"Den Hype habe ich mir erarbeitet"

Loris Karius macht sich Hoffnungen auf die deutsche Nationalmannschaft
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Sie haben den Vergleich mit der Premier League. Man hat das Gefühl, dass der Torwart in England nicht so eingebunden ist, wie hier - zumindest spielerisch.

Karius: Bei den Top-Mannschaften kann eigentlich auch jeder Torwart gut kicken und Drucksituationen mit Übersicht lösen. Die Teams, die unten drin stehen, versuchen den technischen Nachteil eher durch lange Bälle und körperbetontes Spiel wettzumachen, das gilt auch für die Torhüter. Es ist ja aber nicht so, dass das nicht auch manche Bundesliga-Mannschaften in dieser Saison so machen und damit Erfolg haben. (lacht) Die Spielart und die Rolle einzelner Positionen hängt mehr von der jeweiligen Mannschaft als von der Liga ab. Das gilt auch für die Torhüter-Ausbildung.

SPOX: Wie sieht das konkret in Mainz aus? Hoffenheim trainiert seine Keeper unter anderem mit Tennisbällen. Arbeiten Sie und Ihr Torwarttrainer Stephan Kuhnert auch mit Inhalten aus anderen Sportarten?

Karius: Wir haben auch schon Tennisbälle aufs Tor geschossen. Dass man deshalb den Tennissport an sich einbezieht, glaube ich nicht. Wir versuchen immer wieder andere Dinge, um neue Reize zu setzen. Aktuell arbeiten wir viel mit einem Rebounder, von dem die Bälle zurückspringen. So etwas fördert extrem die Reaktionsfähigkeit.

SPOX: Oliver Baumann hechtet zuweilen mit Augenklappe, die Schweizer Nationalelf lässt ihre Torhüter mit Strobo-Brillen trainieren, die das Sehfeld beeinflussen, weil das das periphere Sehen verbessern soll. Wie stehen Sie zu diesem alternativen Training?

Karius: Wir haben auch schon Life Kinetic gemacht, eine Brille hatte ich bisher aber noch nicht auf. Ob man das richtig gut oder eben nicht so toll findet, hängt vermutlich auch stark vom Typ ab. Man kann bei diesen innovativen Trainingsmethoden nicht darauf schließen, dass sie jeden Torwart weiterbringen, nur, weil man in einem Verein davon überzeugt ist. Ich würde das Augenmerk im Training nicht ausschließlich darauf legen. Dauerhaft wäre ich kein Fan von Life Kinetic, ich hätte mich auch ohne sie weiterentwickelt.

SPOX: Wie bewerten Sie generell Ihre Entwicklung in Mainz? Als Sie hier ankamen, standen Sie im Konkurrenzkampf mit Heinz Müller, Christian Wetklo und Christian Mathenia. Thomas Tuchel schickte Sie vorübergehend sogar zur zweiten Mannschaft. Plötzlich warf man Sie ins kalte Wasser...

Karius: ...und seitdem hat mich keiner mehr verdrängt. Ich habe mich hier immer wohlgefühlt, weil mir alle Trainer das Vertrauen ausgesprochen haben. Natürlich musste ich mich anfangs mehr beweisen. Das ist aber normal: Es gab noch keinen Torwart, der nach seiner Premiere direkt unumstritten war. Nach dem ersten halben Jahr hatte ich gezeigt, dass ich in der Bundesliga bestehen kann. Danach gab es keinen Grund, mich in Frage zu stellen.

SPOX: Als Sie Ihren Vertrag in Mainz 2015 verlängerten, sagten Sie, es sei zwar eine Entscheidung des Herzens, aber keine einfache Entscheidung gewesen. Wieso nicht?

Karius: In so einer Situation hört man sich auch andere Angebote an, von denen man denkt, dass sie zu einem passen. Ich habe Mainz 05 aber zu verdanken, dass ich heute Bundesliga-Torwart bin. Zudem bin ich mit den Trainern sehr vertraut, die gemeinsame Arbeit ist super. Sportlich läuft es bei uns auch alles andere als schlecht. Deshalb wollte ich nicht zu früh schon wieder weiterziehen. Ich habe hier im Verein noch viele spannende Herausforderungen gesehen.

