Völlig ausgepumpt steht Marius Wolf nach dem Schlusspfiff da, beugt sich herunter und umklammert mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht seine beiden Sprunggelenke. Der 2:1-Sieg in Hamburg war ein Kraftakt für alle Spieler der Eintracht - und ganz besonders für Wolf. Knapp 13 Kilometer spulte der 22-Jährige gegen den HSV ab, schoss dazu sein drittes Saisontor und leitete den Siegtreffer mit einem überragenden Zuspiel auf Timothy Chandler ein.
Das Spiel gegen den HSV war eine neuerliche Bestätigung von Wolfs konstant guten Leistungen in dieser Spielzeit - eine Saison "in a nutshell" sozusagen. Seit dem 10. Spieltag ist Wolf durchgehend der laufstärkste Spieler der SGE, im Durchschnitt läuft er 11,8 Kilometer pro Spiel. Zudem ist er an einem Drittel aller Frankfurter Saisontore direkt beteiligt und hilft der Eintracht auch defensiv enorm weiter (86,7 Prozent erfolgreiche Tackles).
Dass sich Wolf bei der Eintracht dermaßen reinhängt, hat seine Gründe. Denn nach seinem Wechsel von 1860 München zu Hannover 96 bekam die Karriere von Wolf mehr als nur den vielzitierten Knick: Sie schien vorbei, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Bei den Löwen noch vom Jugendspieler zum Zweitliga-Profi gereift, wurde der flexibel einsetzbare Offensivspieler nach lediglich zwei Bundesligaeinsätzen für die Niedersachsen in die zweite Mannschaft abgeschoben.
Marius Wolf bei Eintracht Frankfurt: Die letzte Chance
Während die 96-Profis in der ausverkauften Allianz Arena beim FC Bayern gastierten, spielte Wolf vor knapp 350 Zuschauern im Beekestadion am Mühlenholzweg gegen den TSV Schilksee. So etwas wie in Hannover solle ihm nie wieder passieren, sagte Wolf dem kicker angesprochen auf seine schwere Zeit bei den Niedersachsen.
Welch zweifelhaften Stellenwert Wolf bei den Hannoveranern hatte, wird mit Blick auf den Umgang der Niedersachsen mit Wolf nach dem Bundesliga-Abstieg offensichtlich: Anstatt Wolf in der 2. Liga eine Chance einzuräumen, wurde dem Flügelspieler deutlich zu erkennen gegeben, dass nicht mehr mit ihm geplant wird. Im Winter 2016 verlieh 96 Wolf an Eintracht Frankfurt - inklusive einer Kaufoption in Höhe von lediglich 500.000 Euro.
Wenn Wolf über die Leihvereinbarung zwischen Hannover und der Eintracht spricht, redet er gerne von seiner "letzten Chance", es noch einmal in die Bundesliga zu schaffen. Und diese hat er ganz offensichtlich ergriffen, schließlich kündigte Eintracht-Trainer Niko Kovac bereits vor knapp zwei Monaten an, von der Vertragsoption Gebrauch zu machen: "Ich bin sicher, dass wir die Kaufoption ziehen werden und uns dieser Spieler in Zukunft weiter begleiten wird."
Kovac über Wolf: "Er ist sich für nichts zu schade"
Danach sah es zumindest nach dem ersten halben Jahr von Wolf bei der Eintracht nicht unbedingt aus. Erst musste er sich an die Mannschaft heranarbeiten, dann bremste ihn ein Schlüsselbeinbruch aus. In der Rückrunde 2016/17 kam er lediglich auf drei Einsätze. Es überraschte daher, dass die Eintracht eine Verlängerung der Leihvereinbarung anstrebte. Möglicherweise war dafür aber auch ein Machtwort von Trainer Kovac ausschlaggebend.
Wolf imponiert Kovac mit seiner Einstellung und seinem Arbeitsaufwand: "Marius gibt immer alles, im Training wie auch im Spiel. Er ist sich auch nicht zu schade, auf Positionen zu spielen, die nominell vielleicht nicht seine Lieblingspositionen sind." Eben jene Mentalität, die Kovac an Wolf so schätzt, macht ihn in dieser Saison für die Eintracht so wertvoll.
Obwohl sich Wolf auf der rechten offensiven Seite am wohlsten fühlt, kann er auch die Rolle als Rechtsverteidiger ausfüllen. Eine Variante, die Kovac angesichts der langen Verletzungspause von Timothy Chandler schon öfter in dieser Spielzeit ausprobiert hat - und das mit Erfolg, denn im System von Kovac schließt das eine das andere nicht aus.
Wolf: Allzweckwaffe, Schnäppchen, Nationalspieler?
Auch als Außenverteidiger ist Wolf dazu angehalten, mit seiner Schnelligkeit immer wieder die Offensive anzukurbeln. Zwar birgt das auch ein gewisses Risiko in der Rückwärtsbewegung, doch Kovac bietet Wolf Entfaltungsmöglichkeiten - und das nicht nur auf den Außen, sondern auch in der Zentrale. Als Zehner oder als hängende Spitze.
Ob er von Wolfs Leistungen in dieser Saison überrascht sei, verneinte der SGE-Trainer und sagt sogar: "Ich glaube, dass er noch besser werden kann." Ähnlich äußerte sich nach dem Sieg der Frankfurter in Berlin auch Mitspieler und Eintracht-Leader Kevin-Prince Boateng, der Wolf gar prophezeite: "Wenn er so weitermacht, wird er Nationalspieler."
Auch wenn eine solch große Prophezeiung zu diesem Zeitpunkt noch übertrieben erscheint, so ist sie dennoch ein Ausdruck der Wertschätzung, die Wolf in Frankfurt erfährt. Nicht nur deswegen sagt Wolf, dass er momentan einfach glücklich sei. Auch für die Eintracht ist Wolf ein Glücksfall, schließlich wird er dank des Leihvertrags im Sommer zum absoluten Schnäppchen für die Hessen. Prädikat "gut und günstig".