Marcel Schmelzer und seine Situation beim BVB: Der Plan wackelt

Jochen Tittmar
01. März 201912:23
Marcel Schmelzer ist beim BVB derzeit aufs Abstellgleis geraten.getty
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Nach einem guten Saisonstart und einer langwierigen Verletzung ist Marcel Schmelzer bei Borussia Dortmund unter Trainer Lucien Favre mittlerweile zu einem Nebendarsteller degradiert worden. Beim Auftritt beim FC Augsburg (20.30 Uhr im LIVETICKER) fehlt der Linksverteidiger angeschlagen im Kader. Aufgrund der stark gesunkenen Perspektive könnte Schmelzers lange geschmiedeter Plan ins Wackeln geraten.

Jetzt fehlen bei Borussia Dortmund nur noch zwei. Als Dan-Axel Zagadou am Sonntag gegen Leverkusen zum 1:0 für den BVB traf, wurde er der bereits 18. Torschütze des Tabellenführers in dieser Saison. Der Rekord liegt bei 20 verschiedenen Spielern, aufgestellt von Werder Bremen in der Spielzeit 2007/08.

Winter-Neuzugang Leonardo Balerdi und Youngster Sergio Gomez wären weitere Kandidaten bei den Schwarzgelben, doch beide haben unter Trainer Lucien Favre bislang noch keine Minute gespielt. Von den bereits eingesetzten Kickern käme lediglich der zuletzt im Januar 2017 noch als Bayer-Spieler erfolgreiche Ömer Toprak in Frage - und Marcel Schmelzer.

Doch der Linksverteidiger, in den vergangenen beiden Jahren Kapitän der Dortmunder, wird derzeit andere Sorgen haben, als mal wieder ein Tor zu erzielen. Zum Beispiel, mal wieder ein paar Spielminuten zu bekommen.

Hakimi-Aufstieg beim BVB fällt in Schmelzers Abstinenz

Schmelzer ist unter Favre zu einem Nebendarsteller degradiert worden. Dabei setzte der Coach zu Beginn seiner Amtszeit in Dortmund noch gerade deshalb auf Schmelzer sowie den gleichfalls erfahrenen Lukasz Piszczek in der Viererkette, um eine gewisse Grundstabilität zu garantieren.

Sieben Startelfeinsätze in den ersten sieben Pflichtspielen kamen so für den 31-Jährigen zusammen und wer weiß, was passiert wäre, hätte sich Schmelzer am 5. Bundesligaspieltag nicht verletzt. Zweieinhalb Monate setzte ihn ein Knochenödem außer Gefecht.

Seitdem hat sich in der BVB-Viererkette vieles getan - vieles beabsichtigt, manches aufgrund von Verletzungen erzwungen. Der Aufstieg des beidseitig einsetzbaren Achraf Hakimi beispielsweise ging genau in Schmelzers Abstinenz vonstatten. Nur noch beim 2:0-Auswärtssieg gegen Monaco in der Champions League war in der letzten Reihe Platz für Schmelzer.

Favre über Schmelzer: "Es sind sportliche Gründe"

Dass die Perspektiven des 16-maligen Nationalspielers zusehends gesunken sind, diesen Eindruck hat das Jahr 2019 noch einmal untermauert. Nur zwei Einwechslungen und 33 Minuten Spielzeit stehen dort in Schmelzers Akte. Zuletzt musste er den Niedergang in Wembley beim 0:3 gegen Tottenham hautnah miterleben.

Das kam für viele Beobachter schon reichlich überraschend, schließlich war die Borussia in London von einer echten Verletztenmisere geplagt und musste im Abwehrverbund experimentieren. Statt trotz geringer Spielpraxis auf Schmelzers Erfahrung in solchen Partien zu setzen, ließ Favre aber lieber den formschwachen gelernten Innenverteidiger Abdou Diallo auflaufen - und entschied sich trotz geringer Spielpraxis für den mehr als zwei Monate lang verletzten Zagadou.

Das meint alles, könnte man mit einem Lieblingssatz von Favre dazu sagen. Oder den Coach besser selbst sprechen lassen. Zu Schmelzers Reservistendasein sagte der Schweizer nach dem 0:0 in Nürnberg: "Es sind sportliche Gründe, denn wir haben viele Lösungen. Sie können sich vorstellen, wenn Piszczek und Akanji zurückkommen: Piszczek kann Rechtsverteidiger und Akanji überall spielen. Das ist so. Und Hakimi war auch auf der Bank."

Schmelzer-Unheil seit zwei Jahren im Gange

Der Trainer verdrehte dabei etwas die Augen und schüttelte auffällig mit dem Kopf, als wolle er sagen: Wo soll ich da einen wie Schmelzer noch spielen lassen? Bereits gegen Eintracht Frankfurt waren es "sportliche Gründe", diesmal von Sportdirektor Michael Zorc verkündet, die Schmelzer einen Platz auf der Tribüne bescherten. Auch am Freitagabend gegen den FC Augsburg wird der Routinier im Kader des BVB fehlen.

Damit findet für Schmelzer ein persönliches Unheil seine Fortsetzung, das bereits seit rund zwei Jahren im Gange ist. Das nicht zu ihm passende Kapitänsamt, die Turbulenzen um den Anschlag auf den Mannschaftsbus, die Posse um die Trennung von Thomas Tuchel, Schmelzers Ein-Spiel-Ausbootung durch Peter Stöger, ohnehin die gesamte Auf-und-Ab-Saison im letzten Jahr, parallel dazu auftretende Verletzungen - blickt man auf Schmelzers Karriereverlauf seit 2008, ist gegenwärtig schlicht eine Abwärtsspirale zu erkennen.

Die ging sogar so weit, dass bei seiner Einwechslung gegen Hannover Ende Januar nicht zum ersten Mal vereinzelte Pfiffe im Dortmunder Stadion zu hören waren. Diese kamen zwar von einer klaren Minderheit, belegen angesichts von Schmelzers beeindruckender BVB-Vita (357 Pflichtspiele, zwei Meistertitel, zwei Pokalsiege) jedoch, dass der Selbstheilungsprozess der zuletzt gespaltenen Dortmunder Fanszene noch längst nicht abgeschlossen ist.

Marcel Schmelzer: Die Leistungdaten seiner BVB-Karriere

WettbewerbPflichtspieleToreAssists
Bundesliga249222
DFB-Pokal3520
Champions League4317
Europa League2614

"Wenn alles läuft wie geplant, würde ich gern als Spieler in Erinnerung bleiben, der seine komplette Profizeit bei Borussia verbracht hat", sagte Schmelzer einst dem Magazin 11 Freunde. Dieser lange von ihm geschmiedete Plan wackelt momentan bedenklich. Schmelzers Schicksal, mit Piszczek der einzige Verbliebene der Jürgen-Klopp-Ära, erinnert an jenes seines guten Kumpels Nuri Sahin. Diesem blieb am Saisonbeginn nur die Flucht nach Bremen übrig, um sportlichen Ehrgeiz und tatsächliche Perspektive noch auf Dauer in Einklang bringen zu können.

"Er ist für uns ein ganz wichtiger Spieler und wird das entsprechend professionell aufnehmen", war sich Zorc am Monatsbeginn in Sachen Schmelzer sicher. Favre wird den Linksverteidiger mit Sicherheit noch in dieser Saison einsetzen und ihm sein 250. Bundesligaspiel schenken.

Ob danach jedoch noch viele im Dress des BVB dazukommen, ist aktuell so ungewiss wie nie.