Im Interview spricht Ufuk Sahin über das Engagement in Meinerzhagen, Spiele gegen die Teams von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke und Lukasz Piszczek, seine eigene Spielerkarriere und die Anfänge der Laufbahn von Nuri.
SPOX: Herr Sahin, die Mannschaft des RSV Meinerzhagen wird seit Beginn der Bezirksligasaison 2015/2016 von Ihrem Bruder Nuri unterstützt. Wie kam es dazu?
Ufuk Sahin: Relativ komisch. Es war an einem Sonntag, ich hatte mit dem RSV am Mittag ein Spiel. Damals habe ich nicht sehr regelmäßig gespielt, eher nach Lust und Laune. Morgens saß ich zusammen mit Nuri bei meiner Tante und frühstückte. Plötzlich fragte er mich: Hättest du nicht Lust, dass wir beim RSV zusammen als Trainer anfangen? Wäre eine coole Sache, habe ich geantwortet, aber bin nicht weiter darauf eingegangen.
SPOX: Was ist dann passiert?
Sahin: Ich ging zum Spiel und nach Schlusspfiff sehe ich, wie Nuri ins Gespräch mit dem Präsidenten vertieft ist. Als sie fertig waren, bin ich zu ihm hin und fragte: Was geht denn ab? Nuri sagte nur: Wir sind hier ab der nächsten Saison die neuen Trainer - und du musst jetzt zusehen, dass wir nicht noch absteigen. Er meinte das total ernst. Und daraufhin sind wir im Sommer wirklich voll eingestiegen.
SPOX: Der Kampf um den Klassenerhalt gelang. Was aber wurde aus dem vorherigen Coach?
Sahin: Cheftrainer Bayram Celik wurde kurz vor Saisonende entlassen. Unser aktueller Co-Trainer Mutlu Demir hat dann als Spielertrainer übernommen. Der RSV war also ohnehin auf Trainersuche für die neue Saison. Mutlu war auch völlig baff, als er von Nuris Plänen hörte. Gerade kämpften wir noch gegen den Abstieg in die Kreisliga A, plötzlich kommt Nuri an und jetzt ist unser Ziel die Oberliga.
SPOX: Haben Sie Ihren Bruder einmal gefragt, wie er auf diese Idee kam?
Sahin: Eigentlich nicht. Klar ist, dass er nach seiner Spielerkarriere im Fußball tätig bleiben möchte. Daher dachte ich mir, dass er den RSV gewissermaßen als Startschuss ansieht. Da war mir aber noch nicht klar, wie intensiv er das betreiben würde.
SPOX: Nuri wird auf der Homepage des RSV als Co-Trainer geführt. Der Vereinsvorsitzende Dirk Rebein sagte, er habe 2016 von 138 Trainingseinheiten 101 angeleitet.
Sahin: Das ist auch die Wahrheit. Anfangs dachte ich mir, er wird ab und zu mal kommen und ein bisschen aushelfen. Dass er nun so regelmäßig aufkreuzt, hat mich zunächst schon überrascht. Andererseits kenne ich ihn natürlich sehr gut und weiß, dass er keine halben Sachen macht. Gerade seitdem wir im Sommer in die Landesliga aufgestiegen sind, leistet Nuri einen großen Beitrag. Wann immer es ihm die Zeit erlaubt, kommt er zum Training und den Spielen. Aus Dortmund sind es nur 35 Minuten mit dem Auto zu uns. Nuri hat meistens um 18 Uhr quasi Feierabend beim BVB und um 19 Uhr beginnen drei Mal die Woche unsere Einheiten. Wir machen mittlerweile sogar Videoanalysen wie im Profibereich.
SPOX: Dank des Engagements Ihres Bruders hat der Verein nun eine neue Kabine und bessere Trainingsmaterialien bekommen. Was ist in Zukunft noch geplant, um den Klub zu modernisieren?
Sahin: Nuri ist das alles sehr professionell angegangen und hat durch seine Hilfe viel Neues in den Verein gebracht. Es gibt nun einen neuen ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden, wir stehen mit dem gesamten Vorstand im Austausch. Als nächstes werden wir sehr wahrscheinlich unseren Platz erneuern. Wir wollen auch die Tribüne ausbauen und ein Dach installieren, damit die Zuschauer vor dem Regen geschützt sind. Auch das Vereinsheim soll langfristig erneuert werden. Das sind alles Projekte, die wir idealerweise in ein, zwei Jahren abgeschlossen haben. Zudem wollen wir die Jugendteams mit lizensierten Trainern ausstatten.
SPOX: Der RSV steht aktuell mit fünf Punkten Vorsprung als Aufsteiger an der Tabellenspitze der Landesliga, der Aufstieg in die Westfalenliga ist also wahrscheinlich. Welche Rolle spielen Spielertransfers für die aktuelle Entwicklung?
