Borussia Dortmund bricht an diesem Mittwoch zu seiner zweiten USA-Reise innerhalb von zwei Monaten auf. Ein paar WM-Urlauber fehlen dem BVB dabei noch, in Sachen Neuzugänge sind die Planungen jedoch weitestgehend abgeschlossen - bis auf einen Mannschaftsteil.
SPOX nimmt den aktuellen Kader von Lucien Favre unter die Lupe.
BVB: Die Situation im Tor
Personal: Roman Bürki, Marwin Hitz, Eric Oelschlägel
Fragezeichen: keine
Kandidaten: keine
Situation:
Verhältnismäßig hohe Fluktuation auf der Torhüterposition beim BVB: Roman Weidenfeller beendete seine Karriere, BVB-II-Stammtorwart und Nummer drei Dominik Reimann schloss sich Holstein Kiel an und der langjährige Torwarttrainer Teddy de Beer ist auch nicht mehr dabei. Sein Nachfolger Matthias Kleinsteiber hat in Hitz und Oelschlägel zwei neue Keeper in seinem Team.
Der 22-jährige Oelschlägel ersetzt Reimann eins zu eins und wird zumeist bei den Amateuren in der Regionalliga West zum Einsatz kommen. Die Situation um die Nummer eins im Kasten der Profis erscheint im Moment ähnlich eindeutig.
Bürki, dem von der Vereinsführung in der Vorsaison mitten in einer Phase schlimmer Patzer mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2021 der Rücken gestärkt wurde, geht als klarer Favorit ins Rennen mit seinem Schweizer Landsmann Hitz.
gettyHitz gab sich allerdings schon rund um seinen Wechsel angriffslustig und verzichtete freiwillig auf die WM, um rechtzeitig bei den Dortmundern auf der Matte zu stehen. "Ich will nochmal was anderes machen, Ziele erreichen, mich durchsetzen, zeigen und weiterentwickeln", sagte der ehemalige Augsburger.
Das hört sich nicht so an, als gebe sich der 30-Jährige kampflos mit der Rolle als Nummer zwei zufrieden. Nach dem ersten Testspiel bei Austria Wien (1:0) verkündete der neue Trainer Lucien Favre wenig überraschend, dass es "viel zu früh" für eine Einschätzung zu dieser Thematik sei.
Je länger Favre jedoch ein klares Bekenntnis vermeidet, desto eher könnte es zu Diskussionen kommen, die den BVB bereits in der Saisonvorbereitung vor drei Jahren begleiteten. Damals kam Bürki neu zur Borussia und Thomas Tuchel hielt sich (zu) lange bedeckt, wenngleich früh klar war, dass sich Bürki gegen Weidenfeller durchsetzen wird.
"Ich glaube, wer die Aussagen der Verantwortlichen von Dortmund gehört hat, weiß, dass ich wieder die Nummer eins bin. Marwin hat das wahrscheinlich auch gewusst, und es wurde ihm natürlich so kommuniziert", sagte Bürki kurz vor der WM gegenüber dem Schweizer Rundfunksender SRF.
Mit dieser Mutmaßung sollte Bürki, der in seine vierte Saison beim BVB geht, letztlich Recht behalten. Seine Hauptaufgabe wird jedoch sein, die Schatten aus seinem Spiel zu bekommen und noch konstanter zu werden. Trotz aller Kritik an Bürki muss jedoch auch festgehalten werden, dass in den letzten Jahren auch immer wieder viel Licht in seinen Leistungen dabei war.
BVB: Die Situation in der Abwehr
Personal: Manuel Akanji, Abdou Diallo, Ömer Toprak, Dan-Axel Zagadou, Marcel Schmelzer, Raphael Guerreiro, Lukasz Piszczek, Achraf Hakimi, Jeremy Toljan
Fragezeichen: Jeremy Toljan
Kandidaten: keine
Situation:
Im Defensivverbund sind die Planungen nach den Transfers von Diallo und Hakimi abgeschlossen. Jede Position für sich genommen wird interessant zu beobachten sein, denn Favre hat überall große Auswahl.
Dem Innenverteidigerpärchen Diallo und Akanji wird die Zukunft gehören, dazu muss man kein Prophet sein. Die Frage ist nur, wann die Zukunft genau beginnt, denn einen erfahrenen Spieler wie Toprak sollte man nicht abschreiben.
