Borussia Dortmund hat den Argentinier Leonardo Balerdi verpflichtet. Der 19 Jahre alte Innenverteidiger gilt als großes Talent und ist noch bezahlbar - damit passt er perfekt ins Beuteschema des BVB. Ob er auch im Kampf um die Meisterschaft eine Rolle spielen wird, hängt allerdings von der Verletzungsmisere des Tabellenführers ab.
Seit dem Jahreswechsel pfiffen es die Spatzen in Argentinien von den Dächern, nun ist der Transfer durch: Leonardo Balerdi wird ein Borusse. Am Montag gab der BVB den Wechsel bekannt. Als Ablösesumme werden rund 16 Millionen Euro gehandelt.
Macht etwa drei Millionen Euro pro Ligaspiel, das Balerdi für die Juniors bislang absolviert hat.
Wieder einmal ist Schwarz-Gelb der Konkurrenz einen Schritt voraus. Schließlich wird Balerdi in nicht einmal einer Woche, am 20. Januar, mit der U20 Argentiniens erstmals bei der CONMEBOL Sudamericano Sub-20auf dem Platz stehen, als einer von drei Boca-Spielern. Genau sechs Tage später wird er 20 - und nach Abschluss der Kontinentalmeisterschaft hätte er schon nicht mehr zu bezahlen sein können.
Jetzt ist er es noch, auch wenn es eine veritable Summe ist, die der BVB für das Innenverteidiger-Greenhorn auf den Tisch legt. Eine, mit der beide Seiten aber noch leben können.
"Argentinien hat immer gute Verteidiger gehabt", sagte der frühere Bundesliga-Profi Rodolfo Esteban Cardoso zu SPOX und Goal. "Manchmal hat es mit der Größe nicht gepasst, aber sie waren immer schnell, aggressiv und fokussiert." Bekannt waren die Südamerikaner zwar vor allem für ihre Offensivspieler - "aber vielleicht sind die derzeit etwas zu teuer für die meisten Bundesliga-Klubs."
Balerdi-Transfer: Ein Kompromiss für Boca und den BVB
Zweifellos hätte Boca-Juniors-Präsident Daniel Angelici das Turnier gerne noch abgewartet: Balerdis Stern hätte dort noch heller erstrahlen und er die großen Klubs Europas gegeneinander ausspielen können. Schließlich waren in der Vergangenheit auch schon die Roma und der FC Barcelona interessiert. "Es ist eigentlich nicht die Absicht von Boca, Spieler abzugeben, vor allem keine jungen", sagte er am Montag in einem Radiointerview.
Doch so hätte er riskiert, mit nur jenen zehn Millionen US-Dollar dazustehen, die Balerdis Ausstiegsklausel verlangt. "Der Spieler wird unruhig und es ist nachvollziehbar, dass er den Schritt wagen will", musste Angelici zugeben. Auch aus Dankbarkeit zu seinem Verein hatte Balerdi diese Klausel nicht gezogen.
Das Ende vom Lied: Die Boca Juniors werden für Balerdis sechs Jahre in Buenos Aires angemessen vergütet, Dortmund vermeidet ein Wettbieten mit der europäischen Konkurrenz. Und der Spieler selbst wechselt vom Tabellensechsten Argentiniens zum Spitzenreiter in der Bundesliga.
Balerdi beim BVB: Das nächste Abwehrtalent
Zu einem Klub, der in den letzten Jahren zwar keine perfekte Bilanz hatte, wenn es um Supertalente ging. Der aber drauf und dran ist, die Bayern vom Thron zu stoßen und in den letzten Jahren so viele gute, junge Spieler angesammelt hat, dass er es sich leisten kann, das größte amerikanische Talent der Geschichte an den FC Chelsea zu verkaufen.
Auch junge Verteidiger hat der BVB eigentlich zur Genüge im Kader. Dan-Axel Zagadou, Manuel Akanji und Abdou Diallo, keiner älter als 23. Das Problem: Alle drei sind verletzt. Zagadou (Fußprellung) und Diallo (Muskelfaserriss) wackeln zum Rückrundenauftakt, die lädierte Hüfte von Abwehrchef Akanji könnte gar zum Saisonaus führen.
