Kontrollverlust im Transfersog

Sein erstes Bundesligaspiel für Borussia Dortmund bestritt Mats Hummels im Februar 2008 in Cottbus
© getty

Nach achteinhalb Jahren bei Borussia Dortmund schließt sich Kapitän Mats Hummels zur kommenden Saison dem FC Bayern München an. Hummels' Wunsch, der BVB solle bei einem Wechsel finanziell kräftig davon profitieren, ging in Erfüllung - eine andere Hoffnung jedoch nicht.

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"Ich bin derzeit in einer Phase der Entscheidungsfindung und denke viel nach", sagte Mats Hummels Ende März 2015. "Es gibt viele Dinge, die ich gern machen möchte. Eine der Sachen ist, länger in Dortmund zu bleiben und das, was wir gerade aufbauen, weiter mitzuführen. Oft denke ich, dass ich auf jeden Fall mal ins Ausland möchte. Dann gibt es aber auch Tage, an denen ich sage, dass ich das nicht brauche. Grundsätzlich glaube ich aber, dass einem das Ausland sowohl in der fußballerischen wie auch der persönlichen Entwicklung guttun wird."

Borussia Dortmund hatte in jener Phase gerade den kritischen Punkt überwunden und war dabei, aus einer katastrophalen noch eine erträgliche Saison zu machen. Dass sich Hummels mit seiner Zukunft auseinandersetzen würde, kam damals nicht überraschend. Seine Aussagen schienen aber bewusst platziert.

Hummels' Anliegen war es eben, seine Gedankengänge offenzulegen. Er wollte nach sieben Jahren beim BVB Ehrlichkeit vorleben und für Verständnis werben, dass ihm die eigene Zukunftsplanung durchaus quer im Magen liege. "Ich warte auf den Tag, an dem ich aufwache und weiß, was ich machen möchte", verriet er.

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Eine Hummels-Passage brennt sich ein

Seit diesen Sätzen ist ein gutes Jahr vergangen. Der Tag, auf den Hummels wartete, ist mittlerweile gekommen. Hummels hat sich dazu entschlossen, ab Juli 2016 für den FC Bayern aufzulaufen. Neben allen offensichtlichen sportlichen Gründen war es noch nie ein Geheimnis, wie sehr Hummels auch die Stadt München, in der er aufgewachsen ist und seine ersten Schritte als Fußballer ging, am Herzen liegt.

Hummels betonte in seinen Interviews während der vergangene Jahre häufig, dass es ihm nicht darum gehe, eines Tages den Versuchungen eines großen und finanzstarken Vereins zu erliegen.

Am meisten brannte sich dabei eine Passage ein, mit der er auf die Frage nach ausbleibenden Titelgewinnen in Dortmund reagierte: "Ich spiele gern Fußball, am liebsten den Fußball, der zur mir passt. Ich würde einen Champions-League-Titel mit dem BVB sechs mit einem anderen Verein vorziehen."

Hummels hat stark mit sich gerungen

Diese vermeintlich romantische Ansicht war und ist Hummels eindeutig abzunehmen. Er hat sich seine Entscheidung absolut schwer gemacht und besonders auf der Zielgeraden stark mit sich gerungen. Doch neben den nun ausschlaggebenden familiären Verbindungen haben sich auch die sportlichen Dimensionen mit den Jahren weiter verschoben.

Ein Dortmunder Champions-League-Sieg wirkt weiter unrealistisch, die historische Chance, die Europa League zu gewinnen hat der BVB selbstverschuldet weggeworfen, in den letzten drei Spielzeiten gingen drei Endspiele verloren. Es ist demnach nachvollziehbar, wenn Hummels den letzten großen Vertrag seiner Karriere an einem anderen Ort erfüllen möchte.

Vor einiger Zeit äußerte sich der Dortmunder Kapitän auch zum Szenario eines möglichen Abgangs vom BVB. Hummels betonte dabei, der Borussia im Falle des Falles zu einer hohen finanziellen Entschädigung verhelfen zu wollen. Sein Klub solle von einem Wechsel kräftig profitieren.