SPOX: Die letzte große Torwart-Ära in Mainz prägte Dimo Wache. Sie stehen seit 2012 wieder fest im Mainzer Kader, Ihr Arbeitspapier ist bis 2018 gültig. Befinden wir uns gerade in der Ära Karius?

Karius: Ich bin zwar schon eine Weile da, ab wann es aber eine Ära ist, sollen andere beurteilen. Wenn, dann hoffe ich, dass es eine gute ist. (lacht)

SPOX: Sie sagten mal, man mache sich als Profi einen Plan und versuche, den umzusetzen. Wie sieht Ihrer konkret aus?

Karius: Ich möchte in erster Linie verletzungsfrei bleiben. Bisher habe ich jedes Spiel absolviert - außer eins, das ich aufgrund einer Sperre verpasst habe. Natürlich wäre ich gerne mal bei der Nationalmannschaft dabei, um dort mein Debüt zu geben. DFB-Team und Champions League wären schön, davon träumt sicherlich jeder. Ich denke, ich bin den Zielen in den letzten beiden Jahren wieder ein Stück weit näher gekommen.

SPOX: Wie sehen Sie sich selbst im Vergleich zu den anderen deutschen Torhütern, die ebenfalls Aussichten auf die Nationalmannschaft haben?

Karius: Verstecken muss ich mich nicht. Der eine oder andere hat vielleicht noch ein besseres Standing, aufgrund seines Vereins oder seiner internationalen Erfahrung. Ich versuche, mich durch gute Leistungen auf die gleiche Ebene zu stellen. Vielleicht reicht es irgendwann ja wirklich zur Nominierung.

SPOX: Haben Sie das Gefühl, man legt beim DFB großen Wert auf die internationale Erfahrung im Verein?

Karius: Ich persönlich finde, man darf diesen Aspekt nicht überbewerten. Schließlich gibt es auch Fälle, in denen ein Verein international spielt und nach sechs Spielen ist es aber schon wieder vorbei. Dann bestreitet der Torwart über ein halbes Jahr lang auch keine internationalen Spiele. Ich bezweifle, dass einen diese wenigen Partien wirklich so weit nach vorne bringen. Wie die Trainer das beim DFB genau sehen, weiß ich nicht. Von daher zerbreche ich mir nicht den Kopf darüber.

SPOX: Also gibt es aktuell keinen Kontakt zum DFB? Sie haben immerhin die U-Nationalmannschaften durchlaufen.

Karius: Ich tausche mich gelegentlich mit Klaus Thomforde aus, dem Torwarttrainer der U21. Nach oben gab es aber noch keinen Kontakt. Darüber bin ich aber nicht enttäuscht. Ich bin immerhin erst 22.

SPOX: Durch Ihre guten Leistungen in den vergangenen Monaten ist schon fast ein kleiner Hype um Sie entstanden. Wie nehmen Sie das wahr?

Karius: Das freut mich natürlich, den Hype habe ich mir im Endeffekt aber auch erarbeitet. Es ist zwar ein banaler Spruch, aber von nichts kommt nichts. Ich arbeite jeden Tag hart dafür, ein guter Torwart zu sein und auch als solcher wahrgenommen zu werden.

SPOX: Das tut man nicht nur in Deutschland, auch auf der Insel hat man Sie offenbar wieder auf dem Schirm.

Karius: Ich habe mal gesagt, dass es ein Traum wäre, irgendwann noch einmal dort zu spielen. Das reizt mich nach wie vor. Das heißt aber nicht, dass mich mein nächster Schritt automatisch nach England führt. Sollte ich mich irgendwann neu orientieren wollen, muss ich das Gefühl haben, dass alles perfekt passt. Da gibt der Verein den Ausschlag, nicht die Liga.

Loris Karius im Steckbrief

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema