Christian Heidel war lange Jahre beim 1. FSV Mainz 05, ehe ihn traurige Ereignisse dazu brachten, doch noch einmal etwas anderes sehen zu wollen. Der Manager des FC Schalke 04 spricht im Interview über sein neues Leben, Transfers in Badehose und Deutschland-Spiele im Fanblock.Hier geht's zu Teil 2 des Interviews mit Christian Heidel
SPOX: Herr Heidel, all Ihre Weggefährten betonen immer wieder, Sie seien trotz der Erfolge mit dem 1. FSV Mainz 05 und Ihrem Aufstieg als Manager auf dem Boden und so normal wie früher geblieben. Warum fällt Ihnen das offensichtlich leicht?
Christian Heidel: Weil ich mir gar keine Alternative dazu vorstellen kann. Man muss doch kein anderer Mensch werden, nur weil man sich in seinem beruflichen Umfeld weiterentwickelt und häufiger als zuvor im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht. Die Freunde vor meiner Managertätigkeit sind auch heute noch meine Freunde. Es sind natürlich zum Glück in den 25 Jahren noch einige dazu gekommen.
SPOX: Gäbe es in Ihrer Position gewisse Versuchungen, weshalb man abzuheben drohen könnte?
Heidel: Es hängt vom Umgang mit der Sache ab. Ich habe mir noch nie etwas auf Bekanntheit eingebildet. In Mainz kenne ich jeden und bin ich von ganz unten mitgewachsen. Meine dortige Tätigkeit habe ich nie als Job angesehen. Daher war es mir auch wichtig, nun einen Klub zu finden, mit dem ich mich wieder emotional verbinden kann. Diese Chance sah ich auf Schalke.
SPOX: Gibt es irgendein privates Ritual, das Sie bis heute durchziehen?
Heidel: Ich habe Freundschaften schon immer sehr gepflegt. Das ist mir sehr wichtig. Ich habe beispielsweise zu jeder Zeit versucht, meine Freunde am Geburtstag zu besuchen und bin dann öfter auch mal als Überraschungsgast aufgetreten. Einen Freund kann man nicht bloß eine Woche lang kennen. Dann findet man sich vielleicht sympathisch, echte Freundschaften wachsen jedoch über Jahre. Mir geben sie zusammen mit meiner Familie auch Rückhalt und innere Kraft. Es gibt ja eben nicht nur schöne Tage im Leben. Daher hat es mich auch so getroffen, als drei enge Freunde innerhalb von sechs Monaten auf einmal gestorben sind.
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SPOX: Inwiefern haben diese Ereignisse auch etwas an Ihnen verändert?
spoxHeidel: Es hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich saß bei einer Beerdigung in der Kapelle und habe den Sarg vor mir stehen sehen. Da sollte man sich ja eigentlich Gedanken um den Verstorbenen machen. Ich habe mich aber dabei ertappt, wie ich über mich selbst nachgedacht habe. Es hätte mich ja rein theoretisch genauso gut treffen können.
SPOX: Welche Art Gedanken waren das?
Heidel: Beispielsweise ob ich mit meinem Leben zufrieden bin. Da konnte ich einen großen Haken dran gemacht, da ich privat und beruflich sehr glücklich war. Ich habe mir jedoch die Frage gestellt, ob ich in meinem Leben nicht noch einmal irgendetwas anderes machen möchte. Nach der zweiten Beerdigung habe ich meiner Lebensgefährtin gesagt: Ich habe das Gefühl, dass ich mein Leben noch einmal total verändern möchte. Die Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben
SPOX: Ging die Familie von Anfang an mit oder gab es da auch Einwände?
Heidel: Ohne Familie wäre der Schritt für mich ausgeschlossen gewesen. Mir ging es darum, noch einmal einen richtigen Schnitt zu machen. Ich wollte auch nicht in Mainz wohnen bleiben und pendeln. Ich wollte komplett weg, mir ein neues Zuhause suchen und dass meine dreijährige Tochter hier in den Kindergarten geht oder meine Eltern und Freunde mich hier besuchen kommen. Ich wollte eine neue Aufgabe, neue Fragestellungen und Herausforderungen, die mit dem FSV nicht vergleichbar sind. Ich habe keine Chance gesucht, mich irgendwie zu verbessern. Das würde Mainz 05 auch in keiner Weise gerecht.
SPOX: Hätten Sie diese "Erleuchtung" auch gehabt, wenn es diese traurigen Geschehnisse um Ihre drei Freunde nicht gegeben hätte?
Heidel: Ich glaube nicht. Ich habe in Mainz nichts vermisst und konnte mir eigentlich nicht vorstellen, meinen Verein und meine Heimat zu verlassen. Der Wohlfühleffekt ist für mich extrem wichtig und der war in Mainz sehr ausgeprägt. Natürlich gab es hin und wieder mal Kontakt zu anderen Klubs, aber es ist immer bei einem Telefonat geblieben. Jeder hat meine Gründe nachvollziehen können. Es war keine Entscheidung gegen Mainz und für Schalke, sondern eine für etwas ganz Neues. Ich hatte den inneren Entschluss auf Veränderung eigentlich gefällt, da wusste ich ja von Schalke noch überhaupt nichts.
SPOX: Es ist noch sehr früh, können Sie dennoch ein kurzes Zwischenfazit ziehen?