Die Borussia musste also noch etwas machen im Abwehrbereich. "Wir schließen nichts aus", sagte Sportdirektor Michael Zorc am Freitag. Trotz unheilvoller Prognosen im Fall Akanji hat man sich aber offenbar dagegen entschieden, einen erfahrenen Mann als Lückenfüller zu verpflichten.
Stattdessen fährt Dortmund konsequent die Jugendschiene und wendet die vereinseigenen Ressourcen dafür auf, Spieler mit hohem Wiederverkaufswert zu verpflichten. Wenn möglich zweigleisig: Balerdi ist einerseits ein mittel- bis langfristiges Projekt. Andererseits könnte er aber auch schon in der Rückrunde gebracht werden, sollte das BVB-Lazarett nicht zusammenschrumpfen.
Dafür ist Balerdi noch nicht bereit, er kann noch nicht bereit sein. Doch Zorc legt seinem Trainer Lucien Favre einen Rohdiamanten in die Hände, der überraschend wenige Ecken und Kanten aufweist.
Balerdi als Spielertyp: Groß, schnell, gut am Ball
Die Anlagen sind zweifellos vorhanden: Mit 1,88 Metern Körpergröße besitzt Balerdi Gardemaß - gut möglich, dass sogar noch der eine oder andere Zentimeter dazukommt. Für seine Größe ist er überdies schnell unterwegs, vor allem bringt er auf den ersten Metern eine sehr gute Beschleunigung mit, die es ihm möglich macht, dem Gegenspieler in Windeseile auf den Füßen zu stehen.
"Er ist ein schneller Spieler, erkennt Situationen schnell und kann den Ball gut behaupten", erklärt der Boca-Korrespondent German Boero von Goal. "Der frühere Argentinien-Coach Cesar Luis Menotti vergleicht ihn mit Boca-Legende Antonio Rattin. Balerdis großes Vorbild ist Gerard Pique."
76 Kilogramm Körpergewicht weist die Boca-Homepage aus, doch wer die zahlreichen Instagram-Schnappschüsse Balerdis konsultiert, stellt angesichts breiter Schultern und definierter Oberarme fest, dass diese Zahl vermutlich der Vergangenheit angehört. Ein Hänfling ist der Teenager, der 700 Kilometer westlich von Buenos Aires in der Provinz San Luis aufwuchs, mit Sicherheit nicht. Abschalten kann Balerdi vor dem Bildschirm. "Er spielt in seiner Freizeit gerne Fortnite", sagt Boero.
Balerdi als Sparringspartner von Lionel Messi
Laut der Fußball- und Datenplattform Wyscout gewann Balerdi in seinen bisher erst fünf Ligaeinsätzen 75 Prozent seiner Kopfballduelle und schlug sich auch sonst so gut, dass er in seinem zweiten Spiel überhaupt gegen Rosario Central zum besten Spieler gekürt wurde.
Balerdi ist gut am Ball und technisch versiert, was auch daran liegt, dass er erst von den Boca Juniors aus dem defensiven Mittelfeld in die Abwehr zurückgezogen wurde. Zudem blieb er auch bei gegnerischem Druck ruhig und spielte den Ball zum Keeper zurück oder drosch ihn in die Zuschauer, wenn es denn nötig war.
Aber es werden auch die kleinen Dinge sein, die die BVB-Scouts überzeugten: Die Art und Weise, wie er Gegenspieler auf die Seite ihres schwächeren Fußes dirigierte und die Seitenlinien zu Hilfe nahm. Wie er die Linie der Abwehrkette hielt oder im richtigen Moment situatives Pressing spielte.
Kann er dem BVB jetzt schon helfen? "Schwer zu sagen", findet German Boero. Einmal hat er sich jedenfalls schon mit den ganz Großen gemessen. "Balerdi reiste mit der argentinischen Delegation zur WM 2018 in Russland", sagt Boero, "als Mitglied der Sparringspartner-Mannschaft der Albiceleste vor Ort." Gegen Messi und Co.