Im Interview mit SPOX und Goal gibt Schröder Einblicke in das Gebaren auf dem Transfermarkt, in die Welt der Berater und zeigt am Beispiel von Edimilson Fernandes, mit einer Ablösesumme von 7,5 Millionen Euro zweitteuerster Neuzugang der Mainzer Historie, den Ablauf eines Transfers auf.
Zudem erklärt Schröder, warum er das Wort Klassenerhalt doof findet und wie es nach den Gerüchten um seine Zukunft beim FSV bestellt ist.
Herr Schröder, wenn sich die Transferfenster öffnen, hört man häufig, dass der Markt noch keinen Schwung aufgenommen habe und alles noch sehr ruhig sei. Woran merkt man denn genau, dass der Transfermarkt Schwung aufnimmt?
Rouven Schröder: Zunächst holt man ja das ganze Jahr über Vorerkundigungen zu Spielern ein. Schwung aufnehmen bedeutet dann, dass alles konkreter wird und man in schriftliche Verhandlungen tritt. Gewisse Märkte dienen dabei als Auslöser. Schon ein einziger Transfer löst immer etwas aus, dadurch gehen sofort andere Türen auf. Meistens passiert das natürlich in England, wo unfassbar viel Geld im Spiel ist. Die Engländer geben dem abgebenden Verein dann neue Mittel in die Hand, dort wird ein Kaderplatz frei, für den braucht man wieder Ersatz und so dreht sich das Rad allmählich immer schneller.
Wie funktioniert denn der englische Markt: Hat man dort mehr Zeit als anderswo, weil man eben das viele Geld besitzt und deshalb auch noch kurzfristig zuschlagen kann?
Schröder: Dort läuft es einfach anders und meist alles in einem komprimierten Zeitfenster von drei Wochen ab. Währenddessen überfluten die Engländer regelrecht den Markt und gehen sehr aktiv zu Werke. Sie orientieren sich an gar keinem. Das sind reine Käuferligen geworden, dort versteht man sich nicht als Support für andere. Deshalb sagen sie ganz entspannt von sich aus: Wir haben bis zu unserem Transferschluss am 8. August Zeit. Dass das Fenster in den anderen Top-Ligen länger geöffnet ist, liegt daran, dass sich niemand selbst beschneiden möchte. Stattdessen weiß man: Bis zum 8. August kannst du die Engländer einplanen. Im Idealfall spülen sie dir Geld in die Kassen, mit dem du dann noch drei Wochen arbeiten kannst.
Ist das eine komfortable Situation oder nicht?
Schröder: Doch, ist es. Ich verliere einen Spieler ja lieber am 7. August, was auch bitter ist, als am 28. August. Früher war es noch so, da sind die Engländer am 27. oder 28. August angekommen und haben sich gewundert, wenn der angefragte Spieler teurer geworden ist oder ihn der Verein kurz vor Schließung des Transferfensters nicht mehr abzugeben bereit war.
Zuletzt wurde häufiger ein Domino-Effekt beschworen. Es muss also nicht zwingend ein Stein in einem der ganz hohen Spieler-Regale fallen, damit dieser Effekt in Kraft tritt?
Schröder: Nein. Jeder hat in seinem Bereich zu kämpfen. Wir messen uns mit Konkurrenten wie beispielsweise Augsburg oder Freiburg, die sich im selben Regal wie wir bewegen. Oftmals ist es auch so, dass Vereine, die über uns stehen, in ihrem Regal Probleme haben und sich dann eine Etage tiefer in Richtung unseres Regals orientieren. Wenn die dann mit dem internationalen Wettbewerb und einem höheren Gehaltsbudget werben können, wird es für uns wieder schwieriger.
Welche grundsätzlichen Veränderungen auf dem Transfermarkt haben Sie im Laufe der Zeit bemerkt?
Schröder: In erster Linie nur die Transfersummen. Das sind letztlich aber auch nur Zahlen, wenngleich mit einer aufgrund der Höhe nun etwas veränderten Verantwortung. Das Verhandeln hat sich in meinen Augen nicht verändert und ist immer individuell verschieden. Mit dem einen hat man einen sehr guten Draht oder kann ein bisschen besser, beim anderen weiß man, wie er verhandelt und manchmal ist wiederum klar, dass man erst noch 17 Runden drehen muss, um zum Ziel zu kommen.
