Es passte zu Jochen Schneider, dass sein Name zur Überraschung nahezu aller Beobachter aus dem Hut gezaubert worden war. Michael Reschke wurde gehandelt, eine Doppelspitze mit Jonas Boldt, der Ex-Schalker Horst Heldt, sogar Jahrhunderttrainer Huub Stevens.
Stattdessen heißt Christian Heidels Nachfolger nun Jochen Schneider. Ein Name, der bei weitem nicht allen Fans geläufig sein wird, dabei hat Schneider zwei Jahrzehnte Bundesliga-Erfahrung - und darf sich unter anderem Meister-Macher schimpfen. Stattdessen arbeitete sich Schneider vergleichsweise anonym im deutschen Oberhaus nach oben: Der Mann im Hintergrund, der sich um die Zahlen kümmert, die in den Verträgen der Spieler stehen. Der kaum Interviews gibt und lieber anderen das Rampenlicht überlässt.
Jochen Schneider: Manager und Sportdirektor beim VfB Stuttgart
Angefangen hat alles beim VfB Stuttgart: Als Student stieg Schneider dort per Praktikum, nach seinem BWL-Abschluss war er bei den Schwaben unter Manager Rolf Rüssmann für die Ausgestaltung der Verträge zuständig, sukzessive nach oben auf: 2002 wurde Rüssmann entlassen, Schneider übernahm einen Teil seiner Kompetenzen. Zusammen mit Felix Magath übrigens, doch der ging 2004 zu den Bayern. Schneider wurde Sportdirektor, ab 2006 hinter Sportvorstand Horst Heldt. Er war also mitverantwortlich für die jungen Wilden, die 2007 sensationell die Deutsche Meisterschaft feiern konnten.
Heldt packte 2010 seine Sachen, also rückte Schneider erneut auf, teilte sich mit Fredi Bobic die sportliche Leitung des VfB. 2014 ging auch Sportdirektor Bobic, also bildete Manager Schneider mit Trainer Armin Veh eine Doppelspitze. Als ihm 2015 schließlich Robin Dutt als Sportvorstand vor die Nase gesetzt wurde, flüchtete Schneider und verbrachte mehrere Jahre bei Red Bull.
Jetzt, 20 Jahre nach seinem ersten Job in der Bundesliga, darf auch Schneider sich endlich Sportvorstand nennen. Was nicht heißt, dass er von jetzt öfter vor die Kameras treten wird: Seine erste Aufgabe wird die Verpflichtung eines Sportdirektors sein.
Schalke 04: Die nächsten Spiele
Datum | Gegner | Wettbewerb |
Freitag, 8. März | Werder Bremen (A) | Bundesliga |
Dienstag, 12. März | Manchester City (A) | Champions League |
Samstag, 16. März | RB Leipzig (H) | Bundesliga |
Sonntag, 31. März | Hannover 96 (A) | Bundesliga |
Mittwoch, 3. April | Werder Bremen (H) | DFB-Pokal |
Schneider bei S04: Kann er den Kader entrümpeln?
Aber ob es nun Jonas Boldt, ehemals Bayer Leverkusen, der von Bild ins Spiel gebrachte Hoffenheimer Alexander Rosen, oder vielleicht doch eine Lösung mit Stallgeruch wie U23-Manager Gerald Asamoah wird: Handlungsfähig ist Schneider, der in Stuttgart in so vielen unterschiedlichen Konstellationen tätig war, auch ohne Kaderplaner an seiner Seite.
Und das ist angesicht der "Riesenherausforderung" auch angemessen. Eine dreistellige Millionensumme hat Heidel in den vergangenen Jahren ausgegeben, um Schalke zu Titeln zu führen, doch die Vizemeisterschaft der vergangenen Saison scheint Jahre entfernt: Quer durch den Kader ziehen sich hochpreisige Flops wie Breel Embolo, Yevhen Konoplyanka oder Sebastian Rudy, andere Fehlzünder wurden schnell wieder abgegeben, ohne Leistungsschwankungen kommt fast niemand in Königsblau aus. Im letzten Jahr konnte Schalke immerhin gut verteidigen. Mittlerweile sucht man eine Spielidee vergebens.
Für letzteres wird Schneider nicht zuständig sein, aber er wird nicht umhin kommen, den Kader zu entrümpeln. Angesichts der 200 Millionen Euro Schulden, die den Klub drücken, ohne die ganz großen Sprünge. Spieler abgeben, neue Spieler holen, den Preis hochtreiben bzw. drücken, das kennt er aus seinen Zeiten beim VfB: "Wenn es sein musste, hat Horst (Heldt, Anm.d.Red.) den Part vom 'Good Guy' gehabt, ich war der 'Bad Guy'", verriet er 2010 der Bild.
Schneider auf Schalke: Wieder ein Verein mit "Strahlkraft"
Wenige Monate später gab er damals der Stuttgarter Zeitung eines seiner höchst seltenen Interviews. Der Tenor des Gesprächs könnte auch auf die kommenden Monate und Jahre auf Schalke passen: auf junge Spieler setzen. "Unser Markt sollte da ganz Europa sein", betonte er.
Daran hat sich in den seitdem vergangenen achteinhalb Jahren nichts geändert, der Fußball ist nur noch internationaler geworden. Schneider war an dieser Entwicklung als Verantwortlicher für die RB-Netzwerke zwischen Leipzig, New York, Salzburg und Brasilien hautnah dran. Nicht zu Unrecht lobte Tönnies in Schalkes Erklärung Schneiders "erstklassiges Netzwerk im nationalen und internationalen Profifußball".
Eine weitere Aufgabe Schneiders bei RB war das, was offiziell mit "Internationalisierungskonzepte" umschrieben wurde. Den noch so jungen Verein, und mit ihm die Marke dahinter, bekannter, internationaler zu machen. Eine Aufgabe, die auf Schalke weitaus weniger nötig ist. "Schalke verfügt über eine ganz besondere Strahlkraft, die weit über das Ruhrgebiet und Deutschland hinausreicht", schwärmt Schneider über seine neue Adresse.
Nach 16 Jahren beim Traditionsverein VfB ist Leipzig für Schneider ein vergleichweise kurzes Intermezzo geworden. Jetzt geht es zum nächsten Traditionsverein - der Name ist größer, die Probleme sind es auch. Christian Heidel hat auf Schalke letztlich drei Jahre durchgehalten. Tönnies hätte sicher nichts dagegen, wenn sich Schneider in diesem Fall eher an seiner Stuttgarter Vergangenheit orientieren würde ...