Julian Schieber hat in dieser Saison verletzungsbedingt noch kein Spiel für Hertha BSC absolviert. Im Interview erklärt der 29-Jährige, warum er dennoch zuversichtlich ist, wieder in Topform zurückzukommen und in der Folge einen guten Vertrag zu unterschreiben. Der Angreifer spricht über die Anfänge seiner Karriere, Probleme der Anerkennung als junger Spieler und Schmähgesänge von Dortmunder Fans.
Darüber hinaus erinnert sich Schieber an seine Emotionen beim Wunder von Malaga und bei Kevin Großkreutz' Dönerwurf und erklärt, warum er mit der Situation beim BVB heutzutage besser zurechtkommen würde als damals.
SPOX: Herr Schieber, Sie haben sich kürzlich in Ihrer Heimat eine Kirche gekauft. Was steckt dahinter?
Julian Schieber: Das klingt untypisch und für manche etwas wahnsinnig. Aber es ist eigentlich keine große Sache. Ich habe ja nicht den Kölner Dom gekauft. (lacht) In der Nähe von Backnang stand eine kleine evangelische Kirche zum Verkauf. Momentan habe ich kein richtiges Zuhause für meine Familie, wenn wir zu Besuch sind, weil meine Schwester in meinem Haus lebt. Ich habe ein Grundstück in Backnang, auf dem ich irgendwann bauen werde. Jetzt war ich auf der Suche nach einer Übergangslösung und bin auf die Kirche aufmerksam geworden.
SPOX: Zunächst möchten Sie die Kirche als Wohnraum nutzen. Was sind Ihre Pläne auf Sicht?
Schieber: Es wäre möglich, dort beispielsweise Personal Training anzubieten. Alternativ könnte ich die Räumlichkeiten für Yogakurse, Kinderturnen oder Kochkurse vermieten. Ich muss schauen, wie es sich entwickelt. Ich glaube die Nachfrage wäre in jedem Fall da.
SPOX: Neben diesen Überlegungen sind Sie Teilhaber an einem Cafe in Backnang namens Fancy. Wann haben Sie beschlossen, dass Sie parallel zur Karriere am Leben danach arbeiten möchten?
Schieber: Das Cafe läuft, mein Kumpel ist Geschäftsführer und hat das im Griff. Ich berate gerne, kann mich da aber nicht noch mehr verwirklichen. Wenn ich morgen meine Karriere beenden müsste, stünde ich aber erst einmal ohne neue Aufgabe da. Ich bin noch auf der Suche nach einem möglichen und passenden Betätigungsfeld für mich nach der Karriere. Aktuell spiele ich aber noch Fußball, habe Vertrag, bin richtig heiß und will es mir und allen anderen beweisen. Ich bin ja auch erst 29 und habe noch etwas Zeit.
SPOX: Wenn Sie ein Zwischenfazit Ihrer Karriere ziehen, würden Sie diese als verkorkst bezeichnen?
Schieber: Nein, überhaupt nicht. Ich denke eher: Scheiße, wie schnell geht die Zeit vorbei? Jetzt bin ich selbst einer der Alten, die kein Tor im Training mehr tragen müssen. (lacht) Aber ich hatte bis hierhin eine gute Karriere und habe bei vier großartigen Bundesligavereinen gespielt. Natürlich ordne ich heute einiges anders ein und merke, dass Erfahrung sehr wichtig ist.
SPOX: Inwiefern?
Schieber: Als ich in Dortmund nicht so zum Zug kam, hatte ich nicht nur einen der besten Stürmer der Welt als Konkurrenten, sondern auch zu wenig Selbstvertrauen. Wenn du erst einmal in einer Schublade steckst, ist es schwieriger, eine Chance zu nutzen. Hätte ich damals schon die Erfahrung gehabt, den ich heute habe, hätte ich um Welten besser gespielt. Man reift ja auch als Mensch. Als junger Spieler dachte ich, das Gerede von Erfahrung ist Blödsinn. Aber es macht wahnsinnig viel aus. Du kannst Situationen einfach viel besser einordnen, wenn du sie schon mal durchlebt hast.
Julian Schieber: Stationen und die Bundesligaspiele/-tore
Jahr | Verein | Spiele | Tore |
2008 - 2010 | VfB Stuttgart | 31 | 3 |
2010 - 2011 | 1. FC Nürnberg | 29 | 7 |
2011 - 2012 | VfB Stuttgart | 18 | 3 |
2012 - 2014 | Borussia Dortmund | 35 | 3 |
seit 2014 | Hertha BSC | 40 | 10 |
SPOX: Ihre ersten Schritte haben Sie in Stuttgart gemacht. Sie sind in die A-Jugend des VfB gewechselt, als Sie noch mitten in einer Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer steckten.
