"Viel mehr kann man nicht erreichen, das ist eine gefühlte Meisterschaft. Wir haben geliefert." Den Worten, die ein strahlender Schalke-Sportchef Christian Heidel nach dem 2:1-Sieg des FC Schalke 04 über den FC Augsburg zur Vizemeisterschaft verlor, kann man kaum widersprechen. Schalke hat geliefert, während bei der Konkurrenz aus Dortmund, Hoffenheim, Leverkusen und auch bei RB Leipzig die eigene Inkonstanz zur einzigen Konstante in dieser Spielzeit wurde.
Die Vizemeisterschaft der Schalker kommt daher wenig überraschend. Bereits zur Winterpause belegten die Königsblauen den zweiten Tabellenplatz. Vor knapp einem halben Jahr traute man dem Ganzen wohl selbst in Gelsenkirchen noch nicht so recht und bemühte sich, das Hinrundenergebnis nicht zu überhöhen, schließlich war der S04 mit nur 30 Zählern nach 17 Spieltagen der schlechteste Vize-Herbstmeister seit Einführung der Drei-Punkte-Regel.
Auch die maximal 63 Punkte, die Schalke in dieser Saison noch holen kann, sind eine der schlechtesten Ausbeuten für einen Tabellenzweiten in der Bundesligageschichte. Doch das alles wird Sportchef Heidel und sowieso allen Schalker Fans herzlich egal sein. Schließlich ist das, was im Fußball unter dem Strich zählt, das Ergebnis. Ergo: Punkte. Und gerade diese Phrase beschreibt den FC Schalke 04 anno 2017/18 mehr als treffend.
Nicht umsonst sah sich Trainer Domenico Tedesco insbesondere nach den zwar erfolgreichen, aber fußballerisch mageren Auftritten seiner Mannschaft gegen Hertha BSC, Mainz 05 und Wolfsburg mit der Frage nach dem unansehnlichen Fußball seiner Mannschaft konfrontiert.
Tedesco beim S04: Entwicklungshelfer statt Ergebnisfußballer
"Die Kritik trifft uns nicht", antwortete der 32-Jährige darauf. Der FC Schalke 04 sei eine Bundesligamannschaft, es gehe ums Gewinnen und es gebe keine Geschenke in einer Liga, "die in Europa am breitesten und besten besetzt ist". Spätestens seit dieser Aussage haftet Tedesco und seinen Schalkern das Stigma der sturen Ergebnisfußballer an, die zwar nicht schön spielen, dafür aber ungemein effektiv und erfolgreich.
Dass der Fußball, dem sich die Knappen unter Tedesco mit seiner Erfolgsformel in dieser Saison verschrieben haben, nur selten attraktiv und unterhaltsam war, ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Dass Tedesco sein Hauptaugenmerk aber ausschließlich auf Ergebnisse legt und das Schalker Spiel auch in der kommenden Saison dementsprechend aussehen wird, ist eine einseitige Auslegung von Tedescos Aussagen.
Denn Tedesco sieht sich auf Schalke in erster Linie als Entwicklungshelfer, der langfristig etwas aufbauen will: "Wir wollen uns nicht nur die Ergebnisse anschauen, sondern die Art, wie wir gespielt haben. Es geht darum, die Fehler, die wir gemacht haben, nicht mehr zu machen." Dass es ihm nicht nur ausschließlich um Ergebnisse geht, zeigt beispielsweise seine Analyse der beiden Spiele gegen RB Leipzig. Das Spiel in der Hinrunde hatten die Knappen zwar mit 2:0 gewonnen und dennoch gewann Tedesco von der 1:3-Niederlage im Rückspiel einen besseren Eindruck.