Der ehemalige Leverkusener hatte in seinem ersten Jahr bei den Schwarzgelben kein leichtes Standing, stabilisierte sich aber unter Peter Stöger enorm und trug bisweilen auch positiv zur Spieleröffnung bei. Aufgrund der hohen Anzahl an Spielen wird Toprak auf seine Einsätze kommen.
Ähnlich schwierig hatte es Zagadou, der unter Bosz zunächst auf der für ihn ungewohnten Linksverteidigerposition aushelfen musste und anschließend bei Stöger nur noch auf ein einziges Pflichtspiel kam. Die Zukunft des Franzosen liegt in der Mitte und dort wird er auch unter Favre seine Spiele bekommen - er geht jedoch als klare Nummer vier ins Rennen.
Blickt man auf die Flügel, war lange klar: Piszczek rechts und Schmelzer links. Es sollte nicht verwundern, wenn sich an dieser Begebenheit auch unter Favre nur wenig ändert. Doch bleiben alle fit, hat der Coach auch hier die Qual der Wahl.
Schmelzer kam aufgrund von Verletzungen nie in die letzte Saison, dazu schien ihn das Kapitänsamt zumindest in seinen Leistungen nicht gerade zu beflügeln. Die Binde hat der Linksverteidiger nun abgegeben, sein Konkurrent bleibt jedoch Guerreiro. Dem erging es im letzten Jahr ähnlich, auf 15 Pflichtspiele beschränkte sich seine Einsatzzeit.
Der Portugiese war unter Tuchel noch eine Option fürs Mittelfeld und könnte theoretisch auch bei Favre eine werden, angesichts der Vielzahl an Spielern in diesem Mannschaftsteil ist das aber schwer vorstellbar. Auch ein Wechsel des Spielers scheint ausgeschlossen: "Raphael hatte keine glückliche Saison. Wir sind aber froh, dass er jetzt verletzungsfrei ist - und hoffentlich wieder zu seiner alten Form findet", sagte Sportdirektor Michael Zorc.
Piszczek hat in Leihgabe Hakimi ein vielversprechendes Talent als Konkurrent gegen sich. Die Versuche, bereits in den Vorjahren eine ordentliche Alternative zum Polen zu finden, schlugen fehl. Piszczek, das wurde in der Folge seiner langwierigen Hüftoperation 2013 deutlich, braucht künftig mehr Pausen.
Hakimi bringt die Anlagen mit, dies zu gewährleisten. Der Marokkaner besticht als gelernter offensiver Flügelspieler durch seinen Zug nach vorne und Ballsicherheit, auch die Arbeit gegen den Ball sieht vielversprechend aus. Sollte Hakimi der Start gelingen, könnte es Piszczek schwer haben.
Bleibt Vorjahresneuzugang Toljan, der immer wieder mit einem Wechsel in Verbindung gebracht wird und ein Kandidat für die Verkleinerung des üppigen Kaders bleibt. Der Ex-Hoffenheimer überzeugte bislang nicht, ist aber für die rechte wie linke Seite eine Option. Andererseits spielten auch Zagadou und Akanji bereits links und der Weg vorbei an Piszczek und Hakimi scheint unrealistisch.
BVB: Die Situation im Mittelfeld
Personal: Thomas Delaney, Julian Weigl, Nuri Sahin, Mahmoud Dahoud, Mario Götze, Marius Wolf, Shinji Kagawa, Sergio Gomez, Dzenis Burnic, Sebastian Rode
Fragezeichen: Sebastian Rode, Nuri Sahin, Dzenis Burnic
Kandidaten: keine
Situation:
Zwar wird es auch interessant werden, wie Favre künftig die Spieleröffnung aus der Abwehr heraus strukturieren wird. Irgendwann landet der Ball aber idealerweise im Mittelfeld und welches Personal dann dort die weitere Strategie ausführt, gehört wohl zu den spannendsten Fragen beim BVB.
Gute Chancen besitzt in jedem Fall Neueinkauf Delaney, der mit Attributen wie Willen, Einsatz und Siegermentalität mithelfen soll, die verloren gegangene Identität des BVB zum Guten zu verändern. Er wäre offensiver ausgerichtet als Weigl, der in seinem ersten Jahr ohne Tuchel überhaupt nicht zurechtkam.
