SPOX: Sie haben Anfang des Jahres den Umgang mit der Trainergilde kritisiert.
Schaaf: Der Trainerberuf befindet sich generell seit einigen Jahren in einem großen Wandel. Mittlerweile ist die große Preisfrage: Wofür soll der Trainer alles verantwortlich sein? Ist er der totale Allrounder oder soll er nur ganz bestimmte Dinge erfüllen? Das gilt auch für die Sicht des Trainers selbst: Will ich mich mit allen Ausprägungen des Alltags beschäftigen oder möchte ich nur für den sportlichen Kernbereich verantwortlich sein? Wenn man mit einem Verein das internationale Geschäft als Ziel hat und die ersten fünf Saisonspiele verliert, heißt es in der Öffentlichkeit bereits: Ziel verfehlt. Man wird sofort in Frage gestellt - mindestens. Daher geht es auch um Fragen wie: Wie nah lasse ich Druck an mich heran, wie tief tauche ich da ein?
SPOX: Pep Guardiola ist beispielsweise überzeugt davon, dass ein Trainer nur dann erfolgreich sein kann, wenn er nicht zu lange bei einem Klub arbeitet. Ewald Lienen sagte, man wisse als Trainer, dass man immer in Gefahr sei. Ihre Meinung?
Schaaf: Wenn man einen Vertrag unterschreibt, unterschreibt man zugleich seine Kündigung - man weiß nur nicht, wann sie eintreten wird. Der Fußball ist ein sehr auffälliger Bereich in unserer Gesellschaft, aber er ist nur ein Teil unserer Gesellschaft. All das, was in unserer Gesellschaft stattfindet, findet mehr oder weniger auch immer im Fußball statt. Wo gibt es denn noch den Arbeitnehmer, der 15 oder 20 Jahre in einem Unternehmen arbeitet? Dass jemand wie Alex Ferguson, Arsene Wenger, Otto Rehhagel oder auch ich in Bremen so lange bei einem Klub angestellt sind, das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Es wird die Ausnahme sein, wenn ein Trainer sieben oder acht Jahre bei einem Verein arbeitet.
SPOX: Welchen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang sehen Sie noch?
Schaaf: Wir leben in einer Zeit mit vielen Extremen. Das betrifft nicht nur den Arbeitsplatz. Ein Beispiel: Früher ist man an die Nordsee in den Urlaub gefahren, heute müssen es die Seychellen oder Australien sein - weiter denn je. Wer ist heute noch bereit Konflikte einzugehen, sie zu bearbeiten und zu beheben? Das ist ein grundsätzliches Verhalten: Wenn etwas nicht mehr passt, muss etwas Neues her. Übertragen auf den Fußballtrainer: Funktioniert ein Trainer nicht mehr, muss eben ein neuer her. An den Umständen zu arbeiten und sie so zu verändern, damit es funktionieren kann - ist man dazu überhaupt bereit? Wenn ja, braucht man zwingend Geduld und Zeit. Doch das hat man kaum noch. Und genau das meint Pep. Nach drei, vier Jahren wollen die Leute etwas anderes sehen.
SPOX: Sie waren 5119 Tage Trainer bei Werder, anschließend lediglich eine Saison lang bei Eintracht Frankfurt und nur 98 Tage bei Hannover 96. Diese kurze Verweildauer muss für Sie doch total albern gewesen sein.
Schaaf: Die 5119 Tage in Bremen waren ja nicht geplant. Diese Maßgabe galt bei der Eintracht und in Hannover auch. Es ist eine völlig unterschiedliche Nummer, wenn man zuvor sehr lange bei einem Verein gearbeitet hat. Doch das dokumentiert im Grunde genau meine Einstellung und die Richtung, die ich skizziert habe. Für mich ist weniger die Attraktivität eines Vereins, sondern vielmehr die Aufgabe an sich entscheidend. Ich hatte in Hannover das Gefühl, dass es passen würde. Das hat es aber nicht. Und wenn man das erkennt, muss man sich trennen. Ich eiere dann ungern lange herum.
SPOX: Wie blicken Sie auf die Zeit bei der Eintracht zurück?
Schaaf: Sportlich war Frankfurt eine absolute Erfolgsgeschichte. Wir haben dort alle messbaren Werte verbessert, bis auf die Anzahl der Gegentore - doch in der Differenz zu den geschossenen Treffern waren wir wieder besser. Wir haben mehr Geld eingenommen, standen nie auf einem Abstiegsplatz, haben den Torschützenkönig gestellt, U19-Spieler zu Bundesligaakteuren gemacht, Bundesligaspieler zu Nationalspielern gemacht, höhere Zuschauereinnahmen erzielt. Es war für mich sehr konsequent, klar und deutlich, unter den dort vorherrschenden Bedingungen, die nichts mit den sportlichen Aufgaben zu tun hatten, nicht mehr weiterarbeiten zu wollen. Das Ende in Frankfurt war schade, wir hätten dort gerne weitergemacht.
SPOX: Wie stellte sich die Gemengelage in Hannover dar?
Schaaf: Ich sollte den Abstieg vermeiden, doch mit der Zeit hatte man das Gefühl, dass man das nicht schaffen wird. Wir haben es versucht, aber es hat nicht funktioniert und nicht gepasst. Es gibt Situationen für Trainer, da kann man die besten Ideen oder Voraussetzungen haben, aber irgendetwas stimmt nicht. Das kriegt man manchmal vielleicht erst heraus, wenn es schon zu spät ist. Man arbeitet ja mit Menschen und da kann es vorkommen, dass es in dem Moment einfach nicht harmoniert.
SPOX: Bei 96 haben Sie elf Spiele geleitet und zehn davon verloren. Wie machtlos fühlte es sich für Sie an, wenn der eigene Einfluss keine Punkte bringt?
Schaaf: Ich war darüber sehr enttäuscht. Ich habe bei 96 angefangen, weil ich das Gefühl hatte, dass man mich haben wollte und man mir zutraute, die dortige Situation zum Positiven zu verändern. Ich hätte rein wirtschaftlich gesehen nicht eine Sekunde arbeiten müssen. Wir haben alle Register gezogen und versucht, sie an die Mannschaft heran zu tragen. Das hat nicht geholfen und dann muss man sagen: Es hat auf diese Weise wohl einfach nicht gereicht.
SPOX: Hatten Sie nach der langen Zeit in Bremen schon gewissermaßen befürchtet, dass es Sie künftig deutlich schneller erwischen könnte?
Schaaf: Nein, überhaupt nicht. Ich konnte in Frankfurt niemandem sagen, wie lange ich dort arbeiten werde. Von der Planung und meinen Gedanken her wäre ich in Frankfurt und Hannover genauso bereit gewesen, noch deutlich länger dort zu bleiben. Was man aber festhalten kann: Unsere Gesellschaft hat sich insofern verändert, dass es unwahrscheinlicher geworden ist, so etwas wie zwischen Bremen und mir noch einmal zu erleben.