Tedesco-Prinzip beim S04: "Wissen, wo die eigenen Stärken liegen"
"Da waren wir in den ersten 30 Minuten einfach richtig gut und haben später über zwei Kontersituationen die Gegentore bekommen. Vorher hätten wir fast selbst das 2:1 gemacht. Die Leistung war beim Rückspiel einfach besser", analysierte er die Entwicklung seiner Mannschaft im Vergleich zwischen der Hin- und Rückrunde. Permanente Entwicklung ist das große Stichwort auf Schalke und Tedesco selbst sagt, dass "wir uns auch fußballerisch entwickeln wollen".
Allerdings müsse man wissen, wo die eigenen Stärken sind. Und diese Stärken, die im S04-Kader liegen, hat Tedesco erkannt und richtig eingesetzt: "Wenn wir mit Breel Embolo, Guido Burgstaller und Franco Di Santo vorne spielen, dann mag das für viele nicht der Ballbesitzfußball a la Barcelona sein, aber das wollen die Spieler auch gar nicht", sagte er im Gespräch mit der WAZ über die Spielweise des S04 in dieser Saison.
Angesichts der Abgänge von Leon Goretzka und Max Meyer, sowie den Neuverpflichtungen von Salif Sane und Mark Uth kann das Spiel der Schalker in der kommenden Saison also wieder ganz anders aussehen. Andere Spieler, andere Stärken. Der große Umbruch auf Schalke nach dem ersten Jahr unter Tedesco wird allerdings ausbleiben. Denn nicht zuletzt war der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft und des Trainerstabs einer der Hauptfaktoren für das Wiedererstarken des Revierklubs. Das bestätigte auch Burgstaller nach dem Sieg gegen Augsburg: "Wir arbeiten alle gerne zusammen und sind eine eingeschworene Truppe."
Saison | Trainer | Spiele | Tore | Diff. | Punkte | Platzierung |
2017/18 | Domenico Tedesco | 33 | 52:37 | +15 | 60 | 2 |
2016/17 | Markus Weinzierl | 34 | 45:40 | +5 | 43 | 10 |
2015/16 | Andre Breitenreiter | 34 | 51:49 | +2 | 52 | 5 |
2014/15 | Roberto Di Matteo | 34 | 42:40 | +2 | 48 | 6 |
2013/14 | Jens Keller | 34 | 63:43 | +20 | 64 | 3 |
2012/13 | Jens Keller | 34 | 58:50 | +8 | 55 | 4 |
2011/12 | Huub Stevens | 34 | 74:44 | +30 | 64 | 3 |
2010/11 | Ralf Rangnick | 34 | 38:44 | -6 | 40 | 14 |
Heidel, Tedesco und der S04: "Noch lange nicht da, wo wir hinwollen"
Tedesco wird sich davor hüten, die "eingeschworene Truppe" mit wilden Transfers auseinander zu reißen. Das würde einerseits nicht zu Tedescos langristigem Plan auf Schalke passen und andererseits entspräche das auch nicht dem Charakter von Christian Heidel. Die Mehreinnahmen durch die Königsklasse seien für ihn "ein Vorteil" bei der Planung, "aber wir werden jetzt keine Millionen aus dem Fenster werfen."
Es ist daher anzunehmen, dass Schalke sich nur punktuell verstärken wird, um die Abgänge von Goretzka und Meyer aufzufangen. Der Großteil des Teams wird hingegen zusammenbleiben. Neben Meyer und Goretzka haben nur Sascha Riether und der von Juventus Turin ausgeliehen Marko Pjaca auslaufende Verträge. Das garantiert Tedesco, seinen Plan der permanenten Entwicklung fortzusetzen.
"Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen," verkündete Heidel nach dem Erreichen der Vizemeisterschaft gegen Augsburg. Stagnation ist also selbst in erfolgreichen Zeiten auf Schalke unter Heidel und Tedesco zum Fremdwort geworden. Vieles spricht dafür, dass dies auch das Fußballerische in der kommenden Saison betreffen wird. Und falls nicht, zählt auf Schalke immer noch das Ergebnis.