1926 erblickte ein Straßenjunge namens Kai das Licht der Welt. Erschaffen hat ihn der Autor Wolf Durian, der Kai beim Streben nach dem Status als "Reklamekönig" in eine Kiste steckt. Anschließen liefert er ihn beim "Schokoladenkönig" Mister Joe Allan ab und lässt ihn wetten, dass bis zum nächsten Morgen ganz Berlin über ihn reden wird.
Die Geschichte geht am Ende (natürlich) gut aus. "Kai aus der Kiste" erreicht unter größten Bemühungen sein Ziel. Es ist die Handlung eines Kinderromans, die die aktuelle Lage von Paco Alcacer bestens beschreibt. Auch Alcacer befand sich in seinen zwei Jahren beim FC Barcelona in einer Art Kiste.
Die vier Wände, der Deckel und der Boden dieser Kiste trugen diverse Namen. Oftmals war es Luis Suarez, der die Einsatzzeiten Alcacers bei den Katalanen im Sturmzentrum begrenzte. Manchmal waren es aber auch die Trainer, die sich für ein System oder eben andere Stars des katalanischen Ensembles entschieden und dadurch Alcacer zurück in die Kiste schickten.
FC Barcelona leiht Alcacer an BVB aus: Fehler von historischem Ausmaß
"Er war hervorragend, aber es wäre traurig, nur über sein Spiel zu reden", sagte Luis Enrique am Donnerstagabend, nachdem Alcacer bei seinem Comeback in der spanischen Nationalmannschaft nach zweieinhalbjähriger Abstinenz erneut aus der Kiste gekrabbelt war und einen Doppelpack schnürte.
Aufenthalte außerhalb jener Kiste, in die ihn auch Enrique in seinem letzten Jahr als Trainer der Katalanen immer wieder steckte, sind nach dem Wechsel Alcacers zum BVB ein Dauerzustand für den 25-Jährigen geworden.
Seitdem er das erste Mal das schwarz-gelbe Trikot der Dortmunder überstreifte, trifft Alcacer im Schnitt alle 27 Minuten, seinen Auftritt gegen Wales für die Furia Roja mit eingerechnet. Nicht nur wegen seiner beeindruckenden Torquote spottete die spanische Presse am Freitag über den Deal, den der FC Barcelona mit dem BVB geschlossen hatte.
Als "ein Fehler, der historische Ausmaße annehmen könnte", bezeichnete die Marca das Leihgeschäft, das dem BVB einen Topstürmer auf dem Silbertablett bescherte und Barca eine allein schon aus Rotations- und Fitnessgründen dringend benötigte Option zum alternativlosen Suarez wegnahm.
Paco Alcacer wird für den BVB zum "Schnäppchen" beim fixem Kauf
"Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir die Kaufoption jederzeit bis zum Ende der Saison ziehen können und keiner dazwischenfunken kann", sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc erst kürzlich, angesprochen auf die Pläne der Schwarz-Gelben mit dem Spanier.
Noch während Alcacer am Donnerstag im Waliser Millenium Stadion dem FC Barcelona mit seinen zwei Toren einen netten Gruß schickte, berichteten deutsche Medien übereinstimmend, dass der BVB von eben jener Kaufoption Gebrauch gemacht und sich mit dem Spanier auf einen Vertrag bis 2023 geeinigt habe. Kostenpunkt: 25 Millionen Euro.
Ein Schnäppchenpreis, verglichen mit den Summen, die andere Klubs aktuell für ihre Stürmer hinblättern. "Sie sollten sich die Haare raufen, wenn sie seine Leistungen sehen", stellte die Marca daher auch mit Blick auf die aktuelle Ergebniskrise der Katalanen fest (vier Spiele in Folge ohne Sieg).
Alcacers Leistungsdaten bei Dortmund, Barca, Valencia und Getafe
Verein | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Borussia Dortmund | 4 | 7 | - |
FC Barcelona | 50 | 15 | 8 |
FC Getafe | 24 | 4 | 1 |
FC Valencia | 124 | 43 | 17 |
Allgemein stellt sich die Frage, warum sich die Katalanen im Fall von Alcacer kein Hintertürchen für eine mögliche Rückholaktion offengelassen haben. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der BVB bei einer etwaigen Klausel nach den Erfahrungen aus der vergangenen Saison mit Michy Batshuayi nicht auf eine Leihe eingelassen hätte.
Barca ging also wie Mister Joe Allen aus Durians Kinderroman eine Wette mit "Paco aus der Kiste" und dem BVB ein, hoffte auf Spielpraxis für Alcacer und eine Rückkehr. Und wie der Schokoladenkönig verloren die Katalanen offenbar nun diese Wette. Zumindest spricht mittlerweile nicht nur ganz Berlin oder Dortmund, sondern ganz Deutschland und Spanien über Alcacer.
Paco Alcacer blüht beim BVB auf: "Bin einfach nur glücklich"
Über seine eigenen Leistungen wollte der Doppeltorschütze am Abend seiner geglückten Rückkehr in die spanische Nationalmannschaft gar nicht so ausführlich reden.
"Ich bin sehr zufrieden, dass ich der Mannschaft mit meinen Toren helfen konnte. Am Ende sind es aber Tore der gesamten Mannschaft", übte sich Alcacer in Bescheidenheit und begründete seinen aktuellen Lauf mit seinem frisch getankten Selbstvertrauen und harter Arbeit.
Bei der Borussia wolle er sich hingegen weiter mit Einsatz und Toren bedanken, schließlich sei er "einfach nur glücklich in Dortmund. Der BVB war für mich genau der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt", konstatierte Alcacer am vergangenen Sonntag, nachdem er den BVB mit einem Dreierpack nach Einwechslung zum Sieg über den FC Augsburg geschossen hatte.
Ehe Paco sich erneut "mit Einsatz und Toren" beim BVB und seinen Fans bedanken kann, trifft er mit Spanien in der Nations League noch auf England (Mo., 20.45 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER). Ob Alcacer dann erneut von Beginn an spielt, ließ Spaniens Trainer Enrique offen, schließlich gebe es "so viele gute Spieler mit großem Hunger". Doch auch Enrique weiß nun, dass Paco besser außerhalb der Kiste aufgehoben ist.