Ändert ein Spiel wirklich alles? Der FC Bayern geht als klarer Tabellenführer ins Spitzenspiel bei Borussia Dortmund (Sa. 18.30 Uhr im LIVETICKER). Trotzdem scheint der Druck nach der Niederlage gegen Mainz auf den zu Münchnern liegen. Der BVB ist auf jeden Fall gewillt, seine Chance auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Meisterschaft zu nutzen.
Es dauerte bis zur letzten Antwort, ehe Pep Guardiola doch noch in sein Inneres blicken ließ und mit der ganzen Wahrheit um die Ecke kam. Die Frage, ob er trotz der Niederlage gegen Mainz diesem Abend auch etwas Positives abgewinnen könne, brachte ihn einige Sekunden ins Grübeln.
Er rollte mit den Lippen, fragte noch einmal nach, ob er auch wirklich alles richtig verstanden habe, zog die Augenbrauen nach unten, dann sagte er: "Sechs, sieben Spieler haben gut gespielt, mit großem Herz und großer Einstellung." Das heißt im Umkehrschluss, dass vier, fünf Spieler eben nicht die nötige Motivation für diesen Gegner gefunden haben.
Gegen Mainz fehlte vielleicht der letzte Schuss dieser Tugend, die die Bayern zuletzt immer ausgezeichnet hatte. Natürlich hätten die Bayern das Spiel bei besserer Chancenverwertung auch gewinnen können, aber verlieren hätten sie es eigentlich nie dürfen.
Doch das Defensivverhalten vor dem 1:2 war der sportliche Beleg für Guardiolas Ansicht. Douglas Costa und Juan Bernat vermieden an der Seitenlinie gegen Daniel Brosinski jeglichen Zweikampf. Julian Baumgartlingers Drehung um Arturo Vidal wurde auch nicht gerade vom unbedingten Willen des Chilenen gestoppt.
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Fußball ist kompliziert
Guardiola sieht sich bestätigt, dass die vierte Meisterschaft in Folge kein Selbstläufer ist. Die Niederlage sei ein "klares Signal" gewesen, dass die Einstellung über den weiteren Verlauf der Saison entscheide. "Die Leute haben schon im November gesagt, dass Bayern deutscher Meister ist. Ich habe immer gesagt, dass wir bis zur letzten Minute kämpfen müssen. Fußball ist kompliziert", sagte der Katalane.
Es ist eigentlich menschlich, in diesem Rhythmus, den die Bayern in allen Wettbewerben seit Jahren bis zum Schluss gehen, auch mal einen Durchhänger zu haben. Nur hatte man nach den Erfahrungen der letzten Jahre das Gefühl, die Bayern hätten sich von solch banalen Dingen frei gemacht. Sie fuhren maschinengleich ihre Ergebnisse ein.
Es kam also durchaus überraschend, dass die Einstellung nach der ersten Heimniederlage in dieser Saison zum Thema wurde. Denn eigentlich hatten die Münchner in Person von Kapitän Philipp Lahm eine Woche der Vorentscheidung ausgerufen. Mainz schlagen, Borussia Dortmund schlagen und mit elf Punkten zumindest schon mal vorsichtig den Deckel auf die Meisterschaft machen.
Fünf statt elf Punkte Rückstand
Doch der Mittwochabend hat den Aggregatszustand im Spitzenspiel verändert. Die Bayern spüren plötzlich Druck. "Wir dürfen in Dortmund nicht verlieren", sagte Karl-Heinz Rummenigge. So schnell geht das im Fußball.
Am vorigen Sonntagabend musste man sich schon mal mit dem Gedanken an ein recht bedeutungsloses Spitzenspiel anfreunden, als Hoffenheim seine Führung in Dortmund lange Zeit verteidigte, ehe die rote Karte gegen Sebastian Rudy das Spiel komplett veränderte. Eineinviertel Spiele später sind es nur noch fünf statt elf Punkte Abstand.
Nicht-Bayern-Fans und Neutrale hoffen auf ein noch engeres Rennen an der Spitze nach dem direkten Duell am Samstagabend. Nicht wenige sehen die Dortmunder zuhause jetzt sogar als Favorit. Doch hat dieser eine Spieltag wirklich alles verändert?
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Der nächste Festtag?
Borussia Dortmund hat am Mittwoch einen souveränen Sieg bei Darmstadt 98 gefeiert. Der Aufsteiger hat sich über die Saison als unangenehmer Gegner erwiesen, aber fast ausschließlich auswärts, zuhause geht bei den Lilien nicht viel (ein Sieg und Platz 17 in der Heimtabelle).
Ansonsten hat der BVB nicht nur überzeugende Spiele abgeliefert. Die Siege gegen Ingolstadt und Leverkusen wurden von gravierenden Fehlentscheidungen begünstigt. In Berlin gab es ein 0:0 und gegen Hannover einen knappen Arbeitssieg. Die beste Partie zeigten die Dortmunder in der Europa League zuhause gegen den FC Porto ab.
Auch die Bayern haben in der Rückrunde noch nicht den Esprit der Hinrunde. Mühsamen Siegen gegen Hamburg und Hoffenheim folgte ein 0:0 in Leverkusen, zuhause gegen Darmstadt hatten sie mehr Mühe als erwartet. Die Auswärtsspiele in Augsburg und Wolfsburg waren dagegen stark und souverän. Die beste Partie lieferten die Münchner aber ebenfalls im Europapokal ab: beim 2:2 in Turin.
Dass beide Teams an den Festtagen in Europa überzeugten, lässt auf ein hochklassiges Spitzenspiel hoffen, das auch wieder beste Werbung für die Bundesliga sein dürfte.
Dortmund ebenfalls unter Druck
Ein bis zum letzten Spieltag spannender Zweikampf würde der Liga nach Jahren der Dortmunder und Münchner Dominanz mal wieder guttun. "Wir wissen es, und die Bayern wissen es: Wenn wir am Samstag gewinnen, wird es nochmal eng", sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel. "Es ist die Konstellation, die wir uns gewünscht haben." Mats Hummels versprach eine brennende Hütte und ein geiles Spiel.
Die Dortmunder haben Lunte gerochen, sie wissen aber auch, dass bei einer Niederlage das Titelrennen ganz schnell wieder vorbei sein könnte. Der Druck auf Dortmund ist also nicht wirklich geringer als der auf die Bayern, nur fühlt er sich im Moment eher positiv an.
Schneller als gedacht, sehen die Dortmunder die Möglichkeit den Wunsch ihres Geschäftsführers Hans-Joachim Watzke in die Tat umzusetzen. "Wenn wir ein gutes Jahr spielen, haben wir zumindest sportlich die Chance, einmal heranzukommen. Allerdings wäre dafür die Voraussetzung, dass die Bayern wieder einmal schwächeln", sagte Watzke bei bundesliga.de. "Bloß geschieht das seit einigen Jahren überhaupt nicht mehr. Sollte dieser Fall aber doch einmal eintreten, möchte der BVB da sein." Samstag ist Showtime.
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