Am Samstag entscheidet sich im direkten Duell zwischen Werder Bremen und Eintracht Frankfurt, welches Team den Klassenerhalt sicher hat, wer in die Relegation muss - oder vielleicht sogar direkt absteigt. SPOX hat mit Ex-Eintracht-Spieler Maik Franz und dem ehemaligen Werder-Keeper Andreas Reinke über die Hoffnung auf den Klassenerhalt, die Schlüsselspieler für das Saisonfinale und die beste Zeit für Helden gesprochen.
SPOX: Herr Reinke, warum bleibt Werder in der Liga?
Andreas Reinke: Mit dem Teamspirit der letzten Spiele, dem positiven Umfeld und der Entschlossenheit gepaart mit dem unbändigen Siegeswillen ist Werder gegen die Eintracht Favorit. Dazu müssen Sie aber das komplette Programm abrufen. Wenn Werder nicht nur engagiert, sondern auch sachlich spielt, werden sie das Ding für sich entscheiden. Für Spiele mit so einer Spannung lieben wir die Bundesliga, sonst wäre es ein Stück weit langweilig. Insgesamt bin ich sehr optimistisch, aber es geht nicht um Leben und Tod.
SPOX: Wie erwarten Sie die Eintracht?
Reinke: Frankfurt hat eine sehr gefährliche Mannschaft. Angesichts der Konstellation könnte die Eintracht verhaltener beginnen und auf die Reaktion von Bremen warten. Dann darf Werder nicht blind in das offene Messer laufen. Grundsätzlich hat Werder mehr Druck, weil sie daheim spielen und den Fans etwas zeigen müssen.
SPOX: Herr Franz, was spricht für die Eintracht?
Maik Franz: Neben der besseren Ausgangsposition reist die Eintracht mit drei Siegen am Stück mit mächtig Rückenwind an die Weser. Frankfurt ist auf einem guten Weg zum Klassenerhalt und hat zum richtigen Zeitpunkt die Wende geschafft. Das merkt man den Spielern auf dem Platz auch an: Sie kämpfen mit erhobenem Haupt um jeden Zentimeter und wollen den Gegnern keinen Grashalm schenken. Das ist der Schlüssel für den Klassenerhalt. Es passt zum Slogan der Eintracht in den Sozialen Medien: #aufjetzt. Überhaupt herrscht in Frankfurt eine positive Energie - deswegen packt's die Eintracht.
SPOX: Gibt es auch Aspekte, die Sie zweifeln lassen?
Franz: Werder hat gegen Stuttgart ein Ausrufezeichen gesetzt und damit gezeigt, was für ein Potenzial sie im Kader haben. Außerdem werden rund 40.000 Bremer Zuschauer ihr Team 90 Minuten lang nach vorne peitschen. Bei der Eintracht wird wahrscheinlich auch nicht alles rund gelaufen sein, wenn man am Ende der Saison unten drin steht ist das ein oder andere schief gelaufen. Aber ich bin nicht in der Position, mir aus der Ferne ein Urteil bilden zu dürfen. Ich bin mir sicher, dass die Eintracht zu 100 Prozent die Klasse hält. Nach der Saison wird man bestimmt die Fehler analysieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.
SPOX: Was ist bei Werder falsch gelaufen?
Reinke: In Bremen ist es ein schleichender Prozess. Seit Jahren wollen die Bremer Sachen machen, die außerhalb ihrer Kragenweite liegen. Das erinnert mich an Kaiserslautern - und wir wissen alle, wo das jetzt geendet hat. In der laufenden Saison summieren sich bei Bremen die kleinen Fehler. Für mich ist der entscheidende, dass Werder zwar eine junge und euphorische Mannschaft hat, die Taktik des Trainers aber nicht zu 100 Prozent auf dem Platz umgesetzt werden kann.
SPOX: Gehen wir mal vom Worst Case aus. Was würde der Abstieg für Ihre Vereine bedeuten?
Reinke: Nach dem Spiel würde natürlich erstmal nur Traurigkeit und Fassungslosigkeit herrschen und die Fans hätten wenig Verständnis. Es könnte sogar zu Tumulten kommen. Betrachtet man aber die Gesamtsituation, kann so ein Schritt in gewisser Hinsicht auch eine Befreiung sein. Der Gürtel muss zwar enger geschnallt werden, das gesamte Ärgernis wäre aber endlich mal vorbei und nach einem reinigenden Gewitter kann sich der Verein neu aufstellen.
Franz: Selbst in der Kreisklasse sind die Spieler angespannt, wenn es um den Aufstieg oder gegen den Abstieg geht. In der ersten Liga steckt aber viel mehr dahinter. Als Spieler trägt man die Hauptverantwortung dafür, ob der Verein erstklassig spielt und damit ist der Spieler für Arbeitsplätze verantwortlich. Ich fand Großkreutz' Reaktion nach der Niederlage gegen Mainz vorbildlich, weil er seine Emotionen gezeigt hat. Da sieht jeder Zuschauer, welch immenser Druck auf den Spielern lastet. Sportlich gesehen wäre der Abstieg fatal, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse mit Sponsoren- und TV-Verträgen schlagartig reduzieren. Die 2. Liga ist im Gegensatz zur 1. Liga finanziell und sportlich ein brutaler Rückschritt und es stellt sich logischerweise die Frage, ob alle Spieler gehalten werden können.
SPOX: Ein Spiel bleibt beiden Teams, um den direkten Klassenerhalt zu schaffen. Mit welcher Einstellung geht man in ein so ein Finale?
