Als Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang im Sommer 2013 für 13 Millionen Euro vom AS St. Etienne zu Borussia Dortmund wechselte, war deutschlandweit nicht wirklich klar, welche Art Spieler sich der BVB da geangelt hatte. Was man prompt vielmehr erfuhr, waren Episoden aus dem Leben einer schillernden Persönlichkeit.
Schnelle Autos, bunte Frisuren, extravaganter Kleidungsstil, mit Svarovski-Kristallen verzierte Fußballschuhe - die Klischeekiste war prall gefüllt. Offen blieb zunächst die Frage, ob ein solcher Paradiesvogel als möglicher Nachfolger des damals bereits abwanderungswilligen Robert Lewandowski gereichen kann.
Seitdem sind rund 30 Monate vergangen, an diesem Donnerstag ist Aubameyang als erster Bundesliga-Profi überhaupt zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt worden. Der gabunische Nationalspieler hat sich damit einen lange gehegten Traum erfüllt. Ein ganzer Kontinent blickt nun voller Stolz auf seinen Botschafter.
Aubameyang 2015: 48 Spiele, 41 Tore
Aubameyang befindet sich damit zu Jahresbeginn 2016 auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere. In den vergangenen zwölf Monaten, vor allem aber im letzten halben Jahr unter Trainer Thomas Tuchel, hat der 26-Jährige eine ungeheure Leistungsexplosion hingelegt. Sein Arbeitsnachweis im vergangenen Jahr: 41 Tore und zehn Vorlagen in 48 Pflichtspielen (davon 27 Treffer in 27 Partien unter Tuchel).
Aubameyang hat sich in Dortmund beinahe beispielhaft entwickelt. Trotz 13 Toren verlief sein erstes Jahr in Deutschland noch etwas wacklig. Der damalige Coach Jürgen Klopp ließ Aubameyang angesichts der Anwesenheit von Lebensversicherung Lewandowski meist über die Flügel angreifen. Dort kam der Gabuner allerdings nur schleppend zu Recht, seine Defizite in der Rückwärtsbewegung und mit der grundsätzlichen Adaption des Dortmunder Spielstils waren offensichtlich.
Aubameyang taugte zu jener Zeit aufgrund seines Tempos lediglich als Zielspieler, für die kleinteilige Arbeit gerade gegen tief stehende Mannschaft fehlten ihm Präzision und Konzentration.
Abgehoben und bodenständig
"Ich glaube, dass es im zweiten Jahr besser wird, weil ich viele Dinge, die der Trainer verlangt, nun verstanden habe. Ich kenne jetzt die Abläufe in der Bundesliga und habe mich an das Niveau gewöhnt", sagte Aubameyang nach seiner ersten Saison.
Der Inhalt dieses Statements vermochte sicherlich nicht zu überraschen, doch wie sehr sich der Angreifer seitdem tatsächlich gesteigert hat, muss als bemerkenswert festgehalten werden. Denn auch wenn seine knalligen Outfits, die umlackierten Nobelkarossen oder seine kindliche Freude beim Torjubel abgehoben daher kommen können, ist Aubameyang vor allem eines: ein seriös arbeitender, lernwilliger und bodenständiger Profi.
Seine äußere Erscheinung steht bisweilen im Gegensatz zu seinem eher schüchternen, sensiblen Charakter. In Pressegesprächen ist Aubameyang manches Mal kaum zu verstehen, so leise flüstert er seine Worte in die Mikrofone. Private Eskapaden sind von ihm nicht bekannt, Aubameyang verbringt große Teile der Freizeit im Kreise seiner Familie.
Professionalität und Lebensfreude
"Er hat etwas, was wir sonst nicht haben", sagt Tuchel. Es dürfte in erster Linie die Mischung aus Professionalität und Lebensfreude sein, die der Dortmunder Coach meint. Aubameyang strahlt eine permanente Lockerheit aus, meist gepaart mit einem Lächeln auf den Lippen.
Diese Eigenschaften hindern ihn jedoch nicht im Geringsten daran, sich sportlich auf seine Aufgaben zu fokussieren und konstant Leistung abzuliefern. "Das ist ein Teil seiner Persönlichkeit", sagt Tuchel über die Fröhlichkeit seines Stürmers, "aber es steckt eben auch viel Arbeit dahinter. Das ist ein anderer Teil seiner Persönlichkeit."
