"Dardai war eine Schlüsselentscheidung"

Jochen Rabe
30. November 201614:20
Michael Preetz hat mit Pal Dardai einen ehemaligen Teamkollegen zum Trainer gemachtgetty
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Michael Preetz erlebt seine sportlich erfolgreichste Zeit als Geschäftsführer von Hertha BSC. Im Interview spricht der 49-Jährige über die Wichtigkeit der Personalie Pal Dardai, die Pläne eines neuen Stadions, den Imagewechsel von der großmäuligen Hauptstadt zum innovativen Klub und die Zusammenarbeit mit Investor KKR.

SPOX: Herr Preetz, ist die aktuelle Phase die angenehmste, seitdem Sie bei der Hertha im operativen Geschäft arbeiten?

Michael Preetz: Das ist sie ohne Frage. Wenn der sportliche Erfolg da ist, ist das Arbeiten angenehmer. Die letzte Saison und auch die laufende sind sehr erfolgreich. Insofern haben wir gerade eine gute Zeit.

SPOX: Was macht Sie optimistisch, dass die Mannschaft nicht wieder einen Einbruch in der Rückrunde erleidet?

Preetz: Zunächst müssen wir alles investieren, um unter dem Weihnachtsbaum so viele Punkte wie möglich liegen zu haben. Natürlich haben wir uns mit der letzten Rückrunde auseinandergesetzt. Wir haben unsere Schlüsse daraus gezogen und sind darauf vorbereitet, wenn es soweit sein sollte. Im Moment liegt der Fokus aber klar auf dem Rest der Hinrunde.

SPOX: Durch das Verpassen der Europa League hatten Sie im Sommer nicht das erhoffte Budget zur Verfügung. Entsprechend gab es nicht die größten Sprünge auf dem Transfermarkt. Ist die Tatsache, dass der Kern der Mannschaft sehr eingespielt ist, eine Stärke?

Preetz: Auf jeden Fall. Im Sommer hatte höchste Priorität für uns, dass wir den Kern unserer Mannschaft zusammenhalten. Es gab Anfragen für den einen oder anderen Leistungsträger. Uns war aber übrigens auch ohne die Europa League klar, dass wir die Mannschaft nur punktuell verstärken können. Die Rahmenbedingungen hätten die Einnahmen aus der Europa League leider auch nicht dramatisch vergrößert. Insofern haben wir einen klaren Plan verfolgt, uns gezielt in bestimmten Bereichen zu verbessern. Wir haben lange geschaut, da es für einen Verein wie Hertha darum geht, die überschaubar vorhandenen Mittel so effizient wie möglich einzusetzen.

SPOX: Kontinuität ist auch auf der Trainerposition wichtig. Wie sehen Sie die Entwicklung von Pal Dardai seit seinem Amtsantritt?

SPOX-Redakteur Jochen Rabe traf Michael Preetz in Berlin auf der Geschäftsstelle von Hertha BSC zum Interviewspox

Preetz: Er war ein blutjunger Trainer, der aus dem U-Bereich kam. Natürlich hatte er die Erfahrung von der ungarischen Nationalmannschaft, aber mit den täglichen Abläufen als Trainer im Profibereich bei einem Verein war er noch nicht so vertraut. Er hat sich über die Wochen, Monate und Jahre in allen Bereichen weiterentwickelt und kann bereits jetzt auf den Erfahrungsschatz der letzten zwei Jahre zurückgreifen. Vom ersten Tag an hat er seine Arbeit bei uns erfolgreich gestaltet. Für uns war das eine Schlüsselentscheidung auf einer der wichtigsten Positionen in einem Verein. Wir sehen uns absolut darin bestätigt, dass unsere Wahl die richtige war.

SPOX: Wie eng ist Ihr Verhältnis?

Preetz: Wir kennen uns seit 20 Jahren und haben lange Zeit als gute Kameraden gemeinsam auf dem Fußballplatz gestanden. Wir hatten nie eine Freundschaft in dem Sinne, dass wir mit unseren Familien gemeinsame Dinge unternommen haben. Aber unser Verhältnis war immer sehr gut und respektvoll. Das sorgt für eine Verlässlichkeit und für eine hohe Berechenbarkeit.