BVB: Dortmunds Abgänge nach der Saison 2017/18
Spieler | aufnehmender Verein | Ablösesumme in Mio. Euro |
Erik Durm | Huddersfield Town | ablösefrei |
Andriy Yarmolenko | West Ham United | 20,0 |
Sokratis | FC Arsenal | 16,0 |
Mikel Merino | Newcastle United | 7,0 (Kaufoption nach Ausleihe) |
Gonzalo Castro | VfB Stuttgart | 5,0 |
Dominik Reimann | Holstein Kiel | ablösefrei |
Felix Passlack | Norwich City | Leihe |
Roman Weidenfeller | - | Karriereende |
Michy Batshuayi | FC Chelsea | Leihende |
"Ich will dem Klub zeigen, dass ich eine wichtige Säule bin", sagte der Mittelfeldspieler am Saisonende. Das Problem: Die neue Spielzeit beginnt für ihn wie die alte. Weigl ist verletzt (Adduktoren-Reizung), eine Prognose für eine Rückkehr gibt es nicht. Gut möglich, dass Weigl länger pausieren wird.
Das eröffnet den zuletzt abgeschriebenen Sahin und Rode die Möglichkeit, sich bei Favre zu präsentieren. Beide werden immer wieder als Kandidaten für einen Wechsel genannt, doch besonders bei Sahin wäre ein Abgang eine Überraschung. Und Rode ist ein defensivstarker Sechser, der als Gegenpart zu Delaney durchginge.
Sollte Weigl rund um den Saisonstart ausfallen, werden die entscheidenden Fragen lauten: Ein Sechser oder Doppelsechs? Wie offensiv ausgerichtet spielt Delaney? Wie verlässlich ist der verletzungsgeplagte Rode?
Achten sollte man auch auf Dahoud, der in Gladbach erst zum Stammspieler wurde, als Favre sein Amt niederlegte. Dem U21-Nationalspieler fehlte in Dortmund bislang der Rhythmus. Er pendelte immer wieder zwischen Bank und Startelf, deutete bei einigen Einsätzen aber an, wie wertvoll er mit seinen Drehungen und Pässen als Achter für die Offensivbewegung werden könnte.
Damit sind auch die Stärken von Götze beschrieben, der beim Test in Wien die Binde trug und auf der Doppelsechs spielte. Nicht undenkbar, aber schwer vorstellbar, dass dies eine Lösung für die Zukunft bedeutet. "Ich weiß noch nicht, wie wir spielen werden", sagte Favre anschließend.
Auch in Nizza wechselte der Schweizer immer wieder die Systeme und man wird sich noch gedulden müssen, um eine Prognose für den Pflichtspielstart anzustellen. Klar ist: In einem flachen 4-4-2 würde es für Götze eng, denn ein Flügelspieler ist er nicht und die Konkurrenz zu stark. In einem 4-3-3 wäre er jedoch ein geeigneter Achter, zumal er auf dieser Position im verheerenden Vorjahr noch zu den konstantesten Dortmundern gehörte.
Acht oder Zehn lauten auch die Zahlen bei Kagawa, der die vergangene Rückrunde nach Problemen an Knöchel und Sprunggelenk größtenteils verpasste, zuvor unter Stöger jedoch aufsteigende Form bewies. Der Japaner könnte wie schon bei Bosz ein Härtefall werden.
Neueinkauf Wolf hätte man auch in die Kategorie "Angriff" packen können, doch der ehemalige Frankfurter ist besonders auf den Mittelfeldpositionen vielseitig einsetzbar. Bei der Eintracht kam er meist auf dem rechten Flügel zum Zug, aber auch auf der anderen Seite oder in der Zentrale.
BVB: Dortmunds Neuzugänge für die Saison 2018/19
Spieler | Abgebender Verein | Alter | Kolportierte Ablöse |
Abdou Diallo | 1. FSV Mainz 05 | 22 | 28 Millionen Euro |
Thomas Delaney | Werder Bremen | 26 | 20 Millionen Euro |
Marius Wolf | Eintracht Frankfurt | 23 | 5 Millionen Euro |
Eric Oelschlägel | Werder Bremen (Reserve) | 22 | ablösefrei |
Marwin Hitz | FC Augsburg | 30 | ablösefrei |
Achraf Hakimi | Real Madrid | 19 | Leihe |
Wolf sollte man nach bislang 33 Bundesligapartien Zeit zugestehen, sich an die höheren Anforderungen beim BVB zu gewöhnen. Favre wird den athletisch-dynamischen Youngster voraussichtlich vor allem auf den Flanken einsetzen. Sollte es auf Anhieb nicht für die Startelf reichen, hätte man in Wolf ähnlich wie bei Pulisic vor zwei Jahren einen guten Joker in der Hinterhand.
