"Ich weiß, was 'Wann kommschn?' bedeutet"

Frank Oschwald
21. Februar 201711:42
Kerem Demirbay spielt seit Sommer 2016 bei 1899 Hoffenheimgetty
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Kerem Demirbay spielt seit Sommer für die TSG 1899 Hoffenheim - und dort seine bislang mit Abstand beste Saison. Bei den Kraichgauern ist er zu einem wichtigen Bestandteil der Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann geworden. Im Interview spricht der 23-Jährige über seine Ruhrpott-Wurzeln, einen vielbeachteten Auftritt im Designermantel und ein putziges YouTube-Video.

SPOX: Herr Demirbay, Sie sind im hektischen und pulsierenden Ruhrpott aufgewachsen. Wie lebt es sich im beschaulichen Kraichgau?

Kerem Demirbay: Ich wohne in Mannheim, fühle mich hier in der Gegend unglaublich wohl und habe mich gut eingelebt.

SPOX: Ist es Ihnen denn nicht zu ruhig?

Demirbay: In erster Linie bin ich hier, um meinem Beruf nachzugehen und Fußball zu spielen. Wie gesagt, ich fühle mich sehr wohl hier und Städte wie Frankfurt, Stuttgart oder Heidelberg wären ja auch in unmittelbarer Nähe.

SPOX: Und wie kommen Sie mit dem badischen Dialekt zu Recht?

Demirbay: Wenn jemand schnell redet und dazu noch leicht nuschelt, tue ich mich manchmal noch etwas schwer. (lacht) Aber ansonsten klappt das schon richtig gut, ich weiß mittlerweile auch was gemeint ist, wenn ich "Wann kommschn?" gefragt werde. (lacht)

SPOX: Ihre fußballerischen Wurzeln liegen in NRW. Wie lief verliefen die ersten Jahre?

Demirbay: Ich habe als kleiner Junge nur fünf Minuten vom Stadion in Gelsenkirchen gewohnt. Dort habe ich das Kicken gelernt und erste Erfahrungen in den Jugendmannschaften gemacht. Mit 14 Jahren bin ich dann schon zur C-Jugend von Borussia Dortmund gewechselt.

SPOX: Das hört sich heikel an. SPOXspox

Demirbay: Wenn ein Bundesligaprofi viele Jahre für einen Klub gespielt hat und dann zum direkten Liga-Konkurrenten und Rivalen wechselt, ist das sicherlich etwas Besonderes und kommt auch nicht so oft vor. Aber in der Jugend ist das schon noch etwas anderes.

SPOX: Bei Dortmund war jedoch recht schnell wieder Schluss. Was war passiert?

Demirbay: Ich war zu dieser Zeit körperlich einfach noch nicht so weit. Ich wollte mich dort entwickeln und den nächsten Schritt machen. Doch der Sprung in die B-Jugend kurze Zeit später war einfach zu groß für mich. Mein damaliger Trainer hat mir deshalb einen Wechsel nahegelegt. Er meinte, dass Spieler wie ich einfach Spielpraxis sammeln müssen. Deshalb bin ich nach Wattenscheid gewechselt.

SPOX: Der richtige Schritt?

Demirbay: Absolut. Die Zeit hat mich geprägt und mir in meiner Entwicklung sehr geholfen. Letztlich kann man viel spekulieren, welcher Weg noch besser gewesen wäre. Fakt ist, ich bin jetzt hier bei der TSG, spiele in der Bundesliga und lebe meinen Traum. Dafür habe ich viel gearbeitet. Im Gegensatz zu anderen Menschen geht es mir unglaublich gut und ich bin dankbar, dass ich jeden Tag das machen darf, was ich liebe: Fußball spielen.

SPOX: In der A-Jugend folgte der Schritt zurück zum BVB. Dort war die Durchlässigkeit vom Jugendbereich zu den Profis unter U23-Coach David Wagner recht gut. Wieso hat es bei Ihnen nicht hingehauen?

Demirbay: Es hätte hingehauen, hätte ich das vorliegende Angebot unterschrieben. Aber ich habe mich dann am Ende dafür entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen und zum Hamburger SV zu gehen.

SPOX: Dennoch hat es zwischen Ihnen und dem HSV nie wirklich gefunkt.

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Demirbay: Ich weiß wirklich nicht, woran es letztlich gelegen hat. Ich wiederhole mich da immer wieder. Die Sache ist für mich komplett abgehakt. Ich freue mich einfach, jetzt bei der TSG zu sein und Bundesliga zu spielen. Ich denke, ich habe alles richtig gemacht.

SPOX: In diese schwierige Zeit kam zudem der Zwischenfall mit Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus. Sie sagten, Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen. Was sagen Sie mit etwas Abstand zu diesem Thema?

Demirbay: Ich habe diesen Satz aus der Emotion heraus gesagt, dafür habe ich mich entschuldigt. Auch wenn es falsch war, Fehler passieren im Leben.

SPOX: Als Strafe mussten Sie ein Mädchenspiel pfeifen. Ihr Auftreten im Designermantel schlug hohe Wellen.

Demirbay: Ich habe mich dazu schon mehrmals geäußert, dabei möchte ich es jetzt auch belassen. Wie gesagt, ich habe mich damals entschuldigt, meine Strafe zu Recht abgesessen, deshalb ist die Sache für mich jetzt auch erledigt.

SPOX: Ihr damaliger Verein Fortuna Düsseldorf ließ das Spiel absichtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Erst im Nachhinein stellte der Klub Bilder des Spiels ins Internet und brachte den Shitstorm damit ins Rollen. Hatten Sie mit einem solch heftigen Echo gerechnet?

