Mit SPOX und Goal sprach Hitzfeld über die Gründe für die Krise seines Ex-Klubs FC Bayern und die Probleme von Niko Kovac, den Dortmunder Höhenflug unter Lucien Favre sowie den Neuaufbau der deutschen Nationalmannschaft.
SPOX/Goal: Herr Hitzfeld, 2007 war nicht nur das Jahr, in dem SPOX das Licht der digitalen Welt erblickte, sondern auch das Jahr, in dem Sie überraschend ihr Comeback als Trainer des FC Bayern gaben. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Ottmar Hitzfeld: Bei Bayern hat es damals im Februar 2007 ein bisschen gebrannt, aber ich hätte trotzdem niemals gedacht, dass ich nochmal zurückkomme. Ich war gerade in Engelberg in der Schweiz, als der Anruf von Uli Hoeneß kam. Ich habe mich überreden lassen, aber gesagt, dass ich es nur bis zum Saisonende mache. Doch wir haben gleich Real Madrid aus der Champions League geworfen und mir hat es direkt wieder Spaß gemacht, so dass ich noch ein Jahr verlängert habe.
SPOX/Goal: Sind Sie im Rückblick froh, dass Sie das nur dieses eine Mal gemacht haben und nicht die vielen anderen Male, wo Klubs wie der BVB Sie angerufen haben?
Hitzfeld: Natürlich. Ich bin zufrieden mit den Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Der Gewinn des Doubles mit Bayern 2008 war sicherlich ein krönender Abschluss meiner Zeit als Bundesliga-Trainer.
Hitzfeld: FC Bayern über dem Zenit? Kleiner Einbruch "normal"
SPOX/Goal: 2007 gelang es Ihnen nach zuvor zwei souveränen Meisterschaften unter Felix Magath allerdings nicht mehr, den FC Bayern in die Champions League zu führen. Ist die aktuelle Mannschaft vielleicht ähnlich über ihren Zenit wie damals?
Hitzfeld: Ich halte nichts von solchen Vergleichen. Aber sicherlich ist es bei Bayern München damals wie heute normal, dass alles hinterfragt wird, wenn man nicht an der Spitze steht. Der Verein polarisiert in ganz Deutschland, deshalb hat man auch immer gleich Unruhe, wenn es nicht läuft. Allerdings ist es auch normal, dass es mal einen kleinen Einbruch gibt, wenn man so viele Jahre souverän die Liga dominiert hat.
SPOX/Goal: Der FC Bayern hat dann im Sommer 2007 mit einer großen Einkaufstour auf die schwache Saison reagiert und unter anderem Franck Ribery, Luca Toni und Miroslav Klose geholt. Wird das im nächsten Sommer wieder die Konsequenz sein?
Hitzfeld: Die Bayern-Verantwortlichen wissen auch, dass sie wieder mehr Alternativen im Kader schaffen müssen. Den etablierten Spielern fehlt derzeit der Konkurrenzkampf, natürlich auch wegen der Verletzungen von Spielern wie Tolisso, Coman und James.
SPOX/Goal: Müssen sich langjährige Stammkräfte wie Javi Martinez, Jerome Boateng oder sogar Thomas Müller Sorgen um Ihre Zukunft in München machen?
Hitzfeld: Das ist zu früh für ein Urteil. Aber jeder Spieler steht jetzt auf dem Prüfstand und muss beweisen, dass der FC Bayern nicht auf ihn verzichten kann.
SPOX/Goal: Hätte man den Umbruch nicht schon in diesem Sommer vornehmen müssen?
Hitzfeld: Wenn man so erfolgreich ist wie Bayern in den letzten Jahren, dann empfindet man oft auch Dankbarkeit den verdienten Spielern gegenüber. Aber jetzt ist sicherlich allen klar, dass der Klub den ein oder anderen Transfer machen und die Verjüngung vorantreiben muss. Das haben die Bosse ja auch klar gesagt.
Hitzfeld: Kovac für den FC Bayern "auf alle Fälle der richtige Trainer"
SPOX/Goal: Wie sehen Sie die Situation von Niko Kovac, der bereits deutlich in der Kritik steht?
