SPOX: Herr Bell, Sie sind das Gesicht der Amateurfußballkampagne des DFB, unter anderem, weil Sie selbst noch aktiv in Ihrem Heimatverein FV "Vilja" Wehr tätig sind - als Vorstandsmitglied. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Stefan Bell: Ich bin Beisitzer im Vorstand und habe unter anderem die Aufgabe, den Geschäftsführer ein wenig zu entlasten. Letztlich wirke ich bei der Organisation von Veranstaltungen mit oder kann dem Verein mit meinen Kontakten weiterhelfen.
SPOX: Sie packen aber auch mal selbst körperlich mit an.
Bell: Viele Sachen kann ich telefonisch oder per Mail aus Mainz koordinieren. Wenn es aber die Möglichkeit gibt, dass ich vor Ort sein kann, beteilige ich mich auch mal am Heckenschneiden, ja. (lacht)
SPOX: So intensiv beschäftigen sich heutzutage nur noch wenige Profispieler mit ihren Wurzeln. Vergisst man im Erfolg schnell, wo man herkommt?
Bell: Ich glaube nicht, dass es viele vergessen. Sicherlich verlieren aber einige den Bezug dazu, weil sie mit der Zeit womöglich keine Leute mehr kennen, die in den Vereinen spielen oder tätig sind. Bei den meisten ist die Entfernung zu ihren Heimatorten auch so groß, dass sie sich gar nicht mehr engagieren können, rein aus logistischen Gründen. Da habe ich mit der verhältnismäßig kleinen Distanz zwischen Wehr und Mainz deutlich mehr Glück.
SPOX: Abenteuerliche Plätze, Unmengen von Eisspray, wirkliche Dorfrivalitäten: Sie erleben das noch hautnah mit. Erhält der Amateur-Fußball in der breiten Öffentlichkeit aber nicht mehr genug Beachtung?
Bell: Oft wird vergessen, dass der Amateurbereich die Basis des gesamten fußballerischen Erfolgs in Deutschland ist. Der Profifußball rückt immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit, das wird jedes Jahr extremer. Man sollte auf jeden Fall daran erinnern, wo das alles herkommt. Dazu zählt natürlich auch unsere gute Jugendarbeit.
SPOX: Sie können ein Lied davon singen. Ihr A-Jugend- und auch späterer Bundesliga-Trainer hieß Thomas Tuchel. Was unterscheidet ihn von anderen Trainern?
Bell: Das Meiste, was über ihn gesagt und geschrieben wird, trifft es komplett auf den Punkt. Das Training ist nicht nur sportlich, sondern auch intellektuell sehr anspruchsvoll. In verschiedenen Übungen gibt es extrem viele Regeln - alles mit dem Hintergedanken, dass gewisse Muster auch am Wochenende verinnerlicht und übertragen werden, wenn man sie im Training immer wieder mit Einschränkungen übt. Er ist ein sehr akribischer Trainer mit einer klaren Philosophie. Der Begriff 'Fußballlehrer' trifft voll auf ihn zu.
SPOX: Nach Gastspielen in München und Frankfurt schafften Sie unter Tuchel den Durchbruch in der Bundesliga. Hatten Sie gerade in den ersten Jahren aber auch Zweifel daran, dass Sie sich in Mainz durchsetzen?
Bell: Es gibt immer schwierige Phasen, die aber auch dazugehören und einen prägen. Ich selbst hatte am meisten zu kämpfen, als ich aus Frankfurt zurückgekehrt bin und ein halbes Jahr verletzt war. Zu der Zeit war ich in Mainz erst einmal Innenverteidiger Nummer fünf. Das war eine Phase, in der es mental an die Substanz ging, weil ich es so nicht gewohnt war. Solche Wochen oder Monate muss man aber durchstehen. Letztlich hat es für mich ein gutes Ende genommen.
SPOX: Dabei waren Sie schon bekannt, bevor Sie den Sprung in die Bundesliga schafften: Vor Ihrer Leihe zu 1860 gab Inter Mailand ein Angebot für Sie ab. Christian Heidel wollte Ihnen sogar die Freigabe erteilen, wenn Sie sich für einen Wechsel entschieden hätten. Warum sind Sie in Deutschland geblieben?
Bell: Mit 18 Jahren ist es eine schwierige Entscheidung, ins Ausland zu gehen. Zudem ist es ein Unterschied, ob man nach England geht, wo man sich aufgrund der Schulbildung verständigen kann, oder ob man nach Italien wechselt, wo man in den ersten drei bis sechs Monaten wahrscheinlich gar nichts versteht. Es gibt das große Risiko, dass man dort den Anschluss nicht findet.
SPOX: Die Sprache war vermutlich aber nicht der einzige Grund?
Bell: Nein, das waren mehrere Aspekte. Bei Inter hätte ich wohl auch erst einmal in der zweiten Mannschaft gespielt. Außerdem gibt es in Italien die Sitte, dass viele Jugendspieler in die zweite Liga verliehen werden, zum Teil zweimal pro Saison oder vier-, fünfmal hintereinander an verschiedene Vereine. Das wollte ich nicht, zumal ich mich in Mainz auch sehr wohl gefühlt habe.
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SPOX: Immerhin hieß der Trainer dort Jose Mourinho. War das nicht Argument genug?
Bell: Ich bin nicht der Typ, der wegen eines Namens irgendwohin wechselt. Darüber hinaus ist er im Sommer nach dem Champions-League-Titel auch gegangen. Wäre ich nur wegen Mourinho gewechselt, hätte ich viel falsch gemacht.
SPOX: Sie sind mittlerweile ein gestandener Bundesliga-Spieler. Könnten Sie sich heute eher für das Abenteuer Ausland begeistern?
Bell: Mehr als vor vier oder fünf Jahren. Im Moment gefällt es mir aber, in der Bundesliga zu spielen, und ich verspüre nicht die ganz große Lust, ins Ausland zu wechseln. Man weiß nie, wie es sich entwickelt. Das hängt auch immer speziell von den Angeboten ab, da muss alles passen. In Mainz bin ich aber sehr zufrieden und es gibt nicht viele Ligen, die für mich sportlich interessanter wären.
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