Peter Hyballa im Interview: "Götze braucht einen Freigeist- und keinen Struktur-Trainer"

Von Martin Volkmar
Mario Götze im Jahr 2011.
© getty
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SPOX/GOAL: Seit dem WM-Triumph zeigt die Leistungskurve bei ihm allerdings eher abwärts, unter Lucien Favre war er meist nur zweite Wahl. Was kann er tun, damit es wieder aufwärts geht?

Hyballa: Ich will ihm keine Tipps geben, das steht mir nicht zu. Er muss einfach weitermachen und vielleicht auch ein bisschen lockerer werden. Es gibt ja auch noch andere Dinge im Leben als Fußball. Aus meiner Außensicht sehe ich nur zwei Möglichkeiten: Entweder, er setzt sich bei Borussia Dortmund durch oder er geht ins Ausland. Aber es ist natürlich auch Kopfsache.

SPOX/GOAL: Inwiefern?

Hyballa: Er hört natürlich seit Jahren: Du bist der Beste, du bist der Tollste. Und er hat damals schon gesagt, dass er sich bei den besten Klubs der Welt sieht. Von daher hat er sich immer schon selber den meisten Druck gemacht. Das zeigt ja auch der Film. Er ist ein Perfektionist, aber dieser Anspruch zermürbt einen auch.

SPOX/GOAL: Aber das Fußball spielen hat er nicht verlernt?

Hyballa: Nein, spielen kann er immer noch. Aber er braucht offenbar den richtigen Trainer. Ich habe früher immer gedacht, Mario spielt in jeder Mannschaft. Doch anscheinend braucht er schon einen Freigeist-Trainer und keinen Struktur-Trainer. Mario ist selber ein Freigeist und mit so einem Spieler musst du vor allem viel sprechen. Und das verstehen nicht alle Trainer. Gerade in Deutschland.

SPOX/GOAL: Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Hyballa: Die junge Generation ist inhaltlich und fachlich überragend. In der Theorie sind die viel besser als wir, aber meine Generation ist beim Coachen auf dem Feld viel besser. Was uns fehlt, sind Querdenker, Trainer aus der Wildnis, die ein paar Mal entlassen worden sind. Diese Hermann-Gerland-Typen, die nicht direkt von der Uni kommen. Die können dann vielleicht kein PowerPoint oder Excel-Tabellen machen. Aber du brauchst in der Jugend auch ein paar von diesen Old-School-Typen, die echten Fußball riechen und schmecken. Ich glaube, dass der deutsche Fußball da ein Problem hat. Wir sind ein total stromlinienförmiges Land und spielen stromlinienförmigen Fußball. Also müssen wir taktisch noch besser werden, besser als alle anderen.

SPOX/GOAL: Und deshalb haben es Freigeister wie Götze oder auch Leroy Sane so schwer?

Hyballa: Es wird immer nach solchen Spielertypen gerufen, gerade nach dem WM-Aus. Aber ich glaube, eigentlich will man gar keine Individualisten - weder bei den Spielern noch bei den Trainern. Die Nachwuchsleistungszentren sind wie Studenten-WGs geworden: sehr akademisch, sehr intellektuell, sehr nett. Wenn ich bei Trainer-Fortbildungen mal so rede, wir mir der Schnabel gewachsen ist, kriegen manche rote Ohren. Aber ich finde, durch direkte Ansprache und Konflikte wird ein Spieler auch besser. Bei Mario Götze bin ich davon jedenfalls total überzeugt.

SPOX/GOAL: Sie hätten das als Trainer-Ausbilder beim DFB ändern können, haben aber nach wenigen Wochen aufgehört, um in die Slowakei zu gehen.

Hyballa: Ich habe beim DFB einfach eine eigene Mannschaft, den Platz und das Stadion vermisst, das habe ich mir vorher nicht eingestehen wollen. Und ich war nur einer von mehreren Ausbildern, aber nicht der Chef. Und wenn du in Deutschland etwas verändern willst, musst du einen Titel haben und erster Mann sein. Da war ich vielleicht auch zu ungeduldig, aber ich bin eben eher der Typ Häuptling. Deshalb würde ich auch nicht mehr als Assistent unter einem Chefcoach arbeiten.

SPOX/GOAL: Dann lieber arbeitslos?

Hyballa: Na ja... Nachdem ich in Nijmegen entlassen worden bin, hatte ich wirklich fast jeden Monat ein Vorstellungsgespräch - in Belgien, in Lettland, in Saudi-Arabien, in China, zweite Liga in Deutschland und England. Aber ich wurde nie genommen. Da war ich schon verzweifelt und habe überlegt, aus dem Fußball auszusteigen.

SPOX/GOAL: Und als Barkeeper zu arbeiten?

Hyballa: Nein. (lacht) Aber ich weiß, worauf Sie anspielen: Ich habe in Malta eine längere Trainerfortbildung gegeben und mein Vermieter dort hatte einen Pub und hat gefragt, ob ich da aushelfen kann. Habe ich gemacht. Morgens Jugendliche trainiert, mittags Trainerfortbildung gegeben, abends in der Kneipe gearbeitet. Aber auf Dauer ist das keine Alternative für mich.

SPOX/GOAL: Das heißt, Ihr großes Ziel bleibt weiter ein Job in der Bundesliga?

Hyballa: Ich bin ja halber Holländer, von daher wären neben der Bundesliga auch die Eredivisie oder England sehr interessant. Aber ich setze mich da nicht mehr unter Druck wie zu Beginn meiner Laufbahn. Ich würde es gerne machen, aber wenn es nicht klappt, verfalle ich nicht in Depressionen.

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