Heidel: Viele meiner Freunde frotzelten natürlich erstmal: Das hat ja perfekt bei dir geklappt, jetzt weißt du auch mal wie es ist, auf Platz 18 zu stehen. (lacht) Aber auch das ist ja irgendwo dann eine neue Erfahrung - auf die ich allerdings hätte verzichten können. Aber im Ernst, Schalke 04 ist ein großartiger Verein und ich fühle mich hier sehr wohl. Die Aufgabe ist hochinteressant und nicht einfach. Genau so etwas habe ich gesucht.
SPOX: Wie reagieren denn Ihre engsten Freunde, wenn Sie wie in der Vorsaison rund um Ihren Wechsel permanent in den Schlagzeilen stehen?
Heidel: Klar sprechen wir darüber und mich interessiert auch ihre Meinung. Eigentlich waren alle der Ansicht, ich solle das jetzt tun - weil sie eben auch gemerkt haben, dass sich in meinem Leben etwas verändert. Aber denen ist völlig egal, dass mein Gesicht nun öfter in den Medien zu sehen ist. Für meine Freunde ändert das ja nichts. Wir fahren oder fliegen beispielsweise seit 1990 gemeinsam zu Europa- und Weltmeisterschaften. Aber nicht in Anzug und Krawatte, sondern im Fanflieger oder im Wohnmobil und stehen mit Deutschland-Trikot im Fanblock. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
SPOX: Können Sie sich eigentlich noch an Ihren letzten Umzug erinnern?
Heidel: Ich bin mal vor knapp zehn Jahren aus privaten Gründen für drei Jahre nach Wiesbaden ins Exil. (lacht) Danach bin ich wieder nach Mainz zurück. Ich bin sehr sesshaft und bodenständig.
SPOX: Wie hat es sich dann jetzt im Sommer angefühlt?
Heidel: Das war schon ein komisches Gefühl. Wir sind morgens losgefahren und ich wusste, dass wir abends nicht mehr nach Hause fahren. Nach Hause ist jetzt woanders. Aber dieses Gefühl habe ich ja irgendwie auch gewollt. Unsere Wohnung in Mainz haben wir aber noch, weil ja meine beiden großen Kinder, meine Eltern und meine Brüder nach wie vor dort wohnen. Mich zieht es natürlich immer wieder mal in die Heimat.
SPOX: Gibt es etwas, was völlig neu für Sie ist, vielleicht weil es eben typisch Ruhrgebiet ist?
Heidel: Die Mentalität hier im Ruhrpott ist der in Mainz sehr ähnlich, wenn ich das auf meine bisherigen Erfahrungen mit den Menschen beziehe. Der Mainzer ist sehr offen, direkt und etwas skeptisch. Wenn man dort aber in eine Kneipe geht, sitzt man in der Regel selten allein. Genau diesen Eindruck habe ich hier auch. Nach Feierabend gehe ich runter in Charly's Schalker, trinke zum Abschluss mein Glas Wein und quatsche mit den Menschen. Da gibt es beidseitig null Berührungsängste.
SPOX: Ihr enger Vertrauter Axel Schuster meinte vor der Saison im SPOX-Interview, er und Sie müssten noch lernen, die abendlichen Besprechungen mit einem Pils anstatt wie üblich mit einem Gläschen Wein zu begehen. Da scheinen Sie ja nicht besonders weit vorangekommen zu sein.
Heidel: Nein, aber sie haben dafür schon die Weinkarte vergrößert. (lacht) Ich komme aus dem größten Weinanbaugebiet Deutschlands. Das steckt in mir.
SPOX: Suchen Sie denn in Ihrer Freizeit auch nach anderen Möglichkeiten des Ausgleichs?
Heidel: Nein. Ich will auch in der Freizeit auf dem Stand der Dinge sein. Das Geschäft läuft ja schließlich auch weiter. Ich mache es schon seit Jahren so: Nach Saisonende bin ich noch zehn Tage vor Ort, anschließend fahre ich zwei Wochen in den Urlaub. Ich miete mir ein Häuschen mit Terrasse, installiere als allererstes den Computer und richte mir einen Arbeitsplatz ein. Die Familie schwimmt im Meer und ich sitze dann mit Laptop und Telefon auf der Terrasse in der Sonne. Sie glauben ja gar nicht, wie viele Transfers ich schon in Badehose abgewickelt habe. Mein Gegenüber am Telefon bekommt das ja nicht mit. (lacht) Ich bin kein typischer Urlauber. Nur auf der Liege liegen und in die Sonne schauen wäre mir nach fünf Tagen zu langweilig.
SPOX: Machen Sie sich konkrete Gedanken darüber, wie lange Sie noch arbeiten möchten?
Heidel: Ganz früher dachte ich mir immer: Wenn du 50 bist und es dir gut geht, dann ziehst du nach Spanien in die Wärme und machst noch einen Job, der keine ständige Anwesenheit in Deutschland verlangt. Spätestens nachdem aber meine kleine Tochter auf die Welt kam, habe ich deutlich anders über mein Leben gedacht, da ich jetzt noch einmal große Verantwortung habe. Spanien ist jetzt Schalke und hier ist mein zu Hause. Solange ich noch interessiert bin, berufliche Dinge aufzusaugen und weiter zu lernen, solange diese Wissbegierde noch in mir lodert, möchte ich arbeiten.
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