Schieber: Das war eine kuriose Zeit. Ich wurde von meinem Ziehvater direkt von der Baustelle abgeholt und kam mit Stahlkappenschuhen und grüner Gärtnerhose voller Flexstaub zum Training. Wenn man sich dagegen anschaut, wie heute in der A-Jugend auf Mode geachtet wird. (lacht) Insofern war es krass, wie sich alles entwickelt hat.
SPOX: Wie kamen Sie zum Entschluss, alles auf die Karte Fußball zu setzen?
Schieber: Wenn du acht bis zehn Stunden am Tag auf der Baustelle arbeitest und danach zum professionellen Training gehst, macht das der Körper nicht lange mit. Das war mir genauso klar wie dem Verein. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, auf eine Kooperationsschule des VfB zu gehen, um dort mein Fachabitur zu machen.
SPOX: Sie sind lokal sehr verwurzelt. War es die Erfüllung eines Kindheitstraums, so früh für den VfB zu spielen?
Schieber: Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass er als Kind Bayern-Fan war? So war es bei mir auch. (lacht) Ich hatte nur Bayern-Sachen. Wir haben im Urlaub am See Mehmet Scholl getroffen und ich habe mein erstes Autogramm bekommen. Das war ein riesiger Moment. Aber als ich später in der Jugend für den VfB gespielt habe, war ich begeistert. Der VfB wurde schnell zu meinem Verein.
Julian Schieber über sein Jahr beim 1. FC Nürnberg und Ilkay Gündogan
SPOX: Dennoch haben Sie 2010 den Umweg über eine Leihe gemacht.
Schieber: Es ist immer schwierig für Spieler aus der eigenen Jugend. Früher war das noch schwerer. Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber heutzutage ist der Respekt der jungen Spieler gegenüber den Älteren kaum mehr vorhanden. Ich habe beim VfB noch mit Jens Lehmann zusammenspielen dürfen. Wenn er reinkam, bist du als 18-Jähriger von der Massagebank gehüpft und hast Platz gemacht. Du hattest als junger Spieler aus der eigenen Jugend nichts zu melden. Deswegen war die Leihe wichtig. Ich bin als kleiner Junge gegangen und als etwas größerer Junge wiedergekommen.
SPOX: Wieso ging es zum 1. FC Nürnberg?
Schieber: Ich hatte zu der Zeit auch ein Angebot der Hertha vorliegen. Allerdings war die Hertha damals in der 2. Liga und Berlin noch einmal deutlich weiter weg. Nach Nürnberg braucht man von Stuttgart aus zwei Stunden. Für mich hat das damals auf jeden Fall eine Rolle gespielt. Das Gesamtpaket in Nürnberg hat gestimmt. Dieter Hecking war ein sehr guter Trainer, der damalige Manager Martin Bader hat mir ein vielversprechendes Konzept aufgezeigt, auf junge Leihspieler zu setzen, die beim Club den nächsten Schritt gehen sollten.
spoxSPOX: Es lief dann ja auch gut.
Schieber: Es war mit das wichtigste Jahr meiner Karriere. Ich war jugendlich und frei, ohne Verpflichtungen. Wir waren in der Mannschaft alle auf dem gleichen Level und wollten hoch hinaus. Auch der Zusammenhalt mit den älteren Spielern war super. Raphael Schäfer, Christian Eigler - das waren astreine Kollegen, aber auch Respektspersonen. Eigler hat mir viermal vors Schienbein getreten, bevor er überhaupt meinen Vornamen wusste. (lacht) Ich verstehe mich heute noch mit allen gut. Ilkay Gündogan ist bis heute einer meiner besten Freunde.
SPOX: Wie haben Sie seine Entwicklung verfolgt?
Schieber: Wir haben uns in Nürnberg kennengelernt und später in Dortmund wieder getroffen. Ich habe mitgelitten, als er so große Schwierigkeiten mit Verletzungen hatte. Er war wegen seiner Rückenverletzung ein Jahr weg vom Fenster und wusste nicht, in welche Richtung es geht. Ilkay ist ein Kopfmensch, das hat ihn richtig runtergezogen. Insofern bin ich glücklich, dass er wieder gesund ist und konstant so überragende Leistungen abrufen kann.