Hitzfeld: Wenn es nicht läuft, muss man bei Bayern immer mit Kritik leben. Und dann melden sich natürlich auch die Spieler zu Wort, die nicht zum Einsatz kommen. Das sollte man nicht überbewerten. Ich halte sehr viel von Niko Kovac. Er ist ein Leadertyp und eine Persönlichkeit und deshalb auf alle Fälle der richtige Trainer für Bayern München. Aber er braucht natürlich auch die Qualität, um das Optimum herauszuholen. Und die fehlt aktuell teilweise im Kader.
SPOX/Goal: Umgekehrt ist Lucien Favre derzeit der Mann der Stunde. Wie groß ist sein Anteil am Dortmunder Erfolg?
Hitzfeld: Ich kenne ihn schon sehr lange, wir haben selbst noch in der Schweiz gegeneinander gespielt. Lucien Favre ist ein akribischer, moderner Trainer, der nie zufrieden ist. Er lässt offensiven Fußball spielen und achtet trotzdem auf die defensive Organisation. Dortmund hat nach der etwas enttäuschenden letzten Saison die richtigen Lehren gezogen und ist beim Umbau den Bayern einen Schritt voraus. Da ist dank der starken Neuzugänge wesentlich mehr Konkurrenz im Kader.
SPOX/Goal: Der BVB hat nach dem Sieg im Spitzenspiel bereits sieben Punkte Vorsprung auf Bayern. Wie realistisch ist die Meisterschaft?
Hitzfeld: Zunächst einmal ist es für die Bundesliga enorm wichtig, dass endlich wieder Spannung herrscht. Danach hat sich ja jeder gesehnt. Jetzt ist Dortmund wieder vorne, weil sie am oberen Limit spielen. Die Frage wird aber sein, wie sie mit Rückschlägen umgehen werden. Ich glaube nach wie vor, dass Bayern am Ende Meister wird. Die Saison ist noch lang und Bayern darf man nie abschreiben.
SPOX/Goal: Die ungewohnte Spannung wertet die Bundesliga zwar auf, andererseits hat die Nationalmannschaft das schlechteste Jahr ihrer Geschichte hinter sich und ist nach dem Abstieg aus der Nations League nur noch zweitklassig. Wo steht der deutsche Fußball also international?
Hitzfeld: Es war ein äußerst schwieriges Jahr mit dem schweren Rückschlag durch das WM-Vorrundenaus. Aber jetzt ist man den Umbruch angegangen mit den vielen guten jungen Spielern. Daher bin ich trotz aller negativen Ergebnisse optimistisch und habe wieder die Hoffnung, dass da etwas Großes heranwachsen kann.
Hitzfeld: Festhalten des DFB an Löw "der einzig richtige Weg"
SPOX/Goal: Jogi Löw stand nach dem WM-Aus und der folgenden Niederlage in den Niederlanden auf der Kippe. Davon ist aktuell trotz des Abstiegs in die B-Gruppe keine Rede mehr. Ist es aus Ihrer Sicht richtig, am Bundestrainer festzuhalten?
Hitzfeld: Ja, denn das Spiel in den Niederlanden war nicht so schlecht wie das Resultat. Aber es war der Auslöser, den Umbruch schneller anzugehen. Ich finde es gut, dass man Jogi Löw diesen Neuaufbau gestalten lässt. Er hat schließlich Großartiges für Deutschland geleistet. Das ist der einzig richtige Weg.
SPOX/Goal: Ganz im Gegensatz zur DFB-Elf hat sich Ihre letzte Mannschaft, die Schweiz, nach einem begeisternden 5:2 über Belgien für die Finalrunde der besten vier Teams der Nations League qualifiziert. Kann die Schweiz als Vorbild für Deutschland dienen?
Hitzfeld: So krass möchte ich das nicht sagen. Aber die Schweiz hat gezeigt, was im Fußball alles möglich ist. Der Sieg gegen Belgien hat bewiesen, welche Qualität in dieser Mannschaft steckt. Deshalb ist der Erfolg für mich kein Zufall. Angesichts von nur acht Millionen Einwohnern kann man das allerdings nicht hoch genug einschätzen.