Über München gibt es allerhand kulinarische Klischees. Einen guten Döner? Gibt es hier nicht! Weißwürste, Brezn und Schweinebraten sollte man hier dagegen schon probieren. In den letzten Jahren hat sich München auch als Burger-Stadt einen Namen gemacht.
An allen Ecken und Enden schossen neue Läden aus dem Boden, mittlerweile gibt es kaum noch eine belebtere Straße, in der keine Burger abseits der großen Franchiseketten angeboten werden.
Niklas Süle wird das in seinen ersten Wochen in München sicherlich nicht verborgen geblieben sein. Über seine Vorliebe für die schönen Seiten des Lebens ist seit seinem Wechsel nach München ausführlich berichtet worden und er selbst macht daraus auch keinen Hehl.
"Das Leben genießen, mal was Schönes essen oder trinken gehen, das bin ich definitiv", sagte Süle am Rande des Confed Cups in Russland. Dazu ist München ein geeigneter Ort. "Niklas im Glück", könnte man in Anlehnung an Münchens bekannteste Burgerbraterei wohl sagen.
Süle kämpft gegen Nagelsmanns Stempel
Doch seit ihm sein ehemaliger Trainer Julian Nagelsmann mit ein paar öffentlichen Ernährungstipps in Richtung München verabschiedet hat, wird noch intensiver auf den jungen Genussmenschen Süle geschaut.
Süle sei ein großes Talent, meinte Nagelsmann, er habe aber auch noch viele Baustellen zu bearbeiten. Eine davon sei das Thema Ernährung. "Er isst wie jeder andere in seinem Alter auch mal einen Burger", sagte der TSG-Coach, "da muss er sich in Zukunft vielleicht mal mit einem halben begnügen - die andere Hälfte kann er ja mir geben."
Das war nicht böse gemeint von Nagelsmann, der für einen lockeren Spruch immer mal gut ist, aber er hat seinem Ex-Schützling, den er schon seit der U15 kennt, auch einen Stempel aufgedrückt. Einen Stempel, den Süle nach und nach abzuwaschen versucht.
"Er hat das vor allem gesagt, weil ich in der Jugend gerne Burger gegessen habe und er mich seit der Jugend kennt. Aber das ist schon längst vorbei. Sonst hätte ich nie zu so einem Verein wie dem FC Bayern gehen können", sagte Süle.
Süle "einer der besten Innenverteidiger Europas"
Siebeneinhalb Jahre hat der gebürtige Frankfurter Süle bei der TSG verbracht, ehe die Bayern im Sommer 20 Millionen Euro Ablöse für ihn zahlten und den ebenfalls interessierten FC Chelsea ausstachen.
Eine gewaltige Summe für einen 21-Jährigen, der bis dahin international noch keine Erfahrungen sammeln konnte. Aber im aktuellen Transfer-Irrsinn irgendwie auch ein Schnäppchen, wenn seine Nationalmannschaftskollegen Shkodran Mustafi und Antonio Rüdiger in etwa das Doppelte kosten.
"Ein Niklas Süle in körperlicher Top-Verfassung zählt jetzt schon zu den besten Innenverteidigern Europas", sagte Michael Reschke, der beim FC Bayern als Technischer Direktor für Transfers mitverantwortlich war, ehe er sich als Sportvorstand dem VfB Stuttgart anschloss.
Süle ist trotz seiner Körpergröße (1,94 Meter) und seines schwankenden Gewichts erstaunlich beweglich, schnell und verfügt über eine gute Koordination. Er kann mit dem Ball umgehen und verfügt über eine gute Spieleröffnung. Und wie es seine imposante Erscheinung vermuten lässt, gehört ein Zweikampf mit ihm nicht zu den schönsten Aufgaben in der Bundesliga.
Gelungener Einstand für Süle beim FCB
Aufgrund der großen Konkurrenz mit Mats Hummels, Jerome Boateng und Javi Martinez haben ihm viele Experten dennoch einen schweren Stand in München vorausgesagt. Außerdem stieg er nach dem Confed Cup verspätet ins Mannschaftstraining ein.
Sein Start hätte aber besser kaum sein können. An den ersten zwei Spieltagen stand er jeweils 90 Minuten auf dem Platz, im Auftaktspiel gegen Leverkusen erzielte er sogar das 1:0 per Kopfball. Natürlich profitierte er bei seinen Einsätzen von den verletzungsbedingten Ausfällen von Boateng und Martinez, aber Süle war sofort da, Anpassungsschwierigkeiten sehen anders aus.
Auch in den Interviews nach den Spielen steckt Süle nicht zurück. Nach dem mühevollen Sieg gegen Bayer stellte er sich den Fragen, beantwortete diese souverän und fand für die vor allem in der zweiten Halbzeit schwache Leistung deutliche Worte.
Süle sieht sich zwar im Konkurrenzkampf realistisch mit den etablierten Kräften als Herausforderer und noch als Lernender, er kann auf der anderen Seite auch schon auf vier komplette Spielzeiten in der Bundesliga und auf 110 Spiele zurückblicken.
Wie plant Carlo Ancelotti in der Innenverteidigung?
Während die Innenverteidigung des FC Bayern am Ende der vergangenen Spielzeit nach dem Abschied von Holger Badstuber und den Verletzungen bzw. Sperren von Hummels, Boateng und Martinez in der entscheidenden Saisonphase zu dünn besetzt war, hat Trainer Carlo Ancelotti in den kommenden Wochen ein Luxusproblem zu managen.
Hummels, Martinez, Süle sind fit, Boatengs Comeback rückt näher. Eine Dreierkette ist für den Italiener aber keine Option, so dass es spannend zu beobachten sein wird, wie Ancelotti die Spielzeiten auf seine vier Verteidiger verteilt, um auch die Anforderungen aus der Chefetage zu erfüllen.
"Es ist die wichtigste Aufgabe, Erfolg zu haben und den Umbruch zu schaffen. Carlo ist gefordert, diese zwei Dinge unter einen Hut zu bringen", sagte Präsident Uli Hoeneß vor einigen Wochen bei Sky. "Wenn es ihm dabei gelingt, den einen oder anderen jüngeren Spieler in den nächsten 12 Monaten in die Mannschaft zu integrieren, dann hat er einen guten Job gemacht."
Süle und Nagelsmann wieder vereint?
Der Vertrag des Italieners läuft noch zwei Jahre, weiterhin halten sich die Gerüchte, dass Julian Nagelsmann ein Kandidat für die Nachfolge Ancelottis sei. 2019 oder aber auch schon früher. Für Süle ist das keine schlechte Aussicht, schließlich hat er unter dem 30-jährigen Trainer einen großen Entwicklungsschritt gemacht.
In München will er seinen Weg weitergehen und das nächste Level erreichen. Sollte das mittelfristig tatsächlich mit Nagelsmann passieren, kann ihm Süle sicher auch die kulinarischen Vorzüge Münchens zeigen.