SPOX: Wenn wir beim Thema Kontinuität bleiben, kommen wir auf Ihre Person. Sie sind mittlerweile seit 20 Jahren bei der Hertha, Rekordtorschütze und seit Ihrem Karriereende in verantwortlicher Position. Können Sie sich ein Leben ohne Hertha BSC überhaupt noch vorstellen?

Preetz: Ich war in der vergangenen Woche auf dem 65. Geburtstag unseres Teammanagers Nello di Martino. Er ist seit über 40 Jahren hier tätig. Das ist ein Hertha-Leben. (lacht) Bei mir hat es sich so entwickelt. Bevor ich zu Hertha gekommen bin, hatte ich eher eine wechselhafte Laufbahn mit einigen Stationen. Ich kam 1996 und ich bin 2016 immer noch da. In so einer langen Zeit entsteht natürlich etwas ganz Besonderes.

SPOX: Und zwar?

Preetz: Eine sehr hohe Identifikation mit dem Klub und eine große Liebe zu dieser Stadt. Da werden jetzt die meisten sagen: Das ist nicht so schwer, es ist ja auch Berlin. Aber es gibt auch Menschen, die sich mit dieser Stadt schwer tun, vor allem mit ihrer Größe. Ich war vom ersten Tag an fasziniert von dieser Stadt und erlebe seit 20 Jahren ihren Wandel. Als ich gekommen bin, war der Potsdamer Platz Europas größte Baustelle. Bis heute ist nicht nur dort eine Menge passiert. Hertha und Berlin nehmen einen großen Platz in meinem Leben ein.

SPOX: Im September haben Sie Ihren Vertrag bis 2019 verlängert. Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?

Preetz: Wichtig ist, dass wir uns sportlich weiter stabilisieren. Die letzte und die aktuelle Saison sind vielleicht noch unter Überraschung zu verbuchen. Wir wollen uns aber weiter in der oberen Tabellenhälfte etablieren und mit Blickrichtung auf die nächsten Jahre die Rahmenbedingungen schaffen, dass wir konstant um diese Plätze kämpfen können, in denen wir uns im Moment bewegen.

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SPOX: Sie haben schon desöfteren den Traum von einem Zuschauerschnitt um die 60.000 ausgesprochen. Was macht es im Standort Berlin so schwierig, die Leute ins Stadion zu locken?

Preetz: Vor allem das enorme Angebot in dieser Stadt. In Berlin finden an jedem Wochenende über 1000 Veranstaltungen statt. Es gibt Regionen in Deutschland, an denen es am Wochenende nur den Bundesliga-Fußball gibt. Da ist es nur logisch, dass die Menschen dort massenhaft hinpilgern. Wir sind mit unseren 50.000 Zuschauern im Schnitt glücklich, liegen damit auf Platz sechs der Zuschauertabelle, aber...

SPOX: ...Sie sehen noch Potenziale.

Preetz: Wir haben ein Drittel Kapazität unseres Stadions frei. Unser Anspruch muss sein, diese Lücke zu schließen. Das ist eine große Aufgabe. Zumal auch sportlich in dieser Stadt ein großer Konkurrenzkampf um die Zuschauergunst existiert. Berlin ist in allen anderen Sportarten in den jeweils ersten Bundesligen vertreten. Darüber hinaus gibt es im kulturellen Bereich unzählige Veranstaltungen. Das macht es zumindest nicht einfacher. Wir werden zwei Dinge tun müssen, um unserem Ziel von 60.000 Zuschauern näher zu kommen: Wir müssen uns sportlich idealerweise auf einem Level, wie wir es im Moment abrufen, konsolidieren. Andererseits müssen wir uns auch darum bemühen, neue Fanpotenziale und Zuschauergruppen zu gewinnen.

SPOX: Dafür spielt Ihre Positionierung eine wichtige Rolle. Sie haben gesagt, die Imagebildung des Vereins sei mehr als nur Ihr Jahresmotto "We try. We fail. We win." Welches Bild soll die Öffentlichkeit von der Hertha haben?