SPOX: Beim Club haben Sie gegen den VfB in beiden Spielen getroffen. Sie haben das auch in Berlin als Ziel ausgerufen. Gibt es da böses Blut?
Schieber: Nein, gar nicht. Stuttgart war ein wichtiger Teil meiner Karriere und ich habe gerne dort gespielt. Dann kam der Anruf von Jürgen Klopp. Ich habe zuerst gedacht, da will mich jemand verarschen, aber es hat sich herausgestellt, dass es eine seriöse Anfrage war. Wenn du so eine Chance bekommst, zweifelst du nicht. Sobald du dann einen Verein verlässt, wirst du zum Feindbild für die Fans. Ich verstehe die Enttäuschung, mit Schlagworten wie "Söldner" kann ich aber nichts anfangen und finde es extrem schade. Wenn ich heute in Stuttgart spiele und mich warmmache, werde ich immer noch aus der Kurve beleidigt.
SPOX: Sind da die VfB-Fans ein besonderer Schlag? Bei Sven Ulreich war es ebenfalls schon heftig.
Schieber: Sie sind schon sehr emotional. Meiner Meinung nach gehören sie aber zu den Besten der Bundesliga. Im Zweitligajahr war unfassbar, was sie geleistet haben. Sie wollen gemeinsam mit dem Team Erfolg haben. Bei einem Jungen aus den eigenen Reihen sind sie deswegen umso empfindlicher. Es war nichtsdestotrotz die richtige Entscheidung. Ich liebe Stuttgart, aber in der Heimat zu arbeiten, hat sich für mich als negativ herausgestellt. Ich hatte keinen Ruhepol mehr. Deswegen wollte ich den Schritt gehen.
SPOX: Wie viel hatte Klopps Anruf mit Ihrem Doppelpack beim 4:4 gegen den BVB zu tun?
Schieber: Davor gab es keinen Kontakt, es ging auch nicht direkt nach dem Spiel los. Ich würde aber lügen, wenn ich behaupten würde, das Spiel hätte keinen Einfluss gehabt. Freitagabend, Flutlicht, 80.000 in Dortmund und ich schieße zwei Tore. Davon werde ich noch meinen Enkelkindern erzählen. Aber Klopp hat mir vermittelt, dass er mich schon länger beobachtet hat und mein Potenzial gut einschätzen kann. Robert Lewandowski war als Juwel aus Polen gekommen, als er noch viel Luft nach oben hatte. So ähnlich haben sie mich gesehen.
gettyJulian Schieber über seine Rolle beim BVB und das Wunder von Malaga
SPOX: Trotzdem war klar, dass Sie als klare Nummer zwei kommen?
Schieber: Da hat der Verein mit offenen Karten gespielt, ja. Es war klar, dass Lewandowski gesetzt war. Aber ich hatte einen Vierjahresvertrag. Da muss man nicht sofort im ersten Jahr alle Spiele machen, sondern kann sich entwickeln. Im ersten Jahr war ich insgesamt zufrieden. Mir hätte zwar das eine oder andere Tor mehr gelingen müssen, aber meine Einsätze waren da.
SPOX: Wie haben Sie die Teamchemie erlebt?
Schieber: Ich kam nach dem Double. Wenn da die Stimmung nicht gut gewesen wäre, wann dann? Die Jungs haben sich unheimlich gut verstanden, auch viel privat miteinander unternommen. Dazu hatten wir mit Klopp einen tollen Trainer. Auf der einen Seite ist er der Kumpeltyp, der sich mit dir ins Cafe setzen und drei Stunden über alles reden kann, aber er hat auch die nötige Autorität. Das hat alles gut zusammengepasst, deswegen war es für mich einfach, in die Mannschaft zu kommen.
SPOX: In Ihrer ersten Saison waren Sie ein Protagonist beim Wunder von Malaga. Wie oft haben Sie hinterher Felipe Santana auf den Hinterkopf geschlagen, dass er Ihnen das Tor geklaut hat?
Schieber: Mit etwas Abstand dachte ich: "Santana, du Idiot, nimm deinen Fuß da weg!" (lacht) Ich habe aber in dem Moment wirklich nicht wahrgenommen, dass das ein Torklau war. Es war mir völlig egal, wer das Ding über die Linie gedrückt hat. Es war alles surreal. Das ist eines der positivsten Erlebnisse, die ich aus Dortmund mitnehme. Das Spiel wird von den Fans nie vergessen werden. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke.
