"Von da, wo Sie jetzt sitzen, könnten Sie genau auf das Stadion schauen", sagt Preetz beim Gespräch mit SPOX und Goal in der Geschäftsstelle des Bundesligisten.
Im Interview spricht der 50-Jährige über seine Visionen und Ziele mit der Hertha, einen möglichen Investoreneinstieg, den herausragenden Berliner Nachwuchs, die Probleme im deutschen Fußball und seine klare Haltung gegen Rassismus.
Sie sind im Sommer zehn Jahre als Sportchef bei Hertha BSC. Wo würden Sie den Klub gerne in zehn Jahren sehen?
Michael Preetz: Natürlich weiterentwickelt. Wir wollen aufschließen zur nationalen Spitze und bestenfalls jedes Jahr um die internationalen Plätze mitkämpfen. Das muss auch unser Anspruch als größte Stadt in Deutschland sein. Die Realität ist aktuell allerdings, dass die wirtschaftlichen Unterschiede sehr groß sind. Also wird es unsere Aufgabe sein, die Abstände zu den Topklubs sportlich und finanziell dramatisch zu verkürzen.
In den ersten Jahren nach der Bundesliga-Rückkehr war häufig vom schlafenden Riesen und der Meisterschaftsfeier am Brandenburger Tor zu hören. In den letzten Jahren war das nach den zwei Abstiegen kein Thema mehr. Ist es auch gut gewesen, dass dieser sehr hohe Anspruch heruntergefahren wurde?
Preetz: Wir haben diese Konsolidierungsphase einfach gebraucht, auch um als Klub nicht ganz von der Landkarte zu verschwinden. Heute können wir sagen, dass der Verein viel gesünder dasteht als vor zehn Jahren. Jetzt haben wir ein gutes Fundament, um ehrgeizigere Ziele anzugehen. Doch die Top sechs in Deutschland zu erreichen, ist für uns ein ambitioniertes Ziel, denn die Bundesliga ist ein Haifischbecken.
Hilft es bei diesem Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wenn man wie Sie auch schon einige negative Erlebnisse gesammelt hat?
Preetz: Ich bin ja schon seit 1986 in diesem Profizirkus. Da gibt es niemanden, bei dem es immer nur bergauf ging. Die große Kunst hier in Berlin ist, angesichts der Erwartungshaltung realistisch zu bleiben. Das gelingt uns in den letzten Jahren besser. Die Leute haben verstanden, dass es sich erstmal lohnt, dass wir Jahr für Jahr in der Bundesliga mitspielen und versuchen, sportlich wie finanziell kontinuierlich zu wachsen.
Ist es richtig, dass der geplante Bau eines neuen Stadions ein wesentlicher Faktor für einen weiteren Aufschwung wäre?
Preetz: Für die Zukunft des Vereins ist das Stadionprojekt ganz wichtig, weil sich erhebliche wirtschaftliche Möglichkeiten daraus ergeben würden. Daher hoffe ich auf eine schnelle Entscheidung noch in diesem Jahr. Allerdings müssen wir weiterhin Überzeugungsarbeit leisten.
Es gab auch Überlegungen, in einen anderen Stadtteil oder sogar ins Umland zu ziehen. Warum wollen Sie trotz der Widerstände auf dem Olympia-Gelände bleiben?
Preetz: Es war von Anfang an unser Anspruch und unser Wunsch, auf dem Olympiagelände ein neues Stadion zu bauen. Wir haben eine umfangreiche Standortanalyse in Auftrag gegeben, wo man überhaupt in Berlin ein solches Projekt realisieren kann. Und die mit Abstand beste Lösung ist auf dem Gelände des Olympiaparks.
Sie sprachen über die wirtschaftlichen Chancen durch den Stadionbau. Muss der Weg für einen Hauptstadtklub wie Hertha nicht analog zu einem Verein wie Paris St.-Germain die Suche nach einem internationalen Investor sein, der richtig viel Geld mitbringt?
Preetz: Ein Investment wie bei PSG würde man im Moment aufgrund der 50+1-Regel gar nicht realisiert bekommen. Und dann gäbe es zudem auch keine Entscheidung ohne unsere Mitglieder. Aber dass wir nach dem Rückkauf von KKR wieder im Besitz aller Anteile sind und uns auf dem Markt nach einem neuen Investor umschauen, ist kein Geheimnis. Es muss aber passen. Und es gibt natürlich noch andere Optionen, um den Abstand zu den Topteams in der Liga zu verkürzen.
Eine solche Option ist sicherlich, mit Herthas extrem erfolgreichem Nachwuchs die Qualität der Profi-Mannschaft zu steigern.
Preetz: Absolut. Wir setzen auf die herausragend gute Nachwuchsarbeit unserer Akademie und stehen für höchst mögliche Durchlässigkeit in den Profi-Kader. Gerade beim Werben um Top-Talente, auch aus dem Ausland, können wir damit punkten. Alle Jungs, die wir in den letzten Jahren zu uns geholt haben, konnten wir zu Bundesliga- und teilweise zu Nationalspielern entwickeln. Das ist ein sehr gutes Fundament, auf dem wir stehen.
Welche Spieler haben Sie da besonders im Blick?
Preetz: Arne Maier, Jordan Torunarigha und Maxi Mittelstädt sind wunderbare Beispiele, welche Talente aus dem eigenen Nachwuchs den Weg zu den Profis und in die U21-Nationalmannschaft gefunden haben. Ähnlich sieht es bei der U20- und U19-Nationalelf aus. Und mit dieser Geschichte sind wir auch für ausländische Talente interessant.
An wen denken Sie?
Preetz: Zum Beispiel an Javairo Dilrosun und Marko Grujic. Beide konnten wir davon überzeugen, dass Hertha der nächste richtige Karriereschritt ist. Javairo kam aus der U23 von ManCity und hat in den ersten Monaten seine großartigen Anlagen und hohe individuellen Qualitäten unter Beweis gestellt, bis er sich ausgerechnet bei seinem Debüt für die niederländische A-Nationalmannschaft im November gegen Deutschland längerfristig verletzt hat. Wir hoffen, dass er uns zum Saisonendspurt wieder zur Verfügung steht.
Und Grujic?
Preetz: Marko ist ein Beispiel dafür, dass wir einen Spieler mit der Qualität, die wir uns normalerweise nicht leisten können, für ein oder vielleicht zwei Spielzeiten durch ein Leihgeschäft zu uns holen können. Er wird sicher in Zukunft eine echte Verstärkung für den FC Liverpool sein. Daher ist die Frage, wann ihn Jürgen Klopp dauerhaft auf diesem hohen Level seines Teams sieht. Uns hilft er mit seinen Fähigkeiten schon jetzt, daher würden wir ihn gerne bei uns halten. Das wird sich aber erst nach der Saison entscheiden.
Den größten Sprung hat aber offenbar Niklas Stark gemacht.
Preetz: Wenn man die jüngsten Entwicklungen nimmt, dann steht Niklas sicherlich exemplarisch für den Weg der Talente von außerhalb. Er ist mit 19 zu uns gekommen und stand jetzt erstmals im Kader der Nationalmannschaft.