Um einen Platz im 18er-Kader kämpfen werden Gomez und Burnic, bei dem allerdings ein weiteres Leihgeschäft möglich ist. Burnic benötigt nach der verlorenen Zeit in Stuttgart dringend Spielpraxis, Gomez könnte die in Dortmund viel eher erreichen.
Stöger belohnte den Winterneuzugang bereits gegen Ende der letzten Saison mit zwei Kurzeinsätzen und dort zeigte sich, wie forsch und unerschrocken der Spanier aufspielen kann. Für ihn wird aber natürlich auch die kommende eine Saison des Lernens.
BVB: Die Situation im Angriff
Personal: Marco Reus, Maximilian Philipp, Andre Schürrle, Jadon Sancho, Christian Pulisic, Alexander Isak, Jacob Bruun Larsen
Fragezeichen: Andre Schürrle, Alexander Isak, Jacob Bruun Larsen
Kandidaten: Mario Mandzukic, Wilfried Zaha, Michy Batshuayi
Situation:
Der Sturm ist die größte Baustelle des BVB. Dort waren den Verantwortlichen nach dem erzwungenen Wechsel von Pierre-Emerick Aubameyang schon im Winter die Hände gebunden, das damalige Stürmerkarussell brachte schließlich Batshuayi in Schwung. Der Belgier machte seine Sache in einer schwierigen Situation mehr als ordentlich, die Lösung des Problems war aber auch er nicht.
Das liegt einerseits an seiner Vertragslage mit dem FC Chelsea, der einen Verkauf Batshuayis an eine üppige Ablösesumme (rund 50 Millionen Euro) knüpft. Die ist der BVB dem Vernehmen nach nicht zu zahlen bereit, weshalb die Suche nach einem echten Stürmer, der eine zweistellige Anzahl an Toren garantiert, weiter anhält.
Zudem ist Batshuayi taktisch limitierter als andere Kandidaten wie beispielsweise der zuletzt gehandelte Mario Mandzukic, der weiträumiger agiert und noch dazu seine Torgefahr bereits häufig genug unter Beweis gestellt hat.
Mario Mandzukic: Seine Leistungsdaten 2017/18 bei Juventus Turin
Wetbewerb | Spiele | Tore | Vorlagen |
Serie A | 32 | 5 | 3 |
Champions League | 6 | 4 | - |
Coppa Italia | 4 | 1 | 1 |
Supercoppa | 1 | - | - |
Sollte die Stürmer-Suche auf einem hitzigen Transfermarkt nicht von Erfolg gekrönt sein, baute sich Zorc vorsorglich schon Falltüren in seine Statements ein. "Einen Stürmer einfach nur um des Verpflichtens Willen zu verpflichten - davon bin ich kein Freund", richtete Zorc den Ruhr Nachrichten aus und unterstrich, "keine verrückten Sachen" machen zu wollen - worunter eine Batshuayi-Verpflichtung fallen dürfte.
Schwer vorstellbar jedoch, dass sich Favre ohne neuen Neuner zufrieden gibt, wenngleich er besonders in Gladbach nicht immer auf einen klassischen Angreifer fixiert war. In Isak steht aktuell nur ein echter Stürmer im Kader, Zorc brachte den vielseitigen Philipp als mögliche Alternative ins Spiel.
Die Anlagen des 18-jährigen Isak sind weiterhin gut genug, um diese Rolle eines Tages auszufüllen - aber nicht aus dem Stand. Der Schwede benötigt konstant Spielminuten und könnte noch ein Kandidat für eine Leihe werden.
Auch Schürrles Zukunft beim BVB ist nicht gesichert, es fehlt dem Weltmeister aber eine überzeugende Alternative zur Borussia. Rückkehrer Bruun Larsen, dessen Aufenthalt beim VfB ähnlich ernüchternd verlief wie bei Burnic, könnte ebenfalls noch abgegeben werden.
Obschon es an einem zentralen Angreifer mangelt, ist die Auswahl auf den offensiven Außen beachtlich. Das Quartett aus Reus (links oder zentral), Philipp (links oder zentral), Pulisic (rechts) und Sancho, geeignetes Spielermaterial für ein 4-3-3, dürfte das Gros an Spielzeit abkriegen.
Besonders auf den auf allen Offensivpositionen einsetzbaren Sancho darf man gespannt sein, nachdem er in der Vorsaison mit Tempo, Finten und Leichtfüßigkeit auf sich aufmerksam machte. Dem Engländer könnte unter Favre der Durchbruch gelingen.