SPOX: Neben diesem sehr positiven Erlebnis gab es aber auch Spottgesänge und Häme. Stichwort "Saufen, bis der Schieber trifft"...
Schieber: Den kenne ich noch gar nicht, der ist richtig gut. (lacht)
SPOX: Lässt man so etwas an sich ran?
Schieber: Auf der einen Seite nimmt man solche Schmähgesänge definitiv wahr. Andererseits habe ich eine große Anerkennung dafür empfunden, dass ich ein Arbeiter bin und immer alles gebe.
SPOX: Also ließ Sie das nicht an sich zweifeln?
Schieber: Heute würde ich da zu 100 Prozent drüberstehen. Damals habe ich vielleicht schon an mir gezweifelt. Das ist das, was ich mit Erfahrung meinte. Jetzt bin ich viel klarer im Kopf und habe Selbstvertrauen. Vielleicht hat es mich im zweiten Jahr mehr beschäftigt, als ich mir eingestehen wollte. Obwohl ich über Kevin Großkreutz Kontakt in die Dortmunder Fanszene bekam und dort Wertschätzung empfand.
Schieber über den Dönerwurf von Kevin Großkreutz
SPOX: Mit Großkreutz haben Sie auch die Dönerwurf-Geschichte erlebt. Wie lief das ab?
Schieber: Wir hatten einen freien Tag, an dem uns Manuel Friedrich Düsseldorf zeigen wollte. Der BVB und damit auch Kevin sind ja eher den Kölnern zugeneigt, daher haben wir uns stattdessen für einen Nachmittag in Köln entschieden. Am Abend wollten wir nach Hause, das Taxi stand schon bereit. Kevin hatte aber noch Hunger, also sind wir in den Dönerladen gegangen. Dort wurde Kevin von ein paar Leuten erkannt, die ein Foto mit ihm machen wollten. Er wollte aber nur schnell den Döner holen und ab ins Taxi. Als wir wieder draußen standen, haben ihn diese Leute mit Schmähgesängen verhöhnt. Kevin hat sich aufgeregt, da die Jungs ja gerade noch ein Foto mit ihm machen wollten. Es kam zum Disput und plötzlich lag der Döner auf dem Boden. Das Ganze löste sich aber schnell auf und wir saßen im Taxi. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich einige Anrufe von Kevin auf dem Handy, der mir per Sprachnachricht mitteilte, dass er wegen dieser Sache angezeigt wurde.
SPOX: Wie ging es weiter?
Schieber: Diese Geschichte war sehr unangenehm für Kevin und mich, wobei das medial viel größer gemacht wurde, als es war. Wir mussten uns ein wenig rechtfertigen, weshalb wir an unserem freien Tag unterwegs waren. Natürlich kann man im Nachhinein auch darüber lachen, wenn man an die ganzen Witze und Collagen zum Thema Kevin und Döner denkt. Für mich ist das aber ein warnendes Beispiel dafür, wie sich plötzlich der Wind drehen und man allein auf der bösen Seite stehen kann. Kevin ist zwar kein Kind von Traurigkeit, aber er hatte nur zwei, drei Fauxpas in seinem Leben. Dass die ihn nun scheinbar für immer begleiten, ist schade und unangemessen. Kevin ist ein guter Junge, sehr familiär und heimatbezogen.
SPOX: Nach der für Sie enttäuschenden zweiten Saison entschieden Sie sich dafür, den BVB zu verlassen. Was hat Sie von der Hertha überzeugt?
Schieber: Die Hertha war im Jahr davor aufgestiegen, frisch und motiviert. Ich habe als Stürmertyp genau in ihr Anforderungsprofil gepasst. Dazu waren die Gespräche mit Michael Preetz und dem damaligen Trainer Jos Luhukay sehr positiv. Ich hatte bei diesem Angebot einfach das beste Gefühl.
SPOX: Wie groß war die Umstellung auf die Weltstadt Berlin für Sie privat?
Schieber: Viele tauchen sofort ins Berlin-Leben ein und ziehen mitten ins Zentrum, um die Stadt pulsieren zu hören. Das war nicht mein Ding. Mit Hund und damals einem Kind, mittlerweile zwei, wollte ich lieber ans Randgebiet ziehen. Ich wohne am Wannsee, dort ist es eher ruhig. Insofern bekomme ich die Aufgeregtheit kaum mit.
SPOX: Empfinden Sie die Berliner Anonymität als Vorteil?