Preetz: Tatsächlich geht es uns um die gesamte Haltung des Vereins. Wir wollen mutig agieren, experimentierfreudig sein, Dinge aktiv gestalten. Wir wollen auch, dass der Fan eine Mannschaft sieht, die mutig nach ihrer Chance greift. Unser Jahresmotto kann sich in der kommenden Saison ändern. Was wir nicht verändern wollen, sind die Haltung und die Ausrichtung des gesamten Vereins. Da haben wir uns sehr an der wunderbaren Stadt, in der wir leben, orientiert.

SPOX: Inwiefern?

Preetz: Wir haben uns gefragt: Wofür steht diese Stadt? Was wird in den nächsten Jahren auf Berlin zukommen? Wir können heute ja bereits feststellen, dass Berlin eine internationale Metropole geworden ist, die von der Touristenzahl mit Städten wie London, Paris oder New York mithalten kann. Was wir vor allem herausgearbeitet haben, ist, dass es in dieser Stadt diesen Gründergeist gibt.

An der Berliner Geschäftsstelle prangt ein Banner mit der Aufschrift spox

SPOX: Viele junge Leute kommen von außen nach Berlin und sorgen dafür, dass sich die Stadt in stetem Wandel befindet.

Preetz: Das ist ein Aspekt, bei dem wir Parallelen zu uns sehen. Bereits unsere Gründerväter hatten verrückte, mutige Ideen. Einen Fußballverein auf einem Dampfer zu gründen und ihn dann auch so zu nennen, hat etwas. In der Vita dieses Klubs in seiner 125-jährigen Geschichte gab es immer ein Auf und Ab. Aber genau dafür steht auch der Sport: Es gibt Sieg und es gibt Niederlage. Wir wollen diesen Dampfer Hertha BSC erfolgreich in die Zukunft manövrieren. Dafür müssen wir den Spagat hinbekommen zwischen der Tradition und einer zukunftsorientierten Ausrichtung.

SPOX: Die Hertha hat auch in den sozialen Medien eine moderne Strategie. Der Twitterfeed etwa hebt sich von dem der anderen Bundesligisten ab. Gehört das zu der angesprochenen Ausrichtung?

Hertha: Ganz klar. So gut wie Bayern München oder Borussia Dortmund werden wir auf absehbare Zeit nicht spielen. Aber es gibt Bereiche, in denen wir konkurrieren können. Beim Thema Digitalisierung glauben wir, dass wir ein Wörtchen mitreden können.

SPOX: Ist gerade in diesem Bereich der Standort Berlin das große Plus?

Preetz: Davon sind wir fest überzeugt. Wir haben ein enormes Potenzial in dieser Stadt und unsere Verantwortung ist, dieses auch auszuschöpfen. Natürlich wollen wir auffallen und die Menschen mit dem, was wir machen, berühren. Ich glaube, dass uns das in dieser Saison sehr gut gelingt. Und Sie sagen es ja auch: Das fällt auf, das ist anders. Und genau das wollen wir. Wir mussten im ersten Schritt dafür sorgen, dass wir überhaupt wahrgenommen werden.

SPOX: Welches Image hatte die Hertha zu Ihrer aktiven Zeit?

Preetz: Ich denke, damals hat man über die Hertha gesagt: Das ist die großmäulige Hauptstadt, die ihrem Anspruch hinterherrennt. Das hat sich entwickelt bis zu einer Einstellung, dass man uns für wenig beachtenswert hielt.

SPOX: Graumäusig?

Preetz: Ja, ein bisschen schattiert oder auch grau. Aber das passt ja überhaupt nicht. Gerade mit Blick auf diese Stadt muss man sagen: Berlin ist alles, aber sicher nicht grau. Deswegen ziehen wir diese Analogie. Wir werden diesen Weg des mutigen Agierens konsequent weitergehen. SPOX

SPOX: Gehört zur Arbeit gegen ein graues Image auch ein pinkes drittes Trikot?