Reinke: Auf der einen Seite will man solche Spiele vermeiden, aber das haben sich die Spieler im Laufe der Saison selbst eingebrockt. Auf der anderen Seite haben genau diese Duelle ihren Reiz, denn es herrscht absoluter Pokalcharakter. Wer so ein Spiel positiv entscheidet, nimmt einen großen Schub in die richtige Richtung für die neue Saison mit. Das kann das Team zusammenschweißen und die ohnehin schon gute Stimmung zum Kochen bringen. Da fährt man im Anschluss auch mal 14 Tage weg.
Franz: Das ist kein Spiel wie jedes andere, da herrscht Anspannung pur. Jeder, der etwas anderes sagt, ist ein kompletter Eisblock. Die ganze Stadt spricht nur über dieses Spiel. Die Meisterschaft ist schon entschieden und dementsprechend liegt der Fokus der Medien und neutralen Fans komplett auf diesem Match. Egal, ob man will oder nicht, jeder einzelne Spieler bekommt diese Aufregung vor dem Spiel mit, weil die Freunde und Familie einen damit ständig damit konfrontieren. Dieses Spiel hat sich in den Köpfen der Spieler festgefressen.
SPOX: Manche Spieler kommen mit so einer Drucksituation besser, manche schlechter zurecht. Wer sind die Schlüsselspieler von Werder?
Reinke: Claudio Pizarro ist so etwas wie der Ober-Chef und der X-Faktor von Bremen. Claudios positive Ausstrahlung kann die Kollegen ablenken und auf andere Gedanken bringen. Sein Spaß am Leben ist eine riesige Erleichterung für das ganze Team, das sonst sehr schnell verkrampfen würde. Daneben übernehmen natürlich Clemens Fritz und Felix Wiedwald wichtige Rollen. Felix hält die letzten Wochen überragend und hat so Selbstvertrauen gesammelt.
SPOX: Bei der Eintracht kehrte Leitwolf Alex Meier nach seiner Verletzung wieder ins Training zurück. Wie wichtig wäre zumindest ein Kurzeinsatz von ihm?
Franz: Es ist natürlich extrem bitter, wenn der amtierende Torschützenkönig verletzungsbedingt wegbricht. Mit Meier wäre die Eintracht bereits gerettet. Wenn Alex auf dem Platz steht, netzt er ein und geht mit Leistung voran. Sein Einsatz würde die Mannschaft pushen. Aber auch so gibt es mehrere Spieler, die Verantwortung übernehmen, wobei Stefan Aigner mit seinen Toren gegen Darmstadt und Dortmund derzeit sicher der heißeste Spieler ist. Aber auch Änis Ben-Hatira, der endlich mal das nötige Vertrauen des neuen Trainers spürt, blüht auf und hat sich zu einem wichtigen Faktor entwickelt. In der Abwehr wirft sich Marco Russ in den jeden Ball und sticht seit Wochen mit starken Leistungen hervor. Diese Spieler müssen am Samstag vorangehen und die jüngeren Spieler tragen. Diese Spieler müssen am Samstag vorangehen und die jüngeren Spieler tragen. In so einem Spiel zeigt sich auf jeden Fall, wer die Verantwortung übernehmen möchte und wer sich lieber versteckt. Nur wer sich etwas zutraut, kann in diesem Finale über sich hinauswachsen.
SPOX: Apropos Vertrauen. Bei der Eintracht wurde Niko Kovac als Feuerwehrmann für den Schlussspurt der Saison verpflichtet. Nach der Siegesserie hat man das Gefühl, dass der Verein alles richtig gemacht hat.
Franz: Das war eine herausragende Entscheidung, weil die Kovac-Brüder mit ihrer Erfahrung die Spieler erreichen und den Verein so nach vorne bringen können. Dabei war der Trainerwechsel ein großes Risiko, denn Kovac hatte mit Gladbach, Bayern und Leverkusen in den ersten Spielen sofort heftige Spiele, die ja auch verloren wurden - der Sog kann dich auch wegreißen. Aber die Message von Kovac ist angekommen und die Eintracht hat zum richtigen Zeitpunkt die Wende geschafft. Jetzt fehlt nur noch die Krönung.
SPOX: Auch eine Etage weiter oben steht ein Personalwechsel an. Wie entscheidend ist das Abstiegsduell für Suche nach einem Bruchhagen-Nachfolger?
Franz: Bei einem Abstieg muss man natürlich anders an die Sache herangehen und hat weniger Mittel zur Verfügung. Unabhängig von der Liga wäre der Eintracht zu wünschen, dass es Fredi Bobic wird. Er ist menschlich ein super Typ und hat bewiesen, dass er seinen Job als Manager versteht.
SPOX: Bei Werder stand Viktor Skripnik bereits mehrmals kurz vor der Entlassung. Trotzdem konnte er sich halten - die richtige Entscheidung?
Reinke: Viktor leistet eine sehr gute Arbeit. Man muss berücksichtigen, was er für ein Spielermaterial zur Verfügung hat und welche Unruhen im Umfeld eine ruhige Arbeit praktisch durchgehend unmöglich machen. Viktor verliert nie den Kopf und behält auch in dieser schwierigen Situation die Ruhe und hüpft an der Seitenlinie nicht wie verrückt durch die Gegend, wie es andere Trainer machen. Wegen seiner besonnen Art wurde die Mannschaft auch nur selten abgeschlachtet. Viktor hat seine Arbeit von Anfang an so durchgezogen wie er ist und lässt sich dabei von niemandem verbiegen. Ich habe das Gefühl, dass er von allen Seiten angepiekst wird und auch wenn viele auf ihm rumtrampeln, setzt er seinen Kopf durch. Auch wenn es nach außen immer wieder so wirkt, als ob er Kommunikationsprobleme hätte, ist das nicht so. Besonders intern macht das nichts aus. Im Training ist es einfacher, seine Vorstellungen zu vermitteln.