Schieber: Auf jeden Fall. Natürlich wird auch hier viel über Fußball geschrieben, du wirst als Sportler oder Künstler dennoch weniger wahrgenommen. Selbst Hollywood-Stars können sich in Berlin frei bewegen. Das gehört zur Identität der Stadt. Wenn ich angesprochen werde, sind es eher BVB-Fans. (lacht)
SPOX: Wie würden Sie Ihre bisherigen dreieinhalb Jahre bei der Hertha resümieren?
Schieber: Es ist sehr schade, dass ich so lange verletzt war. Man möchte einem Verein ja das Vertrauen zurückbezahlen. Ich habe mich am Anfang gut integriert und ein paar Tore geschossen. Aber dann kamen schnell die ersten Verletzungen und du wirst zum Einzelkämpfer. Da gab es viele einsame Tage. Nach meiner Rückkehr kam ich wieder gut rein, musste jedoch schnell wieder Rückschläge hinnehmen. Ich bin seit fast vier Jahren hier, habe allerdings wegen zweier großer Verletzungen kaum gespielt.
SPOX: Wie gehen Sie mit der vielen Zeit um, wenn Sie verletzt sind?
Schieber: Ich kann sehr launisch werden. Wenn das Knie drei Wochen hält und dann wieder reagiert, schlägt es mir sofort aufs Gemüt. In solchen Phasen kann man mich nicht aufmuntern und muss mich in Ruhe lassen. Aber das Wichtigste ist, dass ich das Ziel zurückzukommen nie aus den Augen verloren habe.
Julian Schieber über Pal Dardai und seine Zukunft
SPOX: Wie ist ihr Verhältnis zu Trainer Pal Dardai?
Schieber: Ich komme super mit ihm klar. Ich mag es, wenn ein Trainer relativ jung ist und selbst aus dem Profifußball kommt. Er weiß genau, was die Spieler brauchen, aber auch, was sie ankotzt. Er macht einen hervorragenden Job. Man muss sich nur mal anschauen, wie sich die Hertha entwickelt hat, seitdem er das Amt übernommen hat. Leider konnte ich ihm noch nicht über einen längeren Zeitraum den Julian Schieber zeigen, der ich sein möchte.
gettySPOX: Wie sehr fühlen Sie sich trotz Ihrer langen Ausfallzeit als Teil des Teams?
Schieber: Es ist schwierig, weil man nicht so oft bei der Mannschaft ist. Aber ich fühle mich in der Kabine voll akzeptiert und nicht als Außenseiter. Kabinenleben ist das, was den Fußball ausmacht. Dieses primitive Blödsinn-Gerede gehört einfach auch dazu. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Bundesliga und Kreisklasse, außer dass bei uns nach dem Training kein Bier getrunken wird. (lacht) Wenn ich aber verletzt bin und dem Team nicht helfen kann, halte ich meine Distanz, um keine Unruhe reinzubringen. In diesen Phasen motiviert mich eine Sache besonders.
SPOX: Und zwar?
Schieber: Dass verletzte Spieler in der Öffentlichkeit so schnell in Vergessenheit geraten, finde ich bedenklich. Viele sagen: "Der Schieber ist schon 29 und immer verletzt, der kommt sowieso nicht zurück." Genau diesen Leuten möchte ich zeigen, dass ich noch da bin.
SPOX: Im Sommer läuft Ihr Vertrag bei der Hertha aus. Wie sehen Ihre Überlegungen für die Zukunft aus?
Schieber: Es ist eine schwierige Situation für den Verein und mich selbst. Ich habe lange nicht gespielt, deswegen haben auch noch keine Gespräche stattgefunden. Für mich geht es erst einmal darum, wieder komplett fit zu werden und bis zum Ende der Saison gute Leistungen zu zeigen. Dann bin ich sicher, dass ich auch in der kommenden saisonin der Bundesliga spielen werde.
SPOX: Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie dieses Mal verletzungsfrei bleiben?
Schieber: Zuletzt hatte ich eine harmlose Muskelverletzung, das kann immer mal passieren. Aber in mein Knie habe ich großes Vertrauen. Daniel Didavi macht mir Mut. Was wurde bei ihm alles spekuliert. Und was war am Ende: Sein Knie ist fast so gut wie früher. Ich bin also guter Dinge. Mit 29 Jahren wegen einer Knieverletzung aufzuhören, wäre ohnehin nicht der Abgang, den ich mir wünsche.