Dass sich Aubameyang von Jahr zu Jahr so entwickelte, seit er von der taktisch bisweilen beschränkten Ligue 1 in die Bundesliga wechselte, hat aber auch einen weiteren Grund: der Dortmunder Kabinen-DJ fühlt sich privat in der Stadt angekommen.
Aubameyang schenkt Rekord her
"Dortmund ist meine zweite Heimat geworden. Ich fühle mich sehr wohl hier", erklärt Aubameyang. Wichtiger Zusatz: "Die Menschen akzeptieren mich so wie ich bin." Er ist in der französischen 50.000-Einwohner-Kleinstadt Laval aufgewachsen ist und weiß einzuschätzen, welche Rolle Wärme und Unterstützung innerhalb der persönlichen Umgebung spielen können.
Seine Beliebtheit bei den Menschen im Ruhrpott ist allerdings nicht nur auf seine herausragende Torquote, mit der er sich mittlerweile in die Top 10 der Dortmunder Rekordtorschützen geschossen hat, zurück zu führen. Der Spieler Aubameyang ist ein echter Kämpfer, jemand, der auch in den Schlussminuten noch Sprints anzieht und gierig bleibt. Und jemand, der trotz offen zur Schau getragener Egozentrik sehr mannschaftsdienlich agiert.
Exemplarisch dafür steht die Partie am 9. Spieltag in Mainz, als Aubameyang zwei Mal in aussichtsreicher Schussposition auf seine Mitspieler ablegte und Marco Reus sogar einen an ihm verschuldeten Elfmeter überließ, obwohl der Stürmer mit einem weiteren Tor in elf aufeinanderfolgenden Bundesligapartien getroffen und einen uralten Rekord gebrochen hätte.
Tuchel: "Messlatte für alle"
"Ich bin begeistert von seiner Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und dafür auch sein Ego hinten anzustellen. Sein Hunger, seine Ausstrahlung und die Torgefahr sind vorbildlich. Er ist damit die Messlatte für alle", schwärmte Tuchel.
Unter ihm ist Aubameyang ein weiterer Schritt nach vorne gelungen. Weg von der Eindimensionalität, nur dann torgefährlich zu sein, wenn er seine Gegenspieler zuvor im Sprint abgehängt hat.
Aubameyang agiert nun taktisch flexibler: er läuft gefährlich an, bewegt sich effizient im Spiel gegen den Ball, kombiniert leichtfüßiger, findet auch über die Flügel gute Laufwege in die Tiefe und beweist innerhalb des Strafraums eine sagenhafte Kaltschnäuzigkeit.
Durch seine Leistungen im letzten halben Jahr kratzt Aubameyang immer mehr am Prädikat "Weltklasse", zahlreiche internationale Top-Klubs haben bereits interessiert den Finger gehoben. Um aber vollends in diese Kategorie aufzusteigen, braucht es auch künftig genau das, was ihn bis hierhin gebracht hat: Konstanz.
Aubameyang: "Ich habe kein Geheimnis"
Gerade auf seinem jetzigen Niveau gilt es zu beweisen, dieses auch dauerhaft halten zu können - unabhängig davon, ob Aubameyang im zweiten Halbjahr unter Tuchel wieder 27 oder doch "nur" 17 Tore gelingen.
"Jedes Tor gibt Selbstvertrauen. Ich habe kein Geheimnis, es ist einfach harte Arbeit", sagt Aubameyang. Ein beruflicher Aufenthalt in Spanien soll zu seinen Wünschen gehören, nach den zuletzt in England aufkeimenden Gerüchten schwor er seinem Arbeitgeber fürs Erste die Treue.
Die beiden Parteien befinden sich ohnehin in einer hervorragenden Ausgangsposition. Dortmund könnte dank eines bis ins Jahr 2020 unterschriebenen Arbeitspapiers richtig Asche mit Aubameyang machen. Der 47-fache Bundesligatorschütze hingegen muss seinen Lauf nur verlängern, um sich künftige Arbeitgeber aussuchen zu können.
Sollte es eines Tages tatsächlich soweit kommen, würde man anderenorts zumindest mehr über Aubameyang wissen, als es noch vor zwei Jahren in Deutschland der Fall war.
Pierre-Emerick Aubameyang im Steckbrief