Ist es sozusagen handwerklich schwerer geworden, Spieler zu kaufen oder zu verkaufen?
Schröder: Auch das ist unterschiedlich. Jeder Verein hat sein Muster, wie er verhandelt und welche Vertragsinhalte und -konstrukte er gerne hat. Der eine hat ein paar Klauseln mehr mit drin, der andere legt mehr Wert auf Fixsummen und bei manchen ist es total verklausuliert mit Fixsummen, Provision, Bonus, Weiterverkaufsanteil und so weiter. Es kommt auch hier darauf an, wer dir gegenübersitzt: Ist das ein alter Bekannter oder wie beispielsweise in Frankreich häufig der Präsident, den man vielleicht gar nicht gut kennt?
Mit wie vielen Beratern telefonieren Sie denn täglich?
Schröder: Mit sehr vielen. Man kann gar nicht alle Telefonate führen, das können Ihnen wahrscheinlich alle Manager der Branche bestätigen. Man muss gewisse Prioritäten setzen und abschätzen, wie zielführend ein Telefonat sein kann, weil man einfach nicht jeden beglücken und jeder Sache nachgehen kann. Ich kann mich hier im Team auf drei enge Mitarbeiter und mein Scoutingteam verlassen, die mir in dieser Hinsicht viel abnehmen und auch totale Verschwiegenheit an den Tag legen, denn das ist das Nonplusultra auf diesem Gebiet.
Rouven Schröder: "Den Spieler hatte doch ich dir angeboten"
Wie kann man sich überhaupt sicher sein, dass der Berater auch derjenige ist, der für den Spieler spricht?
Schröder: Das ist in der Tat eine neuartige Entwicklung, teilweise eine echte Katastrophe und ein potenzieller Deal-Breaker. Oft können die Spieler gar nichts dafür. Es kann dann auch mal ein nervöser Elternteil sein, der irgendwelchen Leuten Mandate für den Sohn erteilt. Und die rufen dann bei einem an. Das macht Recherchearbeit nötig, wer nun wirklich der richtige Berater ist und erschwert dadurch den Weg zu einem potenziellen Transfer.
Wann hatten Sie diese Situation zuletzt?
Schröder: Bei Moussa Niakhate war es anfangs etwas unübersichtlich. Damals haben mich sehr viele vermeintliche Berater für diesen Spieler angerufen und ich erhielt unzählige WhatsApp-Nachrichten. Im Endeffekt war sein Ansprechpartner dann ein etwas unbekannter französischer Berater, der aber total strukturiert und inhaltlich top professionell war. Als wir mit ihm den Vertrag besiegelten, ging es dennoch wieder mit den Nachrichten los. Da hieß es dann: Nur zur Info, den Spieler hatte doch ich dir angeboten. Das kann teils wirklich ein konfuser Dschungel für uns sein, der einen bei der Arbeit behindert.
Gibt es kulturelle Unterschiede? Inwiefern ist es zum Beispiel anders, mit einem französischen oder einem skandinavischen Klub zu verhandeln?
Schröder: Die gibt es nicht, da es immer typbedingt ist und auf den jeweiligen Charakter des Gegenübers ankommt. Gerade im Ausland oder auf unbekanntem Terrain braucht man ein gutes Beraterteam, das die dortigen Strukturen genau kennt. Es ist immer eine hohe Sensibilität gefragt. Ich muss ja wissen: Wer ist der Entscheider, wann ist er erreichbar und aufnahmebereit? Ist das einer, der in Verhandlungen zunächst auf die Pauke haut und erst im zweiten Gespräch seine Forderungen geraderückt oder ist es einer, der total direkt ist und früh abblockt? Das sind alles wichtige Informationen.
Würden Sie sagen, dass in manchen Ländern die Vereine weniger akribisch die sportliche und wirtschaftliche Komponente eines Transfers abwägen, bevor sie einen Spieler kaufen?
Schröder: Ja, das glaube ich schon. In Deutschland geht man strukturierter vor und lässt einen Deal auch mal platzen, bevor man sich mit einem Spielersalär außerhalb des bisherigen Gehaltsrahmens das ganze Konstrukt zerschießt. Sonst hast du am Ende nur Stress in der Kabine. Im Ausland schaut man da auch mal weg und denkt sich eher: Das machen wir jetzt einfach mal, Hauptsache wir haben den Spieler. Da macht man sich punktuell weniger Gedanken um das mögliche Ausmaß.