Zum ersten Mal seit Jahren sind die Vorzeichen bei einem Revierderby klar pro Schalke 04 (Sa., 15.30 Uhr im LIVETICKER). Die Königsblauen sind am BVB vorbeigezogen und haben am vergangenen Sonntag Platz zwei erklommen. Die wichtigsten Aspekte im Vergleich.
Die Trainer: Peter Bosz und Domenico Tedesco
Unterstützung erhielt Peter Bosz am Donnerstag ausgerechnet aus Gelsenkirchen. "Vor sechs Wochen hat noch jeder gefragt: Wie will man Dortmund stoppen?", sagte Domenico Tedesco und fügte hinzu: "Eine Krise sehe ich nicht."
Mittlerweile sieht man aber sogar in Dortmund eine Krise und zwar nicht nur eine Ergebniskrise, sondern eine echte. Der BVB präsentiert sich auf dem Platz seit Wochen als instabil, vor allem die defensive Anfälligkeit bekommt Bosz unabhängig von System und Spielidee nicht in den Griff.
Nach fünf sieglosen Spielen in der Liga (4 Niederlagen) hat auch der Niederländer erkannt, dass es gegen Schalke möglicherweise schon um seinen Job geht. Die Kritik an seinen Methoden ist groß und der öffentliche Druck nimmt zu. Die Verantwortlichen sind auch etwas leiser geworden und hoffen wohl auf einen Befreiungsschlag im Derby.
Lobeshymnen werden dagegen gerade auf Tedesco gesungen. Die Süddeutsche Zeitung sprach Anfang der Woche davon, dass in Schalke endlich ein "Großhirn" vorhanden sei. "Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Trainer eine lange Zeit hier auf Schalke erleben werden. Er passt hundertprozentig zu uns", sagte S04-Boss Clemens Tönnies im kicker. "Er kommuniziert einwandfrei, er kann mit dem Verein und den handelnden Leuten umgehen, und das nach so kurzer Zeit! Ich bin stolz, dass er da ist."
Anders als Bosz hat Tedesco Schalke durch eine stabile Defensive nach oben geführt, nur der FC Bayern (8) hat weniger Gegentore kassiert als die Königsblauen (10). Der BVB kassierte allein in den letzten vier Partien elf Hütten.
Das Personal: BVB hofft auf Pulisic - Goretzka wieder fit
Die Verletztenliste ist nicht erst seit gestern lang beim BVB, besonders bemerkbar machte sich in den Spielen gegen Stuttgart und Tottenham aber das Fehlen von Christian Pulisic. Der 19-Jährige hatte Anfang der Saison den Abschied von Ousmane Dembele schnell vergessen gemacht.
Auf die Geschwindigkeit des US-Amerikaners sind die Schwarzgelben angewiesen, weil Andreij Yarmolenko das Niveau der ersten Wochen nicht halten konnte und auch Pierre-Emerick Aubameyang seit Wochen seiner Form hinterherläuft. Noch ist Pulisic' Einsatz aber nicht gesichert.
Besorgniserregender als die schwächelnde Offensive ist aber die Defensive. Bosz muss auch aufgrund von Verletzungen und Sperren immer wieder Veränderungen vornehmen, die allgemeine Verunsicherung ist aber vor allem in der Abwehr spürbar. Egal ob Sokratis, Bartra, Toprak, Toljan oder Schmelzer.
Über Roman Bürki wird schon länger diskutiert, er droht nach seinem Knockout gegen Tottenham auszufallen. Ersatzmann Roman Weidenfeller hat in dieser Saison außer einem Kurzeinsatz gegen die Spurs noch kein Praxis sammeln können.
Das Derby traut er sich aber zu: "Für mich wäre das etwas ganz Besonderes, noch einmal vor heimischem Publikum gegen Schalke zu spielen. Zumal ich aufgrund meiner langen Zeit beim BVB natürlich um die Wichtigkeit dieser Partie weiß", sagt Weidenfeller dem kicker.
Auch hier ist die Lage auf Schalke deutlich entspannter. Neben dem Langzeitverletzten Pablo Insua fehlt nur Nabil Bentaleb (muskuläre Probleme), der seinen Platz aber ohnehin an Max Meyer verloren hat.
Tedesco hat viele Möglichkeiten, kann im Mittelfeld und Angriff zwischen defensiven und offensiven Varianten wählen und sich an den BVB anpassen. Nach seiner Pause dürfte Leon Goretzka in die Startelf zurückkehren. "Ihm geht's gut, er hat keine Schmerzen, alles okay", sagte Tedesco.
Das Umfeld: Gespenstische Ruhe auf Schalke
In der Arena auf Schalke durften die Fans mal wieder "Die Nummer eins, die Nummer eins, die Nummer eins im Pott sind wir!" singen. Mit einem Sieg im Derby könnte es in der Tat zumindest für einen vorübergehenden Machtwechsel im Pott kommen.
Gesungen wurde in Dortmund am Dienstag herzlich wenig. So leise wie bei der Niederlage gegen die Spurs war es schon lange nicht mehr im Signal-Iduna-Park. Die Lethargie und Hilflosigkeit der Mannschaft hat sich auch auf die Fans übertragen. Im Derby ist aber von beiden Seiten eine Leistungssteigerung zu erwarten.
Erstaunlich ist auch die allgemeine Unruhe, die Borussia Dortmund in den letzten Wochen erfasst hat, während es auf Schalke schon fast gespenstisch ruhig ist und Tedesco, Heidel und Tönnies einen harmonischen Dreiklang abgeben.
Harmonie ist in Dortmund zurzeit dagegen ein Fremdwort. Grenzwertige Watzke- und Zorc-Zitate zum Krisengerede, Trainerdiskussion, Suspendierung von Aubameyang, Abschied von Sven Mislintat, der BVB liefert viel Gesprächsstoff und der Großteil seiner Probleme sind hausgemacht.
Bei Dortmund und Schalke ist es wie so oft im Fußball: Es gibt kaum Grautöne, sondern nur noch schwarz und weiß. Mit einem Sieg kann der BVB wieder mit Schalke nach Punkten gleich- und in der Tabelle vorbeiziehen. Aber Dortmund gegen Schalke ist für grau nicht gemacht.