Demiray: Nein.

SPOX: Was haben Sie daraus gelernt?

Demirbay: Dass ich das in dieser Art und Weise nicht mehr machen würde. Aber wie gesagt, jeder Mensch macht Fehler, aus denen man lernen muss.

SPOX: Im Anschluss zogen Sie sich aus den sozialen Medien zurück. Ein bewusster Schritt?

Demirbay: Ja. Ich halte generell nicht viel von Facebook, Twitter und Co. Ich habe schlichtweg gemerkt, dass mir das nicht gut tut. Mein Privatleben möchte ich für mich behalten.

SPOX: Ihr Vater ist auf Twitter hingegen sehr aktiv. Er postet gefühlt alles, was es zu Ihnen im Internet zu finden gibt. Ist es nicht toll, wenn der Vater so stolz ist?

Demirbay: Ich liebe meine Familie und die Menschen, die ich um mich habe. Sie geben mir in jeder Sekunde das Gefühl, stolz auf mich zu sein - unabhängig von Social Media. Deshalb sollte es eigentlich andersrum sein: Ich bin viel stolzer auf meine Eltern und müsste deshalb eigentlich über sie twittern. Sie haben aus mir das gemacht, was ich heute bin.

SPOX: Nach dem Wechsel zu Hoffenheim sagten Sie, dass die Intensität, mit der der Klub um Sie geworben hat, überzeugte. Wie können wir uns das vorstellen?

Demirbay: Man merkt ja, ob sich jemand für dich interessiert, ob dich ein Verein unbedingt haben will. Hoffenheim hat mir das Gefühl gegeben, dass sie mit mir planen und mir die Plattform bieten wollen, mich zu entwickeln.

SPOX: Hat Julian Nagelsmann im Vorfeld öfter bei Ihnen durchgeklingelt?

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Demirbay: Natürlich hatte ich einige Gespräche. Über die Details will ich aber nicht sprechen. Der Fußball ist doch auch viel schöner, wenn man nicht alles weiß. (lacht) SPOX

SPOX: Der aktuelle Erfolg in Hoffenheim ist eng mit dem Namen Nagelsmann verbunden. Sie selbst oder auch Spieler wie Kevin Vogt trumpfen auf einmal auf. Wie lässt sich das "Phänomen Nagelsmann" begründen?

Demirbay: In erster Linie hat er ein unglaubliches Fachwissen. Das sieht man an dem neuen System, das richtig gut zu uns passt. Und wenn wir die fachliche Ebene mal außen vorlassen, ist er einfach menschlich ein toller Typ. Das tut uns Spielern und auch dem Rest im Verein momentan unglaublich gut.

SPOX: Macht es nicht einfach mehr Bock, unter so einem jungen und motivierten Trainer zu spielen?

Demirbay: Das ist immer typabhängig. Viel wichtiger ist, dass der Trainer jeden einzelnen Spieler besser macht. Er findet im Training die perfekte Mischung aus harter Arbeit und Spaß. Seine Art und sein Umgang mit den Spielern sind der Schlüssel zum Erfolg. Ich bin froh, dass ich unter diesem Trainer arbeiten kann.

SPOX: Wissen Sie eigentlich, dass es ein unglaublich süßes Video von Ihnen auf YouTube gibt?

Demirbay: Ja, das Video wurde zu Schalker Zeiten aufgenommen, ich war gerade einmal zehn Jahre alt. Die Uni Köln hat in Nordrhein-Westfalen aus verschiedenen Sportarten jeweils junge Sportler gesucht. Im Fußball war ich letztlich der Glückliche. (lacht)

SPOX: Werden Sie oft auf dieses Video angesprochen?

Demirbay: Ja, ich werde schon immer wieder von Familie, Freunden und Fans darauf angesprochen.

SPOX: Das Video ist allerdings nicht nur putzig, es zeigt bereits damals Ihren Ehrgeiz. Mit zehn Jahren sagten Sie schon Sätze wie: "Ich kann ja nicht sofort zu Wattenscheid oder Bochum gehen. Dafür muss ich erst mal trainieren." Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Demirbay: Ich hatte schon als kleiner Junge nur Fußball im Kopf. Mein Traum war es, Bundesliga-Profi zu werden. Andere Berufe kamen mir gar nicht in den Sinn. Ob das so richtig ist, sei mal dahingestellt. Aber ich hatte eben dieses große Ziel vor Augen, das ich unbedingt erreichen wollte.

SPOX: Dieses Ziel haben Sie auch erreicht, weil Sie es sich selbst und anderen stets zeigen wollten. Das haben Sie oft betont. Ist die Motivation noch immer die gleiche?

Demirbay: Absolut, sonst könnte ich nicht jeden Tag im Training Vollgas geben. Es hat sich nur dahingehend etwas geändert, da ich meinen Kritikern nicht mehr beweisen muss, dass ich Fußball spielen kann. Aber es ist die Kunst, jede Woche zu funktionieren und im Wettkampf seine Leistungen abzurufen. Das ist der Reiz.

SPOX: Wenn Sie weiter auf ähnlichem Niveau spielen, wird bald die Frage nach der Nationalmannschaft aufkommen. Sie könnten sowohl für die Türkei als auch für Deutschland spielen. Ist die Entscheidung für einen Verband bereits gefallen?

Demirbay: Nein, das ist noch komplett offen. Ich lasse dieses Thema ganz langsam auf mich zukommen. Wenn der Zeitpunkt kommt und ich mich entschieden habe, werden das alle frühzeitig erfahren. Jetzt macht es noch wenig Sinn, darüber zu sprechen.