Sahin: Natürlich keine unwichtige. Die Spieler, die uns interessieren, scouten wir mit dem gesamten Trainerteam. Ihre Spiele werden gefilmt, wir schauen nochmal genau drauf, fahren bei Interesse zu weiteren Spielen und führen die Gespräche. 90 Prozent der Spieler, die wir wollten und die hier aus dem Umland des Märkischen Kreis kommen, haben wir bekommen. Wir haben auch bei welchen angefragt, die zuvor in der Oberliga oder Regionalliga spielten, aber da war die Erfolgsquote deutlich geringer. Mittlerweile haben wir noch zwei Spieler der Mannschaft im Kader, die 2015 gegen den Abstieg kämpften. Zwei andere Spieler haben hier früher noch zusammen mit Nuri in der Jugend gespielt, einige andere spielten schon gegen ihn.
SPOX: Wie groß sind denn die spielerischen Fortschritte gerade der Spieler, die nicht schon höherklassig gespielt haben?
Sahin: Gerade bei den Jungs, mit denen ich selbst zusammengespielt habe, sehe ich eine extreme Entwicklung. Die sind jetzt alle besser als ich. (lacht) Zuvor wurden sie ja teilweise von irgendeinem Elternteil trainiert. Mittlerweile geht es wirklich sehr professionell zu und die Jungs haben großen Spaß daran. Wenn wir ein wichtiges Spiel gewinnen, stellen wir aber trotzdem auch mal einen Kasten Bier in die Kabine.
SPOX: Wie viele neue Sponsoren konnte denn die Marke Sahin seitdem an Land ziehen?
Sahin: Es sind deutlich mehr geworden, was aber auch daran liegt, dass wir zuvor kaum welche hatten. Nun sind viele Firmen aus der Umgebung dabei. Es gibt auch einige, die grundsätzlich Interesse angemeldet haben, aber das könnte möglicherweise erst dann konkret werden, wenn wir in höheren Ligen spielen sollten. Wir haben hier im Ort mit der Metallverarbeitungsfirma Otto Fuchs ein großes Unternehmen. Es wäre ideal, sie mit ins Boot zu holen. Würde uns das gelingen, dann sehe ich uns für die Zukunft sehr gut aufgestellt.
SPOX: War man seitdem schon einmal dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung ausgesetzt?
Sahin: Nein. Dass uns unsere Konkurrenten jetzt als FC Bayern der 7. Liga sehen, das glaube ich schon. Schließlich stehen wir als Aufsteiger an der Spitze. Sie wissen aber, dass wir hier nicht nur blind Geld hineinpumpen und plötzlich läuft auf einmal alles.
SPOX: Gegen den SV Rot-Weiß Erlinghausen hat es kürzlich mit einem Sieg geklappt. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist dort Präsident. War er auch beim Spiel?
Sahin: Ja, das 2:1 für uns war allerdings etwas unverdient. (lacht) Herr Watzke und auch Nuri waren vor Ort. Am Ende haben wir uns die Hand gegeben und ein bisschen geplaudert. Herr Watzke war ein fairer Verlierer. Nuri hängen Niederlagen des RSV ein bisschen mehr nach.
SPOX: Es kam auch schon zu Freundschaftsspielen zwischen dem RSV und LKS Goczalkowice Zdroj, dem Heimatklub von Lukasz Piszczek. Wie kam das zustande?
Sahin: Lukasz hatte Nuri einfach mal gefragt, ob man nicht gegeneinander antreten könne. Die erste Partie fand kurz nach unserem Einstieg beim RSV statt, bei dem Spiel war ich selbst aber nicht dabei. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir verloren. Ende November 2017 waren sie dann im Trainingslager in Deutschland. Wir haben uns auf einen Termin geeinigt und auf einem Nebenplatz des Dortmunder Stadions gespielt. Zur Pause lagen wir 0:2 zurück, am Ende haben wir noch ein 2:2 geschafft.
SPOX: Haben Sie Ihre eigene Spielerkarriere eigentlich unmittelbar an den Nagel gehängt, als klar war, Sie gehören künftig zum Trainerteam?
Sahin: So in etwa. Ich habe bis zur Saison 2014/2015 noch selbst als Stürmer gespielt. Als wir vergangene Saison als Meister feststanden, habe ich die letzten Spiele auch noch gespielt. Das wollte ich mir nicht nehmen lassen. (lacht) Und so wird das auch in dieser Saison so sein, wenn wir den Aufstieg frühzeitig klargemacht haben sollten.
SPOX: Welche Ambitionen haben Sie nun als Trainer?
Sahin: Es ist schön und macht Spaß, momentan fühle ich mich aber vielleicht noch einen Tick mehr als Spieler denn als richtiger Vollzeit-Trainer. Mutlu ist am stärksten von uns involviert. Ich gehe jetzt bald meine B-Lizenz an, Mutlu und Nuri haben sie schon. Nuri treibt mich da auch an und riet mir, alle Lizenzen zu machen. Langfristig gesehen will ich eines Tages Nuris Co-Trainer werden - am besten in der Bundesliga beim BVB.