SPOX: Wird das Ehrenamt in Ihren Augen ausreichend unterstützt?
Bell: Man könnte es den Ehrenamtlern in den Vereinen schon etwas leichter machen, gerade beim Thema Bürokratie. Ansonsten denke ich, dass das Ansehen nicht gelitten hat und vielen auch bewusst ist, wie wichtig das Ehrenamt ist. Für problematisch halte ich, dass sich in zu vielen Bereichen, zum Beispiel bei Verbänden oder dem Staat, darauf verlassen wird, dass es die Ehrenamtler schon richten werden.
SPOX: Inwiefern?
Bell: Nehmen wir zum Beispiel eine Einrichtung wie die Tafel. Die gibt es ja eigentlich nur, weil es der Staat nicht schafft, dass sich alle von ihrem Einkommen in irgendeiner Form ernähren können. Das ist im Grunde nichts anderes als eine Notlösung. Es benötigt allein dort so viele Ehrenamtler, die sich quasi engagieren müssen, damit das überhaupt irgendwie funktioniert. Ist doch klar, dass damit dann irgendwann die Ehrenamtler vertrieben werden.
SPOX: Das spielt in das Thema Vereinssterben auf dem Land mit hinein. Heutzutage gibt es sehr viel mehr Spielgemeinschaften als früher, damit der Spielbetrieb aufrechterhalten werden kann.
Bell: Ich finde, der Fußball hat vor Jahren eine Phase erlebt, in der er auf den Dörfern fast alleine war. Jeder ging in einen Fußballverein, weil es kaum eine Alternative und auch extrem viele Vereine gab - vielleicht mehr, als es im Normalfall geben sollte. Der Fußball hat für mich insofern kein strukturelles Problem. All dies hat sich nun jedoch stark verändert, die Angebote anderer Sportarten sind deutlich größer geworden und noch dazu gibt es weniger Kinder als noch zu Nachkriegszeiten. Es ist vielleicht mit einer Branche zu vergleichen, die sich konsolidiert.
Bell über Fan-Proteste, Druck auf die DFL und die Fußball-Übersättigung
SPOX: Viele Fußballfans berichten aufgrund diverser Entwicklungen mittlerweile von einem gesunkenen Interesse an ihrem Lieblingssport - auch, weil es offensichtlich ein Wunschtraum bleiben wird, gewisse Teile dieser Entwicklungen zu stoppen. Wie stehen Sie als Profi dazu?
Bell: Ich finde es grundsätzlich gut, dass es Punkte gibt, an denen die breite Masse der Fans sagt: Es reicht jetzt. Daher bin ich gespannt, wie die DFL beim nächsten Mal die Fernsehrechte ausschreibt. Denn daran wird man ja erkennen können, ob sie einen solchen Protest ernst nehmen oder ob es komplett ignoriert und es dann zehn Montagsspiele geben wird. Ich denke und hoffe ehrlich gesagt auch, dass man den Druck dort spürt.
SPOX: Was halten Sie in dieser Hinsicht von dem gerne angewandten Argument, auf andere Ligen zu verweisen, in denen sich bestimmte Modelle bereits etabliert haben?
Bell: Ich höre häufig als Argument: Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, dann müssen wir den Weg der anderen zwingend mitgehen. Die große Frage ist doch aber: Wollen wir eine Liga sein, die für die deutschen Fans attraktiv bleibt oder wollen wir alles in Kauf nehmen, um international wie finanziell mithalten zu können? Was letztlich nachhaltiger ist, weiß man jedoch nicht.
SPOX: Eine der angesprochenen Entwicklungen ist die Übersättigung und Reizüberflutung durch den Fußball. Ist die bei Ihnen bereits eingetreten?
Bell: Ich merke schon, gerade auch in meinem privaten Umfeld, dass eine Sättigung erreicht ist. Ich persönlich finde, dass man sich die Champions-League-Gruppenphase eigentlich nicht mehr anschauen muss. Auch bei der WM spürte man, dass es mittlerweile einfach zu viel und zu beliebig geworden ist. Die sonst übliche Vorfreude auf das Turnier gab es nicht. Jetzt kommt auch noch die Nations League und in vier Jahren gibt es eine WM in Katar, die extrem kritisch zu sehen ist. Ein paar Jahre später kicken dann 48 Mannschaften mit. Das ist ein Viertel der Welt, in Bezug auf die Qualität der Mehrzahl der Spiele kann man sich das dann sicher auch schenken.
SPOX: Glauben Sie, dass die vielzitierte Blase eines Tages platzen wird?
Bell: Nein, denn eine Blase platzt ja spontan, sehr stark und endgültig. Das wird nicht passieren. Ich glaube wie gesagt, dass es zu einer Art Konsolidierung kommt. Es gibt ja heute schon immer mal wieder freie Plätze in vielen Bundesligastadien, was sicher ein Stück weit auch mit den unterschiedlichen Anstoßzeiten zu tun hat. Und trotzdem ist ja das Verrückte, dass beispielsweise mehr Leute ein WM-Spiel zwischen Australien und Peru anschauen als beinahe jedes andere TV-Programm - und es somit dann doch wieder eine Berechtigung hat, das auch zu übertragen.