"Ich bin wie ein Schwamm"

Rene Adler wechselte im Sommer nach fünf Jahren beim HSV zum 1. FSV Mainz 05
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SPOX: Hatten Sie schon immer den Drang, sich abseits des Fußballs weiterzubilden, oder brauchte es wie bei vielen anderen Fußballern auch erst den Weckruf einer schweren Verletzung?

Adler: Sowohl als auch. Ich liebe es, mich mit Leuten zu unterhalten, die aus mir fremden Branchen kommen und mich für neue Themenfelder begeistern. Ich lese sehr viel, bin wissbegierig und frage nach, das ist mein Naturell. Ich bin wie ein Schwamm, ich sauge alles auf. Ich habe schnell gemerkt, dass ich verkrampfe und mir der alleinige Fokus auf den Fußball zu eindimensional ist. Ich brauche Hobbys und eine Mischung aus Anspannung und Entspannung, um gute Leistungen im Job zu bringen.

SPOX: Aber?

Adler: Mit den Verletzungen wurde mir die Thematik noch klarer. Nach der Patellasehnen-OP 2012 habe ich gemerkt, dass mein Leben zu krass auf einer Säule aufgebaut ist. Das ist sehr gefährlich, weil gerade im Fußball diese eine Säule schnell wegbrechen kann. Ich habe auch gelitten, weil es nicht so weiterging, wie ich wollte. Ich bin in ein Loch gefallen.

SPOX: Wie sind Sie aus diesem Loch wieder rausgekommen?

Adler: Ich musste einsehen, dass der Weg, der mich bisher vorangebracht hat, bald zu Ende ist und ich etwas verändern muss. Eine Entwicklung ist nie linear und man kommt immer an einen Punkt, an dem man sich neu erfinden muss, um voranzukommen.

SPOX: Fehlt dieses Bewusstsein allgemein im Profi-Fußball?

Adler: Jeder Fußballer sollte sich im Klaren darüber sein, dass die Karriere endlich ist. Bei dem einen früher, bei dem anderen später, aber sie geht definitiv zu Ende. Ich kann mir nichts davon kaufen, wenn ich vor zehn Jahren mal ein toller Hecht war. Die wenigsten Spieler können ihr ganzes Leben von dieser sportlichen Leistung leben. Dafür musst du schon eine Legende sein. Ich kenne genügend Spieler, die mit ihrem Leben nach dem Fußball unglücklich sind.

SPOX: Wie sieht Ihr Ziel aus?

Adler: Ich will irgendwann sagen: Das war damals eine gute Zeit und ich war ein guter Torhüter, aber darüber brauchen wir nicht mehr reden. Das Leben nach dem Fußball ist bei weitem länger. Ich will nicht als total gezeichneter Ex-Profi durch den Park humpeln, weil ich zu viel Lust auf das neue Leben habe. Ich arbeite gerne.

SPOX: Noch ist Ihr Hauptberuf auch Torhüter in der Bundesliga bei Mainz 05. Warum haben Sie sich für einen Wechsel entschieden?

Adler: Ich fühle mich gut, ich will spielen und Spaß haben. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich mich für die andere Variante entschieden und irgendwo als Backup angeheuert. Da hätte ich zwar mehr Gehalt bekommen, aber weniger Spielzeit. Das war mir aber nicht wichtig.

SPOX: Ihr Vertrag in Mainz läuft zwei Jahre, ist danach Schluss?

Adler: Ab einem gewissen Punkt kann man nicht mehr so langfristig planen, aber ich will selbstbestimmt agieren. Ich bin so lange im Geschäft und will die Momente, das Training und die Spiele genießen. Die Zeit als Profi ist die schönste. Es hilft, sich das während der Karriere vor Augen zu führen.

SPOX: Das Hamburger Abendblatt schrieb nach Ihrer Entscheidung pro Mainz, Sie hätten sich verzockt. Haben Sie generell das Gefühl, dass es zwischen der öffentlichen Wahrnehmung Ihrer Karriere und Ihrer eigenen einen drastischen Unterschied gibt?

Adler: Klar kann man sagen: Hätte er 2010 die WM gespielt, wäre er vielleicht anschließend zu Manchester United gewechselt, dann hätte er vielleicht eine Weltkarriere gemacht und so weiter. Und ich kann auch sagen, dass vom Potenzial her mehr drin gewesen wäre. Aber meine körperliche Situation hat das damals leider nicht zugelassen. Das gehört auch zur Wahrheit. Es geht nur darum, wie man damit umgeht. Hadere ich damit oder gehe ich jeden Tag in den Kraftraum und mache etwas dagegen. Es ist meine Stärke, dass ich nach Verletzungen immer wieder zurückgekommen bin und wieder auf Top-Niveau gespielt habe. Das ist eine Frage von Einstellung und Wille.

SPOX: Wie würden Sie Ihre Karriere ohne alle Was-wäre-wenn-Aspekte beschreiben?

Adler: Ich sehe es als Privileg an, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Das ist das höchste Gut. Viele Leute gehen nur zur Arbeit, weil sie ihre Miete bezahlen oder ihre Familie ernähren müssen. Ich kann jeden Morgen aufstehen, zum Training gehen, das machen, was ich schon als Kind am liebsten gemacht habe. Dass das Ganze auch negative Seiten hat, ist klar. Wir Fußballer müssen auf viel verzichten, stehen in der Öffentlichkeit, haben eine Vorbildfunktion, aber das war mir immer alles recht, weil ich das Geschenk zu schätzen weiß. Ich konnte mir mit meiner Fußballkarriere etwas aufbauen, was mir die Möglichkeit auf eine neue Karriere gibt. Mein Ziel ist es, in meinem neuen Beruf noch einmal erfolgreich zu werden. Und wer weiß, vielleicht sprechen wir uns in 25 Jahren nochmal und der Unternehmer Rene Adler hat dem Fußballer Rene Adler Konkurrenz gemacht...

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