"Zu viele Leute beeinflussen Kind"

Michael Frontzeck trat am 21. Dezember 2015 als Trainer von Hannover 96 zurück
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Frontzeck: In den ersten fünf Wochen hat sich gezeigt, wie erfolgreich man gemeinschaftlich arbeiten kann, wenn Mannschaft, Staff, Klubführung und Zuschauer auf einer Linie sind und mitziehen. Ich bin ja nicht der goldene Reiter, der so etwas im Alleingang schafft. Nachdem der Verbleib in der Bundesliga gesichert wurde, war mit Dirk Dufner der Sportdirektor aber so gut wie entlassen und einen Trainer für die neue Saison gab es auch nicht.

SPOX: Sie haben aber kurz nach dem geschafften Klassenerhalt verlängert.

Frontzeck: Genau. Wir betraten nach der Rettung dann jedoch ein Transferfeld, das um diese Zeit schon lange abgegrast war. Zudem haben wir tragende Spieler wie beispielsweise Lars Stindl verloren. Als Hannover 96 ist man chancenlos, wenn man einen solchen Spieler eins zu eins ersetzen möchte. Wir hatten nur wenige Wochen Zeit, die Saison zu planen.

SPOX: Eine Kaderplanung ist doch aber vielmehr ein fließender Prozess über eine gesamte Saison hinweg, hatte man nicht zweigleisig geplant?

Frontzeck: Doch, Dirk hatte natürlich frühzeitig zu Spielern Kontakt aufgenommen, die dem Klub auch gut getan hätten. Als 96 aber im Laufe der Saison immer tiefer nach unten gerutscht ist, haben sich diese Spieler für andere Angebote entschieden. Wir haben trotz des schwachen Saisonstarts mit einem Punkt aus zwei Spielen dann beschlossen, in der letzten Woche des Transferfensters nicht mehr aktionistisch zu reagieren.

SPOX: Stattdessen wollte man bis in den Winter mit möglichen Neuzugängen warten.

Frontzeck: Klar, zumal sich Ende August die Situation auf dem Transfermarkt für uns nicht unbedingt verbessert hatte. Außerdem war es in meinen Augen sinnvoller abzuwarten, bis die neuen Strukturen mit Geschäftsführer Martin Bader und dem sportlichen Leiter Christian Möckel Einzug erhalten haben, um dann mit mehr Vorlauf im Winter bessere Chancen zu haben und nicht innerhalb weniger Tage aus purem Populismus heraus das Geld auf den Markt zu werfen. Das war für den Klub letztlich auch die einzige Möglichkeit. Ich habe mich dadurch in den Wind gestellt.

SPOX: Und Ihr Schicksal schien so gut wie besiegelt...

Frontzeck: Es war ein Wahnsinn, wie diese Vorgänge dann hingestellt wurden. Uns wurde doch nicht Robert Lewandowski angeboten und ich habe abgelehnt. Dies alles führte dann aber dazu, dass ich in sehr regelmäßigen Abständen diese vermeintlichen Schicksalsspiele zu absolvieren hatte.

SPOX: Sie haben mit 96 zwar die schwächste Hinrunde seit 13 Jahren gespielt, lagen mit 14 Zählern aber nur einen Punkt von einem Nichtabstiegsplatz und fünf von Rang zwölf entfernt. Wieso also der Rücktritt nach den ersten 17 Partien?

Frontzeck: Es wurde einfach zu kompliziert, da eine unrealistische Erwartungshaltung aus dem Umfeld der Vereinsführung vorlag. Außerdem sollte nicht meine Person im Vordergrund stehen, sondern das Wohl des Vereins und das Lebenswerk von Martin Kind, der sehr viel für 96 getan hat. Es tut mir sehr leid, dass alle Missgunst nun auf seine Schultern geladen wird. Kurzum: die Situation war sehr ungesund und führte dazu, dass wir uns nach dem letzten Hinrundenspiel besprochen haben. Es war klar, dass die Diskussionen um mich bei einem missratenen Rückrundenauftakt wieder neu entflammen würden. Im Winter einen Schnitt zu machen war die beste Entscheidung für den Klub - und das war für mich entscheidend.

SPOX: Woraus besteht denn dieses Umfeld der Vereinsführung?

Frontzeck: Das ist ganz schwer zu greifen. Beim 1. FC Köln konnte dir jahrelang auch niemand sagen, woraus der Kölsche Klüngel besteht. In meinen Augen ist es fahrlässig, wenn Mitarbeiter und enge Vertraute von 96 in aller Öffentlichkeit interne Dinge diskutieren und darüber hinaus auch noch über andere Vereine und deren Trainer urteilen. Es gibt letztlich zu viele Leute, die um Martin Kind herumschwirren, ihm ständig in den Ohren liegen, alles besser wissen und ihn auf bestimmte Art und Weise beeinflussen. Dass das am Ende für die Medien dann auch ein gefundenes Fressen ist, ist doch klar.

SPOX: Welche Rolle spielte die Meldung der Hannoverschen Neue Presse am Vorabend Ihres Rücktritts, in der behauptet wurde, dass man Sie am nächsten Tag entlassen würde?

Frontzeck: Das hat mich nicht interessiert. Ich habe das mitbekommen, aber es war nicht wesentlich für meine Entscheidung. Das war eine absolut saubere Trennung.

SPOX: Glauben Sie, dass Sie eine solche Entscheidung auch vor fünf oder acht Jahren hätten treffen können?

Frontzeck: Nicht auf diese rationale Art im Sinne des Vereins. Das ist eine Entwicklung, die ich im Laufe der Zeit gemacht habe und zeigt, dass man niemals aufhört zu lernen. (lacht)

SPOX: Ihr erster Job als Cheftrainer von Alemannia Aachen liegt bald zehn Jahre zurück. Was hat sich seitdem verändert, wenn Sie gerade Ihre Zeit in Hannover als Vergleich heranziehen?

Frontzeck: Es wird einem Trainer keine Zeit mehr gegeben und deshalb wird es immer schwerer, langfristige Entwicklungen voran zu treiben. Jupp Heynckes hat mal gesagt, er bräuchte fünf Jahre, um Borussia Mönchengladbach Anfang der 1980er Jahre wieder dorthin zurück zu führen, wo man während der glorreichen Siebziger war. Das wurde damals als Antwort vollkommen akzeptiert und erschien jedem sinnvoll. Heute bekommt man fast keine fünf Monate mehr, da alles extrem schnelllebig und populistisch veranlagt ist. Es kommt mittlerweile vor, dass man als Trainer Dinge tut oder tun muss, die eigentlich gegen die eigene Überzeugung gehen - nur, um über einen längeren Zeitraum Ruhe zu haben - das widerspricht jedoch meiner Wertvorstellung.

SPOX: Welche Entwicklung auf dem Spielfeld ist Ihnen besonders suspekt?

Frontzeck: Mich stört diese Theatralik massiv. Da wird es ja bisweilen schon richtig komisch für Gegner, Schiedsrichter und Zuschauer. Man muss doch wissen, dass die Kameras alles einfangen. Dass sich da keiner selbst peinlich vorkommt, ist mir wirklich ein Rätsel. Wahrscheinlich wird bald das Kopfballspiel abgeschafft, da es kaum noch Spieler gibt, die sich nach einem Luftduell nicht den Kopf halten, als hätten sie sich gerade einen Schädelbasisbruch zugezogen. (lacht)

Michael Frontzeck im Steckbrief

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