Preetz: Das ist nicht unbedingt Teil unserer Haltung und auch losgelöst davon schon vor längerer Zeit festgelegt worden, aber natürlich ist das etwas, was auf unseren Entwicklungsprozess einzahlt. Es schadet jedenfalls nicht, wenn man auffällt. Wenn die Leute darüber reden, haben wir schon etwas erreicht.

SPOX: Ist das Olympiastadion aufgrund seiner Größe ein Problem? Außer Bayern, Dortmund und Schalke könnten die wenigsten Klubs alle zwei Wochen ein 70.000er Stadion füllen.

Preetz: Das Olympiastadion ist traditionell die Heimat von Hertha BSC und wir fühlen uns dort wohl. Die Stadien, die in Deutschland im Zuge der WM 2006 gebaut oder umgebaut wurden, sind sich alle ähnlich. Aber das Olympiastadion ist einzigartig. Und wenn es ganz voll ist, ist das ein außergewöhnlich gutes Stadion. Bis mindestens 2025 werden wir sehr gerne dort spielen. Natürlich machen wir uns aber auch Gedanken darüber, wie es danach weitergeht.

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SPOX: Sie haben angekündigt, dass Sie im Frühjahr Ergebnisse der Vorstudien und mögliche Standorte für einen Stadionneubau verkünden wollen.

Preetz: Wir sind mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit von Hertha BSC der Überzeugung, dass uns ein reines Fußballstadion mit einem etwas verknappten Platzangebot noch einmal auf ein neues Level heben könnte. In einem ausverkauften, engen Stadion ohne Laufbahn entsteht ein unmittelbareres Erlebnis. Daraus können Effekte für Spieler und Fans entstehen. Darüber hinaus versprechen wir uns von der Einnahmenseite ein weiteres Wachstum.

SPOX: Dass Sie überhaupt in der Lage sind, über solche Projekte nachzudenken, verdanken Sie dem Investment von KKR. Als strategischer Partner hat das Unternehmen in den Klub investiert, um Schulden abzubauen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit seitdem?

Preetz: Nach beinahe drei Jahren können wir ein sehr positives Zwischenfazit ziehen. Zum einen waren die Investitionen von KKR im Januar 2014 wichtig für die finanzielle Struktur des Vereins. Zum anderen profitieren wir sowohl von dem Knowhow des Unternehmens als auch von dem Netzwerk. In den vergangenen Monaten und Jahren ist uns auch die eine oder andere Türe geöffnet worden.

SPOX: Als das Investment bekanntgegeben wurde, gab es kritische Stimmen bezüglich des Wirkens von KKR. Mittlerweile ist das abgeflacht. Wie wichtig ist es bei Investorenmodellen, dass der Partner sich im Hintergrund hält?

Preetz: Es ist immer eine Frage des Einflusses. Für uns können wir sagen, dass wir im operativen Geschäft überhaupt nicht beeinträchtigt werden. Im Gegenteil: KKR ist ein Begleiter, wann immer wir das Bedürfnis haben, die Expertise zu nutzen. Aber sie nehmen keinen gezielten Einfluss, halten sich öffentlich zurück und werden deshalb kaum wahrgenommen. Das ist ein Investor, der uns auf allen Ebenen geholfen hat und von dem wir uns eine weitere Zusammenarbeit versprechen. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

SPOX: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie nach einem weiteren strategischen Partner suchen. Wie muss ein solcher aussehen?

Preetz: Einerseits sorgt unsere beinahe dreijährige Zusammenarbeit mit KKR dafür, dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Prüfungen bereits stattgefunden haben. Das ist bei der Ansprache eines potentiellen zweiten Partners ein riesiger Vorteil. Andererseits ist es so, dass es beim ersten Investment um den Abbau der Verbindlichkeiten ging, danach aber auch der zweite Schritt folgen muss. In diesem muss es darum gehen, die sportliche Leistungsfähigkeit verbessern zu können. Das wäre ein wegweisender Schritt für unser Ziel der sportlichen Stabilisierung. Aber wir suchen einen Partner, der auf das operative Geschäft keinen Einfluss nimmt. Das Investment von KKR beläuft sich auf knapp unter zehn Prozent. Somit haben wir noch Möglichkeiten, Anteile abzugeben.

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