Ausnahmezustand, der sich auch auf dem Platz wiederspiegelt hat. Dem Klub fehlte eine klare Linie, die Mannschaft hatte sich in der vorherigen Saison mit Ach und Krach vor dem Abstieg gerettet. Wir haben dann alles versucht, hatten anfangs auch gute Resultate, sind aber innerlich nicht zur Ruhe gekommen. Es ist nicht leicht, einer Mannschaft das Äußerste abzufordern, wenn viele Spieler schon mit anderen Vereinen in Kontakt stehen. Letztlich haben wir es nicht geschafft, das Ruder rumzureißen und mussten in die zweite Liga.
SPOX: In der Sie nach drei Niederlagen zum Start von Hans Meyer abgelöst wurden...
Bonhof: Das war auch zu erwarten. Aufgrund des finanziellen Missstands mussten wir die Kosten in allen Bereichen extrem senken und 13 Spieler abgeben. Gleichzeitig haben wir aber nur bei Sebastian Deisler, Patrick Anderson und Jörgen Pettersson Ablöse-Einnahmen erzielen können. Der Etat war damit schon komplett erschöpft und mir blieben 13 der 26 ursprünglichen Spieler, mit denen wir den direkten Wiederaufstieg schaffen sollten.
SPOX: Für Sie ging es anschließend für ein Jahr nach Kuwait und anschließend nach Schottland. Brauchten Sie eine Pause von Gladbach und Deutschland?
Bonhof: Ich wollte zumindest erstmal etwas Abstand gewinnen und habe mir drei Monate lang kein Spiel von Borussia angeguckt. Dann kam das Angebot für Berti Vogts und mich aus Kuwait und später die Anfrage vom schottischen Verband, der alle Bereiche reformieren wollte. Also sind Vogts und ich nach Schottland gegangen.
SPOX: Nicht Ihr einziges Engagement auf der Insel. Für den FC Chelsea waren Sie rund zwei Jahre als Scout tätig. Welcher aktuelle Premier-League-Star verdankt seine Entdeckung Rainer Bonhof?
Bonhof: Gar keiner. (lacht) Chelsea war damals sehr gut aufgestellt, meine Aufgabe war es in erster Linie, sinnvolle Verstärkungen und Ergänzungen aus dem deutschsprachigen Raum zu scouten. Da waren Spieler wie Bastian Schweinsteiger oder Mario Gomez Thema, die aber zu fest in ihren Verträgen steckten. Als Roman Abramowitsch beim ersten großen Börsencrash viel Geld verlor, wurden 20 der insgesamt 36 Scouts entlassen, zu denen auch ich gehörte.
SPOX: Woraufhin Sie nach Gladbach zurückkehrten und einen Kreis schlossen, der mit jungen Jahren bei der legendären Herbergs-Mutti "Tante Titti" begann und nun in der Vizepräsidentschaft mündet. Warum zieht es Sie immer wieder an den Niederrhein?
Bonhof: Es hat mich ja nie wirklich weggetragen, im Gegenteil. Ich hatte immer im Kopf, mein Leben in Mönchengladbach zu Ende zu leben. Egal ob ich in Valencia, Köln, Kuwait oder England war, meinen Wohnsitz hier habe ich behalten, genauso wie den Kontakt zu meinen Freunden. Auch wenn ich unterwegs war, wusste ich stets, was sie machen und wo ich sie antreffe, wenn ich nach Hause komme. Die Bodenständigkeit dieser Region und dieses Vereins hat es mir immer angetan.
SPOX: Wenige Wochen vor Ihrer Rückkehr wurde Max Eberl neuer Manager und Hans Meyer übernahm erneut den Trainerposten. Können Sie sich noch an einige seiner recht unkonventionellen Maßnahmen erinnern, die Verpflichtung von "Libero" Thomas Galasek beispielsweise, mit denen er den Klassenerhalt schaffte?
Bonhof: Wir brauchten damals einfach dringend Stabilität im Mittelfeld, wo sich die Ballverluste durch überhastete Aktionen häuften. Hans hat dann gesagt, dass er Thomas noch aus Nürnberg kenne. Er sei zwar nicht der Schnellste, habe aber einen feinen Fuß und könne gute Bälle spielen. So überraschend war das Ganze für uns also nicht, wir haben Hans da vertraut. Im Nachhinein war es genau das richtige, einen Mann mit solcher Erfahrung zu holen.
SPOX: Danach ging es mit Michael Frontzeck weiter, der im Februar 2011 als Tabellenletzter von Lucien Favre abgelöst wurde.
Bonhof: Zunächst möchte ich nochmal auf die Situation von Michael Frontzeck zurückkommen, der mir in diesem Zusammenhang oft zu schlecht wegkommt. Michael hat damals auch einen guten Job gemacht, hatte aber wahnsinniges Pech mit Verletzungen, in der Innenverteidigung musste Woche für Woche improvisiert werden. Auch Logan Bailly unterliefen in der Saison einige Fehler, obwohl er in seiner Anfangsphase bei Gladbach tolle Leistungen zeigte. Wir waren immer von Michaels Arbeit überzeugt, entschlossen uns nach den Niederlagen gegen die direkten Tabellennachbarn Stuttgart und St. Pauli aber, der Mannschaft ein anderes Gesicht zu präsentieren.
SPOX: Warum fiel die Wahl nicht auf einen klassischen Feuerwehrmann?
Bonhof: Die Entscheidung pro Favre fiel nicht aus der Not, sondern war gut vorbereitet. Max Eberl hatte die Arbeit Favres in Berlin sehr genau verfolgt und wusste, dass seine Philosophie gut zu uns passen würde. Gleichzeitig kannte Favre die Liga und war notfalls auch bereit, mit uns in die zweite Liga zu gehen. Die Gespräche liefen dann auch recht zügig, innerhalb eines Nachmittags war alles unter Dach und Fach.
SPOX: Wie kann man sich ein solches Treffen vorstellen?
Bonhof: Durch Max' Vorarbeit bestand kein Zweifel an den Fähigkeiten des Mannes, der dir gegenübersitzt. Man muss viel eher herausfinden, ob er schon den entsprechenden Input deine Mannschaft betreffend hat. Lucien hat uns sofort das Gefühl vermittelt, die Liga und Mönchengladbach auch während seiner Pause weiter intensiv verfolgt zu haben. Die Entscheidung fiel dann nicht mehr schwer.
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