Der Durchschnittsfußballer will für gewöhnlich ja nichts von Politik wissen, nichts zur Politik sagen und die Existenz der Politik am liebsten ganz negieren. Mario Gomez befasste sich in den vergangenen Wochen aber sehr intensiv mit der Politik, der türkischen nämlich. Und er wird sie verteufelt haben.
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Gerade hat Gomez wohl mit die beste Saison seiner Karriere gespielt. Seit seinem Weggang vom VfB Stuttgart konnte er sich bei Besiktas Istanbul - trotz all den Treffern beim FC Bayern - erstmals wieder in vollem Ausmaß entfalten. Er stand im Mittelpunkt. Gomez wurde mit 26 Treffern Torschützenkönig der Süper Lig, er wurde Meister mit seinem Verein und dann das: Putschversuch in der Türkei, besorgniserregende Szene als Reaktion darauf.
Gomez wollte weg. "Der Grund dafür ist ausschließlich die politische Situation, einzig und allein die schrecklichen Geschehnisse der letzten Tage", sagte Gomez. Diese Entscheidung wird ihm unheimlich schwer gefallen sein. Am liebsten wäre er bei Besiktas geblieben. Die Fans starteten eine eigene Kampagne, um ihn vom Bleiben zu überzeugen. "Unser König, komm zurück", hieß es etwa.
Der Nationalstürmer ist ein Spieler, der mehr als andere vom Selbstvertrauen, von der Zuneigung der Fans abhängig ist. In Istanbul genoss er beides. Er traf wie am Fließband, befand sich über Monate in Topform und die Fans vergötterten ihren Stürmer. Doch er wollte die politische Lage nicht akzeptieren, also war klar: Gomez muss all das hinter sich lassen.
Spaß am Fußball
Es wurde spekuliert über Angebote von den namhaftesten Vereinen Europas aus der Premier League und der Primera Division. Mit seinen 31 Jahren ist Gomez aber an einem Punkt seiner Karriere angekommen, an dem er vor allem eines will: Spaß am Fußball.
Im Vorfeld der EM sagte er: "Die negative Zeit zuvor hatte mit den Vorteil, dass ich danach gespürt habe, welchen Stellenwert der Fußball in meinem Leben hat." Für ihn als Stürmer heißt das: Spielen und Tore schießen. Und genießen.
Wäre Gomez zu einem absoluten Topverein gewechselt, er wäre wohl nur ein Backup gewesen. In Wolfsburg weiß er hingegen: Er ist der unumstrittene Stürmer Nummer eins. Als Gomez 2013 vom FC Bayern zum AC Florenz wechselte, sagte er: "Ich will nicht nur geduldet sein, sondern ein Spieler, über den sich der Klub freut." In Florenz freute man sich zu Beginn zwar extrem über ihn - als die Anzahl seiner Verletzungen die Anzahl seiner Treffern aber gefühlt überstieg, nahm diese Freude ab.
Jetzt wird sich Wolfsburg über Gomez freuen, sehr sogar. Auch wenn er wohl nicht so frenetisch empfangen werden wird wie bei seinen vergangenen Vereinen, wird er auch unter den Wolfsburger Fans als eine Art Heilsbringer gelten. Das treibt Gomez an, gibt ihm Kraft.
Für Klub und Spieler könnte der Wechsel zum Glücksfall werden. Gomez hat mit dem Transfer zu Wolfsburg die richtige Entscheidung getroffen. Der absoluten Rückendeckung kann sich der Stürmer beim VfL gewiss sein. Ein Umstand, der ihn bisher stets zu Höchstleistungen trieb - sofern er von Verletzungen verschont blieb.
Mario Gomez im Steckbrief