Hummels wird Bestandteil einer Posse

Dieser Wunsch ging nun in Erfüllung, die Bayern zahlen dem Vernehmen nach 35 Millionen Euro an die Westfalen und machen Hummels damit zum teuersten europäischen Spieler, der ein Jahr vor Vertragsende transferiert wird.

Was allerdings gehörig schief ging, wenn man die vergangenen vier Wochen Revue passieren lässt: Seine eigentlich vorbildliche Offenheit reichte Hummels nicht aus, um dem Wechsel Brisanz und Hektik zu nehmen und in seiner zweiten Heimat Dortmund Verständnis für seine Entscheidung zu erzeugen.

Stattdessen wurde Hummels in den letzten vier Wochen Bestandteil einer boulevardesk anmutenden Posse, die täglich neue Drehungen und Wendungen parat zu haben schien und deren Nerv-Potenzial sich beinahe stündlich erhöhte.

Geht er wirklich oder bleibt er doch?

Nachdem durch die Ad-hoc-Meldung des BVB Hummels' Gedankengänge publik wurden, hagelte es nur Tage später keine Dankbarkeit, sondern bitterböse Pfiffe der eigenen Fans. Anschließend musste Hummels die Äußerungen von Bayerns Uli Hoeneß als Humbug abkanzeln, nachdem dieser auf einer handelsüblichen PR-Veranstaltung suggerierte, der 27-Jährige habe sich dem Rekordmeister angeboten. Derart deutlich hatten zuvor noch nicht viele eine Hoeneß-Attacke gekontert.

Als kurz darauf auch noch ein Video öffentlich wurde, in dem der in seinem Auto sitzende Hummels vor BVB-Fans die Entwicklungen der letzten Tage einzuordnen versuchte und mit Blick auf die Vorab-Meldung des Vereins von einer "Drecksmitteilung" sprach, war klar: Hummels befindet sich inmitten des längst gängigen Transfersogs, er hat keine Kontrolle mehr über die Abfolge der Ereignisse. Geht er wirklich oder bleibt er doch? Wie in einem Spielfilm schien das Ende plötzlich offen.

Auf seine sportlichen Leistungen hatte dieser Schwebezustand zwar keine Auswirkungen, dass er Hummels aber merklich gegen den Strich ging, war unübersehbar. Ein solches Szenario hätte er sich wohl nicht träumen lassen, wenn er eines Tages den BVB verlässt.

Erinnerungen an Götzes Abgang

Es mag daher sicherlich ein Stück weit naiv gewesen sein, zu denken, ein Transfer zwischen Bayern und Dortmund könne halbwegs geräuschlos über die Bühne gehen. Zu spüren, dass seine Entscheidung trotz aller "Vorkehrungen" Erinnerungen an Mario Götzes plötzlichen Abgang weckte, dürfte Hummels aber mehr als vieles andere gewurmt und überrascht haben.

Hummels' Dortmunder Zeit in der Bundesliga wird am kommenden Samstag acht Jahre und drei Monate nach seinem ersten Einsatz für den BVB mit dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln zu Ende gehen.

Eine Woche später im DFB-Pokalfinale, wenn er mit seinem aktuellen gegen den baldigen Verein antritt, werden alle Augen auf ihn gerichtet sein. Auch das dürfte weder Hummels, noch seinem aktuellen Arbeitgeber schmecken.

Glaube an BVB verloren?!

Diese Partie wird eine erste Antwort auf die Frage geben, die sich Hummels vor nicht allzu langer Zeit selbst stellte. "Ich habe ja vor der Saison gesagt, dass ich mir dieses Jahr erst einmal anschauen möchte. Mit dem neuen Trainer und dem nicht ganz kleinen Anteil an Wechseln im Kader. Für mich ist wichtig zu sehen, wie gut wir sind und wie gut wir in Zukunft sein können", so Hummels damals.

Den Glauben daran, der unter Thomas Tuchel neu ausgerichtete BVB werde dem Branchenführer aus München künftig wieder wie zur Dortmunder Glanzzeit zwischen 2010 und 2013 deutlicher auf die Pelle rücken, hat Hummels in den vergangenen Monaten offenbar Stück für Stück verloren.

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