"Viele legen mir die Aufgabe als Risiko aus"

Valerien Ismael folgte in Wolfsburg als Cheftrainer auf Dieter Hecking
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SPOX: Neben den millionenschweren Transfers geht diese Nachwuchsarbeit öffentlich ein bisschen unter.

Ismael: Was ich nicht verstehen kann, denn in den letzten Jahren haben es beim VfL auch einige Jugendspieler in den Profikader geschafft. Maxi Arnold, Robin Knoche und auch Paul Seguin sind die besten Beispiele. Mit Justin Möbius und Hendrik Hansen haben die nächsten beiden Talente schon bewiesen, dass sie bereit sind. Ich hatte als Trainer der U23 immer viel Kontakt zu Dieter Hecking und so wird es jetzt auch weiterhin sein, denn der Nachwuchs ist ein wesentlicher Aspekt unseres Vereins.

SPOX: Ihr Vorteil ist, dass Sie die Spieler der U23 bestens kennen.

Ismael: Die jungen Spieler kennen meine Philosophie. Sie wissen genau, wie sie sich taktisch zu verhalten haben. Das macht es für mich einfacher, einen Jugendspieler in die erste Mannschaft zu integrieren.

SPOX: In der aktuellen Situation ist aber vor allem Erfahrung gefragt. Sie haben Diego Benaglio als Kapitän wieder ins Tor zurückberufen.

Ismael: Zusammen mit meinem Trainerteam musste ich mir in kurzer Zeit ein Bild von der Mannschaft machen und ich hatte das Gefühl, dass es schnell wieder eine klare Hierarchie mit einem Orientierungspunkt auf dem Platz brauchte. Deswegen haben wir entschieden, in unserer Situation auf Spieler zu setzen, die nicht nur einen sportlichen, sondern vor allem auch einen psychologischen Mehrwert für das Team haben. Als Kapitän leitet Diego auch den Rest der Mannschaft auf dem Feld an. Es war keine Entscheidung gegen Koen Casteels, sondern eine Entscheidung für die Mannschaft.

SPOX: Hat so ein Führungsspieler zuletzt gefehlt?

Ismael: Das war zumindest mein Bauchgefühl, als ich so entschieden habe. Wenn man so eine Säule im Team hat, an der sich die Anderen orientieren können, gibt das auf jeden Fall Sicherheit.

SPOX: Koen Casteels zeigte sich sehr enttäuscht von der Entscheidung. Haben Sie damit neue Spannungen im Team geschaffen - vielleicht auch bewusst?

Ismael: Ich verstehe seine Enttäuschung vollkommen. Dass er nicht glücklich ist, wenn er nicht spielt, ist normal. Jeder muss gewillt sein, sich einen Platz in der Startelf zu erarbeiten. Es geht aber nicht um Einzelschicksale, sondern um die Mannschaft und den Verein. Wir müssen gemeinsam aus der Situation herauskommen und individuelle Interessen derzeit hinten anstellen.

SPOX: Sie haben es als "unschön" bezeichnet, dass im Sommer öffentlich Wechselabsichten bekundet wurden. Das dürfe es in Zukunft nicht mehr geben...

Ismael: So etwas bringt immer Unruhe in einen Verein. Grundsätzlich gilt: Wenn man sich auf eine Aufgabe konzentriert, sollte man mit dem Herzen dabei sein. Da sind wir in Zukunft als Verantwortliche auch gefragt, herauszufinden, ob ein Spieler den Weg dauerhaft mit uns gehen will.

SPOX: Vor allem Julian Draxler hatte mit seinem "Ich-will-weg-Interview" für Aufsehen gesorgt. Wie erleben Sie ihn seither in der Mannschaft?

Ismael: Seitdem ich bei den Profis bin, war Julian leider immer angeschlagen. Er hatte noch gar nicht die Chance, bei 100 Prozent zu sein. Er kann ein sehr entscheidender Spieler sein. Solange er immer wieder kleinere Blessuren mit sich herumschleppt, wird es für ihn schwer, seine Topleistung abzurufen.

SPOX: Haben Sie das Gefühl, ihn im kommenden Sommer doch halten zu können oder ist unter dem Thema längst ein Strich drunter?

Ismael: Ich denke nur an das Jetzt mit der gesamten Mannschaft und noch nicht an die Verträge im kommenden Jahr. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, wer bereit ist, unsere Philosophie zu verinnerlichen und den Weg mit uns zu gehen. Dann können wir entscheiden.

SPOX: Keine zwei Jahre ist es her, da war der VfL so etwas wie der neue BVB - Bayern-Jäger Nummer eins. Was ist aus diesen Zielen geworden?

Ismael: Grundsätzlich sollte man seine Ziele nicht aus den Augen verlieren, egal, wie schwer die Situation ist. Wichtig für uns ist aber erst einmal, dass wir uns wieder stabilisieren. Mit dem Sieg in Freiburg haben wir einen Schritt nach vorne gemacht. Darauf müssen wir aufbauen, um wieder in die Spur zu kommen. Solange wir keine Serie gestartet haben, verbietet es sich, über Platzierungen und höhere Ziele zu sprechen.

SPOX: Der VfL hat durch die jüngsten Entwicklungen einen Knacks erlitten. Wie nehmen Sie das aktuelle Bild des Vereins in der Öffentlichkeit wahr?

Ismael: Dass man uns derzeit auch mal kritischer beäugt, kommt nicht von ungefähr. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Dennoch ist es auch die Chance, einen neuen Anlauf zu starten und das zu korrigieren. Wir müssen uns sportlich neu erfinden. Das braucht aber auch Zeit.

Valerien Ismael im Steckbrief

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